Betriebliche Altersvorsorge Betriebsrenten: Teure Rentenerhöhungspflicht für Arbeitgeber

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Arbeitgeber haben laut Betriebsrentengesetz (BetrAVG) alle drei Jahre die Pflicht zu prüfen, ob die laufenden Rentenleistungen an ehemalige Mitarbeiter an die Inflation angepasst werden müssen. Ziel ist es, einen Kaufkraftverlust auszugleichen. Das kann für Arbeitgeber teuer werden, denn die Inflationsraten sind seit drei Jahren hoch. Doch Arbeitgeber haben eine Wahlmöglichkeit, nach welchem Maßstab sie die Renten anpassen. Wie das geht – und drei hilfreiche Tipps für die Prüfung der Rentenanpassungen von Anja Sprick, Justiziarin beim Pensionsberater Longial GmbH.

Alle drei Jahre wieder ... müssen Arbeitgeber prüfen, ob sie die Betriebsrenten anpassen müssen.
Alle drei Jahre wieder ... müssen Arbeitgeber prüfen, ob sie die Betriebsrenten anpassen müssen. - © Goffkein - stock.adobe.com

Immer, wenn es um Gesetze geht, liegt der Teufel im Detail. So auch beim Betriebsrentengesetz (BetrAVG). Denn Arbeitgeber müssen alle drei Jahre prüfen, ob sie ihre laufenden Rentenleistungen an ehemalige Mitarbeiter an die Inflation anpassen müssen. Und da stellt sich schon die Frage: Wann genau ist alle drei Jahre? Logisch wäre es, wenn der Arbeitgeber verpflichtet wäre, je nach individuellem Tag des Renteneintritts die Prüfung durchzuführen - was aber sehr aufwendig sein kann. Deshalb gibt es hier eine Vereinfachung: Der Arbeitgeber darf "einen einheitlichen Stichtag im Jahr oder sogar im dreijährigen Turnus" festlegen und die Termine aller Rentenbezieher bündeln, informiert Anja Sprick, Justiziarin beim Pensionsberater Longial GmbH.

Geregelte Anpassungsmaßstäbe

Und sie ergänzt: "Enthält die Versorgungsordnung keine besonderen Regelungen, können Arbeitgeber den Anpassungsbedarf entweder anhand der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes (VPI) oder anhand der Entwicklung der Nettolöhne von vergleichbaren Arbeitnehmergruppen im Unternehmen ermitteln." Diese sogenannten Anpassungsmaßstäbe regelt § 16 Abs. 2 BetrAVG.

Rentenanpassung verweigern

Tatsächlich passen nicht alle Arbeitgeber die Rentenbezüge an. Oft mit gutem Grund: Drei Prozent Inflation im Jahr 2021, hohe 7,9 Prozent im Jahr 2022 und noch einmal fünf bis sechs Prozent 2023. Wer diese Erhöhung an seine ehemaligen Mitarbeiter weitergeben muss, zahlt Anfang 2024 dann knapp 17 Prozent mehr.

Arbeitgeber haben das Recht, diese Erhöhung zu verweigern, wenn ihre wirtschaftliche Lage keine Erhöhung zulässt. Dieses müssen sie dem Versorgungsempfänger schriftlich erklären. Aber Achtung: Ein Verweis auf die allgemeine wirtschaftliche Lage (Corona-Krise, allgemeine Lieferengpässe, Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg) reicht nicht aus. Es muss die wirtschaftliche Lage des Betriebes sein, die die verweigerte Erhöhung begründet. Und oftmals landen diese Fälle vor Gericht, weil Rentenbezieher die Begründung für nicht schlüssig halten. So hat etwa das Arbeitsgericht Frankfurt (Az. 26 Ca 905/20) eine Verweigerung der Rentenerhöhung abgelehnt, weil die beklagte Bank lediglich auf die Kosten aufgrund der Corona-Krise verwiesen hatte. Widerspricht der Rentenempfänger dieser Mitteilung nicht innerhalb von drei Monaten, wird die Entscheidung des Arbeitgebers wirksam. Allerdings muss der Arbeitgeber auf diese Frist hinweisen. Fehlt der Hinweis, kann der Rentenbezieher drei Jahre rückwirkend ab Anpassungsstichtag seine Ansprüche geltend machen.

Die Wahl: Inflationsrate oder Nettolohn?

Arbeitgeber, die sich für die Inflationsrate als Maßstab entscheiden, hatten es in der Vergangenheit meist leichter. Denn den Verbraucherpreisindex (VPI) ermittelt das Statistische Bundesamt – er ist also definiert und gut nachprüfbar.

Bei der Nettolohnentwicklung ist das anders. Denn es müssen 'vergleichbare Arbeitnehmergruppen' im Unternehmen gefunden werden - und was das ist, hat niemand festgelegt. Hier entsteht ein Interpretationsspielraum. „In der Vergangenheit war die Anpassung auf Grundlage der VPI-Entwicklung für den Arbeitgeber meist die günstigere Variante, da insbesondere bei langen Laufzeiten der Renten die Gehaltsentwicklung häufig über der VPI-Entwicklung lag“, so Justiziarin Sprick.

