Es muss ein Ende haben mit der Oberflächenkosmetik, wenn konkrete Ansätze fehlen. Wie lange will man uns noch im Glauben lassen, dass man seitens der Politik ernsthaftes Interesse hat, die Papierfluten einzudämmen? Betriebsstilllegungen oder Verlagerungen ins Ausland haben Gründe und oft ist es die Bürokratie. Aber man „wurschtelt“ weiter wie bisher, kritisiert Kolumnistin Ruth Baumann in dieser Folge „Neues von der Werkbank“.

Es sollte bekannt sein, dass Politik und Bürokratie eine toxische Verbindung darstellen. Obwohl, der Wahrheit die Ehre, es sind mitunter auch kleine Fortschritte zu verzeichnen. Es ging lange genug, bis man verstanden hat, dass vollmundig und oft verteilte „Pflästerle“ „one in, one out“ – weder bei Gesetzgebung noch anderen Vorgaben – keinerlei bürokratieabbauende Wirkung haben. Lediglich wird so einfach nur das zu hohe Level an Belastungen konserviert. Jetzt, taufrisch sozusagen, die Erkenntnis, dass nur durch „one in, three out“ eine reelle und reale Entlastung erzeugt werden kann. Chapeau, das hat jetzt aber lange gedauert!
Immer mehr Bürokratie und Verpflichtungen für Unternehmen
Wenn man verschiedene „Papierfluten“ auf die Schreibtische der Betriebe transformiert, ist dies ebenfalls keine Entbürokratisierung. Jährliche Hochglanzberichte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer mehr Verpflichtungen an die Unternehmen weitergereicht werden, während man für sich selbst in Anspruch nimmt etwas getan zu haben. Solange in unserem Alltag nichts Spürbares und Konkretes ankommt, ist dies kein großer Wurf, sondern eher ein Placebo.
Einführung eines „EC“-Siegels statt Lieferkettengesetz?
Nehmen wir das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ und bitte, bilden wir uns nicht ein, dass dies uns auch bei einer Mitarbeiterzahl unter 1.000 nicht tangieren wird. Es wird die Verantwortung von oben nach unten delegiert und klein- sowie mittelständische Betriebe sind in dieser Kette durchaus auch eingebunden. Warum wird nicht die Einhaltung und Kontrolle ein Teil der wirtschaftlichen Daseinsvorsorge von Staaten? „Betritt“ eine Ware den europäischen Wirtschaftsraum, kontrolliert einmalig das jeweilige Land. Mit dem „EC-Siegel“ könnte dann innerhalb Europas ohne weitere Kontrollen und Dokumentationen gearbeitet werden. Das würde die einzelnen Betriebe von einem weiteren Pflichtenheft entlasten.
Das große Hoffen, dass die EU nicht noch auf falsche Ideen kommt
Wer selbst von Kliniken einen CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) verlangt, ist wohl im Märchenwald sprudelnder Geld- und Personalressourcen unterwegs. Für eine große Klinik bedeutet dies entweder eine Personalstärke von ca. 15 Mitarbeitern zu binden oder ein externes Unternehmen mit einem Auftrag in Höhe von etwa 300.000 Euro zu „beglücken“. Und das bei der bekannten Realität im Gesundheitswesen! Zum Fremdschämen, oder? Man kann nur hoffen, dass die EU nicht noch auf die Idee kommt, dass unsere Betriebe die Verwendung der CO2-Abgabe bei Klimaprojekten überwachen müssen, um so Missbrauch zu verhindern.
Auf Bundesebene hat man gewerblich genutzte Fahrzeuge als Arbeitsmittel umgewidmet. Neben den regelmäßigen TÜV-Untersuchungen sollen zusätzlich jährliche UVV-Prüfberichte (Unfallverhütungsvorschriften) vorgelegt werden. Hegt man Zweifel an der Arbeit des TÜVs, sucht man seine eigene Legitimation oder leidet jemand gar unter Langeweile? Und mancher Baum müsste auch nicht „sterben“.
