Arbeitsorganisation Alleinarbeit: Mitarbeiter an Einzelarbeitsplätzen richtig schützen

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Arbeitsschutz und Gesundheit und Fachkräftemangel

Urlaub, Krankheit oder einfach der Fachkräftemangel: Es gibt viele Gründe, warum Kollegen nicht immer im Team arbeiten können. Eine Aufgabe allein zu erledigen ist weder verboten noch automatisch gefährlicher als die Teamarbeit. Dennoch gibt es im Arbeitsschutzrecht für Alleinarbeit bestimmte Vorgaben. Was Chefs dazu wissen müssen.

Gefährliche Arbeiten nicht alleine ausführen
Eine gefährliche Arbeit sollte grundsätzlich nicht von einer Person allein ausgeführt werden. - © Robert Kneschke - stock.adobe.com

Maßgebliche Rechtsgrundlage für Alleinarbeit ist die Regel 100-001 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Danach liegt Alleinarbeit vor, wenn eine Person allein, außerhalb von Ruf- und Sichtweite zu anderen Personen, Arbeiten ausführt. Damit ist der Begriff Alleinarbeit weit gefasst und es geht keineswegs nur um Notdienste, Außendienstler oder Hausmeister. Das entscheidende Kriterium für einen Alleinarbeit ist, dass einen die Kollegen weder sehen noch hören. Der Bereich, in dem Alleinarbeit stattfindet, wird als Einzelarbeitsplatz bezeichnet.

Gesundheitsschäden durch verzögerte Rettungskette

Eine Tätigkeit allein zu verrichten macht diese Aufgabe nicht per se gefährlicher. Mancher arbeitet sogar ganz gern allein, etwa um eine schwierige Arbeit ungestört zu erledigen. Auch im Handwerk oder auf dem Bau gibt es immer wieder Situationen, in denen ein Mitarbeiter ganz für sich allein werkelt. Viele Handwerker in Ein-Mann-Betrieben kennen es kaum anders.

Die Gefahr von Alleinarbeit ergibt sich jedoch immer dann, wenn der Alleinarbeiter sich verletzt oder gar bewusstlos wird oder aus anderen Gründen bewegungsunfähig ist. Denn dann fehlen die Kollegen in der Nähe, die den Notfall bemerken, Erste Hilfe leisten und den Notarzt rufen. Nicht nur bei einem Schlaganfall, auch bei vielen anderen Unfällen, Verletzungen oder Gesundheitsstörungen kommt es auf eine schnelle ärztliche Versorgung an. Verzögert sich die Rettungskette, weil niemand den Unfall des abseits arbeitenden Kollegen bemerkt, kann das je nach Situation und Verletzungsart die Verletzungsfolgen deutlich verschlimmern. Im Extremfall kann ein Verbluten, Ersticken, Erfrieren oder Ertrinken drohen.

Alleinarbeit bei riskanten Tätigkeiten vermeiden

Alleinarbeit ist nicht verboten, auch nicht nach Feierabend. Entscheidend ist das damit verbundene Risiko. Laut der DGUV Regel 100-001 sollte eine gefährliche Arbeit grundsätzlich nicht von einer Person allein ausgeführt werden. Zu den als gefährlich eingestuften Tätigkeiten gehören etwa Arbeiten

  • in Behältern, Silos und anderen engen Räumen
  • an und in elektrischen Schaltanlagen
  • bei denen Absturzgefahr besteht
  • mit erhöhter Brandgefahr
  • in gasgefährdeten Bereichen
  • mit der Motorsäge und beim Fällen von Bäumen
  • mit heißen, giftigen, gesundheitsschädlichen oder ätzenden Arbeitsstoffen

Diese Liste ist nicht abschließend. Auch Sprengarbeiten oder Gasdruckproben an Behältern sollten nicht allein vorgenommen werden. Maßgeblich ist stets die Gefährdungsbeurteilung vor Ort. Immer dann, wenn ein erhöhtes Risiko besteht – ob aufgrund des Arbeitsverfahrens, eingesetzter Gefahrstoffe oder Umgebungsfaktoren – müssen Betriebsleiter und Vorgesetzte sorgsam abwägen, ob ein Mitarbeiter tatsächlich allein zu diesem Einsatz geschickt werden darf. Dies sollte laut Regelwerk nur „ausnahmsweise“ der Fall sein und auch nur dann, wenn es aus betrieblichen Gegebenheiten zwingend erforderlich ist.  

Die Pflichten der Chefs

Der Unternehmer oder die Führungskraft, der einen Mitarbeiter mit einer gefährlichen Alleinarbeit betraut, trägt eine besondere Verantwortung. Er muss in diesem Fall laut DGUV-Regelwerk

  • über die allgemeinen Schutzmaßnahmen hinaus für geeignete technische oder organisatorische Personenschutzmaßnahmen sorgen und
  • in Abhängigkeit von der Gefährdung geeignete Maßnahmen zur Überwachung treffen. 

Für die Praxis heißt das: Wenn eine Arbeit gefährlich ist und die Überwachung durch die Kollegen fehlt, müssen andere Lösungen gefunden werden, um im Notfall eine schnelle Rettung zu ermöglichen. Das können regelmäßige Kontrollgänge durch eine aufsichtsführende Person sein, vereinbarte Telefonate mit einer Zentrale oder eine Überwachung per Videokamera sein.  

Totmannwarner: Technik ersetzt Kollegen

Sind solche organisatorische Schritte nicht umsetzbar oder unzureichend, kommen zur Überwachung auch technische Lösungen infrage. Kleine am Körper getragene Geräte, im Fachjargon Totmannwarner genannt, registrieren einen Sturz und geben automatisch Alarm, auch wenn der Gestürzte bewusstlos wird. Digitalisierung und Vernetzung machen solche und andere Personen-Notsignal-Anlagen (PNA) immer handlicher, leistungsfähiger und „intelligenter“.  

Keine Alleinarbeit für Azubis, Schwangere und Risikogruppen

Grundsätzlich nicht am Arbeitsplatz alleingelassen werden sollten Kollegen mit Vorerkrankungen oder mit Faktoren, die bei Alleinarbeit zum Risiko werden könnten. Dazu zählen Panikstörungen wie Platzangst, Anfallsleiden (Epilepsie), die Neigung zu plötzlicher Atemnot, aber auch eine Alkoholproblematik ist ein Ausschlusskriterium. Auch schwangere Frauen und Jugendliche sollten beim Arbeiten nicht allein sein. Schwangere Mitarbeiterinnen müssen die Möglichkeit haben, ihren Arbeitsplatz – aus gesundheitlichen Gründen – jederzeit zu verlassen. Es darf nicht sein, dass etwa an einer Kasse oder einer Maschine niemand zur Stelle ist, der helfen und ihren Platz übernehmen kann. 

Fazit: Alleinarbeit ist erlaubt, aber gefährliche Alleinarbeit ist nur unter bestimmten Bedingungen zulässig. Eine schnelle Rettung in Notfällen muss sichergestellt werden.