Umbau und Sanierung Bau 2023: Beim nachhaltigen Bauen hilft ein Blick zurück ins Mittelalter

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Bei der Bau in München, der Weltleitmesse für Architektur, Materialien und Systeme war der Umbau ein großer Hoffnungsträger, um klimafreundlich und sozialverträglich, aber auch zügig weiteren Wohnraum aufzubauen. Sowohl Bevölkerung als auch das Handwerk zeigen sich dabei offen für eine Baukultur, die schon im Mittelalter angesagt war.

Zukunftstrend: Umbauen wie im Mittelalter. - © lapas77 - stock.adobe.com

Mehr Menschen, mehr Wohnraum: Auf der Bau 2023 diskutierten Experten darüber, wie sich für 90 Millionen Menschen, die laut dem Statistischen Bundesamt bis 2070 in Deutschland leben werden, der nötige Wohnraum schaffen lässt. Vor dem Hintergrund der Klimakrise sollen die Behausungen natürlich vor allem auch eines sein: nachhaltig.

Um möglichst wenig CO2-Emissionen beim Bauen zu verursachen, verwies Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, auf die vorindustrielle Zeit. „Damals wurde in erster Linie um- und weitergebaut. Häuser wurden gepflegt, repariert und zu gegebener Zeit den veränderten klimatischen, politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen angepasst“, führte er auf der Messe in diesem April aus.

Selbstverständliche Umbaupraxis vor der Industrialisierung

Abzureißen und von Grund auf neu zu bauen war ein No-go. Allein, weil Baustoffe knapp und teuer waren. Zum Neubau kam es deshalb meist nur, wenn ein Brand oder ein Krieg Quartiere zerstört hatten. Ansonsten galt: Was bereits vorhanden ist, muss nicht erst beschafft, bearbeitet und verbaut werden.

Auch die Tradition spielte eine große Rolle. „Bauen hat eine gesellschaftliche Funktion sowie auch eine strukturpolitische Bedeutung“, erklärte Nagel. So wurden die Leistungen vorangegangener Generationen weitgehend respektiert. Durch Umbau entstand gleichzeitig auch neues: Anbauten, Aufstockungen oder Ummantelungen gaben geänderten Nutzungen Raum. Dieser selbstverständlichen Umbaupraxis verdankt Europa laut Nagel ein vielschichtiges baukulturelles Erbe, das Geschichte gegenwärtig hält. Die Baustoffe dazu stammten im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit übrigens aus Ruinen der Antike. Das bereits perfekt bearbeitete Baumaterial war nicht nur als wertvolle Ressource, sondern auch wegen seines Symbolgehalts geschätzt.

Anknüpfen an die traditionelle Baukultur

An diese Bautradition soll – so der Appell der Bundesstiftung Baukultur – die heutige Baubranche wieder anknüpfen. Diese Argumente sprechen laut einer aktuellen Analyse der Stiftung dafür:

  • Der jährliche Bauabfall Deutschlands von 74,44 Millionen Tonnen entspricht rechnerisch dem Materialbedarf für circa 422.000 Wohneinheiten.
  • Die jährlichen CO2-Emissionen des Bau- und Gebäudesektors in Deutschland entsprechen pro Person 3,66 Tonnen, der ideale CO2-Fußbabdruck liegt dagegen bei weniger als eine Tonne pro Person.
  • Bei der grauen Energie hält der Rohbau mit 56 Prozent den größten Anteil. Es folgen Ausbau (20 Prozent), Gebäudehülle (14 Prozent) und Haustechnik (10 Prozent).

  • Vor allem der Bestand prägt die gebaute Umwelt: Mit 59 Prozent entfällt das Gros der bestehenden Gebäude auf Alltagsbauten, 30 Prozent auf erhaltenswerte Bauten und drei Prozent auf Denkmäler. Die geschätzte Anzahl an Neubauten, die bis 2035 fertiggestellt werden sollen, liegt bei acht Prozent.
  • Interessant: Der Verbrauch der Betriebsenergie weicht durch den Menschen vom berechneten Bedarf ab. Während der Energiekonsum unsanierten Gebäuden durch sparsames Verhalten geringer ist, liegt er bei Effizienzhäusern wegen zum Beispiel höhere Raumtemperaturen und häufigeres Lüften höher.
  • Im Gegensatz zum Neubau empfindet die Bevölkerung Umbau als besser integrierbar (79 Prozent), individueller (75 Prozent) und klimafreundlicher (65 Prozent).
  • Auch im Handwerk selbst kommt der Umbau gut an. Während auf diesen Bereich 71 Prozent der Umsätze entfallen, sind es beim Neubau nur 29 Prozent. Mit 78 Prozent arbeiten die meisten Handwerker lieber auf einer Baustelle, bei der umgebaut oder saniert wird, als auf einer, bei der neues entsteht: Nur 22 Prozent finden das interessanter.
  • In die Zukunft gedacht, geben 85 Prozent an, dass für Ihr Unternehmen der Umbau und die Sanierung wichtig sein wird, das sagen nur 15 Prozent für den Neubau. Die Umbaukultur sollte daher für 91 Prozent zu einer überbetrieblichen Ausbildung dazu gehören.