Statt Bürokratie abzubauen einfach neue Pflichten erfinden
Im Ländle sorgte ein angedachtes „Gleichbehandlungsgesetz“ für Furore. Bürgern sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich gegen behördliche Benachteiligung zu wehren. Was so einfach daherkommt, erwies sich dann doch als explosiv. Sämtliche Entscheidungen innerhalb der Verwaltung wären fragil. Die Beweispflicht obliegt dann dem Beklagten und nicht dem Kläger. Dies drohte dann nicht nur den Kommunen und Verwaltungen, sondern z. B. auch dem Schornsteinfeger. Statt Bürokratie abzubauen, erfindet man mal wieder Neue und will dann diese später wieder vollmundig abbauen. So geht anscheinend Politik!
Ich empfehle öfters mal einen mutigen Blick über den Tellerrand zu wagen. Österreich zeigt bereits, wie die Zulassung von Fahrzeugen auch organisierbar wäre. Jedes Fahrzeug braucht eine Versicherung und diese „kümmert“ sich ebenfalls um die Zulassung als auch den gesamten bürokratischen Wust. Alles in einem Paket quasi und marktwirtschaftlich umgesetzt. Keine Wartezeiten auf dem Amt, Schlangestehen wird zum Fremdwort, aber vor allem: es funktioniert! Mit den eingesparten Ressourcen könnte man innerhalb der Verwaltung Stellen umbesetzen, wo Personal händeringend gesucht wird. Nur mal so als Gedanke...
Die toxische Verbindung zwischen Politik und Bürokratie aufbrechen
Wer Bürokratie kultiviert und ausufern lässt, sucht vielleicht „Versorgungsstellen“ oder Gnadenhöfe für Vertraute oder aber hegt die Hoffnung, dass dies Wohlstand generiert. Ein Blick auf die sinkenden Betriebszahlen bzw. die angekündigten Entlassungen könnte da heilsam sein. Es ist an der Zeit, die toxische Verbindung zwischen Politik und Bürokratie aufzubrechen. Der „Tod“ eines Betriebes sollte nicht der Preis dafür sein der Papierflut zu entkommen.
Über Autorin Ruth Baumann:
Bei Ruth Baumann war es ein zart gehauchtes "Ja", das sie in einen mittelständischen Straßenbaubetrieb und damit ins Handwerk brachte: Seit ihrer Hochzeit führt sie gemeinsam mit Ehemann Martin Baumann die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. Trotz ihres abgeschlossenen Hochschulstudiums entschied sie sich damals bewusst, in den Familienbetrieb einzusteigen und bekräftigte dies durch eine weitere Ausbildung zur Bürokauffrau. Zunächst im Ehrenamt bei den Unternehmerfrauen im Handwerk Freiburg, später als Präsidentin des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Baden-Württemberg, war es ihr immer ein besonderes Anliegen, die Mitglieder mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Stolz auf das Handwerk auszustatten. Sie sieht die Unternehmerfrauen als Wirtschaftsverband und vertritt dies auch in der Öffentlichkeit.
Ihre betriebliche Erfahrung wurde in der Folgezeit auch verstärkt in der politischen Theorie nachgefragt und stieß – zu ihrer eigenen Überraschung – auf immer mehr Resonanz. Es folgten unterschiedliche Kommissionen und Funktionen in der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die sie mittlerweile auch auf Bundesebene ausführt. In Interviews, Vorträgen und Podiumsdiskussionen rund um das Handwerk gibt sie parteiübergreifend Einblicke in die Sorgen und Nöte von Familienbetrieben. Jüngst wurde sie in den Bundesvorstand der CDU gewählt und ist dort als "Handwerk mit Mundwerk und akademischen Grad" Mittler zwischen unterschiedlichen Welten.