Nun aber ist die Lage anders: Die Inflationsraten sind enorm gestiegen. Deshalb sollten Unternehmer jetzt prüfen, ob die "Nettolohnanpassung nicht doch die günstigere Methode sein könnte", rät Sprick. Der Wechsel von einem Maßstab zum nächsten, ist bei jedem Anpassungstermin möglich. Arbeitgeber sind also nicht verpflichtet, "den einmal gewählten Maßstab dauerhaft beizubehalten", erklärt sie. Doch auch hier steckt der Teufel im Detail - beim Wechsel stoßen Arbeitgeber nicht selten auf Hindernisse.

Probleme beim Maßstab Nettolohnentwicklung

Wechselt ein Arbeitgeber den Prüfungsmaßstab, "so ist laut Bundesarbeitsgericht (BAG) der Anpassungsbedarf immer von Rentenbeginn an zu prüfen", weiß Sprick. Dies gelte auch, wenn der Arbeitgeber im bereits laufenden Rentenbezug wechselt. Die Folge dieser Vorgabe ist kompliziert. Denn in diesen Fällen muss der Arbeitgeber zunächst die ursprüngliche Rente feststellen. Diese sogenannte Ausgangsrente kennt aber häufig niemand mehr - vor allem dann, wenn der Arbeitgeber ein Unternehmen gekauft und Rentnerbestände übernommen hat. Schwierig ist laut Sprick auch, dass „im Unternehmen vergleichbare Arbeitnehmergruppen bestimmt werden“ müssen. Doch oftmals hat niemand bei Rentnern die frühere Berufsgruppe beziehungsweise Tätigkeit vollumfänglich erfasst. Damit ist die Definition einer vergleichbaren Arbeitnehmergruppe schwierig. Zudem muss der Arbeitgeber auf Unterlagen zugreifen, die ihm vielleicht gar nicht immer zur Verfügung stehen.

Eine weitere Herausforderung ist die Festlegung des zu vergleichenden Nettolohns. "Ausgangspunkt hierfür sind die Bruttolöhne vergleichbarer Arbeitnehmer. Innerhalb der Vergleichsgruppe können jedoch unterschiedliche Abzüge anfallen. So zum Beispiel je nach Steuergruppe", informiert Sprick. Sie ergänzt: "In der Vergangenheit war die Nettolohnentwicklung in einigen Tarifbranchen (zum Beispiel in der Chemiebranche oder Metallindustrie) höher als der Preisindex. Bei größeren Rentnerbeständen ist demnach der Aufwand zur Bestimmung der Nettolohnentwicklung sehr hoch und nicht unbedingt vorteilhafter für den Arbeitgeber.“

Longials Tipps für Arbeitgeber

  • Je nach Höhe der Versorgung könnten versicherungsförmige Durchführungswege gewählt oder mit nicht-versicherungsförmigen Durchführungswegen kombiniert werden. Denn: Bei versicherungsförmigen Durchführungswegen (Direktversicherung, Pensionskasse und versicherungsförmiger Pensionsfonds) entfällt die Anpassungsprüfung, wenn ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden. Darüber hinaus muss ebenfalls keine Anpassungsprüfung nach VPI oder Nettolohnentwicklung erfolgen, wenn eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt wurde.

  • Bei Versorgungszusagen, die nach 1999 erteilt wurden, besteht die Möglichkeit, eine Steigerung der laufenden Rente von mindestens einem Prozent jährlich zu versprechen. In diesem Fall entfällt die Prüfung. Bei neu zu erteilenden Versorgungszusagen kann diese Regelung von Anfang an in die Versorgungszusage aufgenommen werden. Bei bestehenden Zusagen ist allerdings eine nachträgliche Änderung vom Arbeitgeber einseitig nicht möglich. Hierfür bedarf es der Zustimmung der Versorgungsberechtigten.

  • Bei Neurentnern könnte sich die Nettolohnanpassung für den Arbeitgeber unter Umständen derzeit günstiger auswirken. Dazu müssten dann vergleichbare Arbeitnehmergruppen bestimmt werden, der Nettolohn zu definieren und der Aufwand für den Arbeitgeber hierfür nicht unverhältnismäßig sein.

Fazit:

Bei der Prüfung der Anpassung sollten Arbeitgeber einige grundlegende Voraussetzungen wie beispielsweise den Rentnerbestand, die Durchführungswege und die Lohnentwicklung im Verhältnis zur Teuerung genau betrachten. "Bei der Abwägung, welcher Anpassungsmaßstab für den Arbeitgeber tatsächlich finanziell vorteilhafter ist, kann die Hilfe eines versicherungsmathematischen Beraters empfehlenswert sein", meint Sprick. Informationen und Kontakte erhalten Arbeitgeber auch bei der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge e.V.