Fahrzeugprüfungen gemäß UVV Unfallverhütungsvorschriften: Outsourcing macht lästige Pflicht zur lässigen Routine

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Kfz-Checks, Fahrerunterweisungen, Controlling: Zur Erfüllung der Pflichten rund um die Prüfungen der Firmenwagen gemäß der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) brauchen Handwerksbetriebe rechtssichere und ressourcenschonende Lösungen. Teil davon kann das Outsourcing von Aufgaben an sachkundige Externe sein.

Unternehmer Joachim Linder aus dem schwäbischen Albstadt hat das Thema UVV professionell aufgesetzt.
Unternehmer Joachim Linder aus dem schwäbischen Albstadt hat das Thema UVV professionell aufgesetzt. - © Christian Mader

Stuckateurmeister Joachim Linder ist ein emsiger Unternehmer im schwäbischen Albstadt. Mit seinen rund 50 Mitarbeitern führt er nicht nur klassische Putz-, ­Struktur- und Malerarbeiten an und in Gebäuden aus. Zum Leistungsspektrum gehören auch Spezialaufträge wie Asbestsanierungen sowie Gerüstbau und Energieberatung. Entsprechend breit ist der Bedarf an Fahrzeugen, mit denen sein Team zu den Kunden ausschwärmt – im Umkreis von bis zu 40 Kilometern.

Die Palette an Kfz-Typen im Fuhrpark reicht von vier VW Tiguan und zwei Kleintransportern wie VW Caddy Cargo über fünf VW Crafter sowie acht Mercedes-Benz Sprinter als Kasten- respektive Pritschenwagen für den Transport von Paletten, Dämmmaterialien und anderer Ware bis hin zu drei Lkw. Konkret: einem Mercedes-Benz Actros mit Kranaufbau ­sowie zwei Atego zur Beförderung der ­Gerüste. Während Linder die Nutzfahrzeuge über die Bamaka als Mitglied der Einkaufsgesellschaft für die Bauwirtschaft erwirbt, least er die Pkw und Kleintransporter möglichst inklusive der von den Herstellern subventionierten Wartungs- und Verschleißpakete.

Kfz-Checks: Selektives Outsourcing

Dieser besondere Mix an Parametern wie Fahrzeugtypen, Beschaffungsform & Co. bestimmt wiederum, wie die Prüfungen der Firmen-Kfz gemäß Unfallverhütungsvorschriften (UVV) der Berufsgenossenschaften (BG) als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung aufgesetzt sind. Basis ist eine Gefährdungsbeurteilung, die der Betriebswirt des Handwerks mittels Schulungen und Unterlagen der BG Bau sowie des Fachverbandes der Stuckateure für Ausbau und Fassade Baden-Württemberg für seinen Betrieb vor Jahren erstellt hat und immer wieder aktualisiert.

Ein Kapitel beschäftigt sich mit den Kfz als Arbeitsplatz und -mittel. Der Fokus richtet sich auf die Lkw mit den Geräten, Aus- und Aufbauten, die der Chef und ein beauftragter Mitarbeiter mindestens zweimal pro Jahr kontrollieren. Dieser Vorgang wird schriftlich dokumentiert und archiviert.

Vorgeschriebene Checks übernimmt der Autohändler

Linder geht bei den gängigen Dienst-Pkw und Transportern einen anderen Weg. Die dafür vorgeschriebenen jährlichen Checks hat er an den benachbarten Autohändler delegiert. „Bei den geleasten Kfz mit Wartungs- und Verschleißpaket sind die UVV-Prüfungen enthalten“, begründet er. „Bei den Transportern werden diese entweder im Rahmen des Kundendienstes, der HU/AU oder der Inspektion mitgemacht respektive an einem vereinbarten Termin von den Profis an einem Tag bewerkstelligt.“ Das Autohaus erinnert ihn auch, wann die Prüfungen anstehen. Nach der Durchführung gibt es sowohl eine Plakette in die B-Säule als auch die Original-Check­listen mit den Ergebnissen nebst Vermerk auf der Rechnung. Die Kosten: je nach Kfz und Aufwand zwischen 30 und 100 Euro pro Abnahme.

Als Dienstleister fungiert die „bhg“. Deren Sachkundige erledigen die UVV-Kontrollen vor Ort. Dies geschieht entweder als Einzel- oder als Verbund­prüfung im Rahmen des HU/AU-Termins respektive der großen Inspektion. Zu diesem Zweck hat die bhg als Teil der Autohandelsgruppe Alphartis mit ihrer 21-köpfigen Großkundenabteilung den Service für die Marken Audi, Cupra, Seat, Skoda, VW Pkw und VW Nutzfahrzeuge standardisiert. Grundlage bilden Checklisten, die die Hersteller zur Verfügung stellen und die Servicemitarbeiter abarbeiten.

Prüfungen gliedern sich in Verkehrs- und Arbeitssicherheit

Die Einzelprüfberichte gliedern sich in zwei Bereiche: Verkehrs- und Arbeitssicherheit. Demnach sichten die Sachkundigen zunächst etwa die Front- und Heckbeleuchtung, den Antrieb, die Lenkung und die Stoßdämpfer und testen sie auf ihre Funk­tionstüchtigkeit. Für den zweiten Bereich kontrollieren sie beispielsweise, ob Warnweste, -dreieck sowie Vorrichtungen zur Ladungssicherung vorhanden sind als auch Anbauteile und Anhängevorrichtungen funktionieren. „Bei den Verbundprüfungen klopft der Mitarbeiter lediglich die Aspekte der Arbeitssicherheit ab, weil in diesen Fällen die Punkte rund um die Verkehrssicherheit bereits Gegenstand der HU/AU oder Inspektion waren“, sagt Pavel Umanskij, Leiter Vertrieb Großkunden bei der bhg. „Außerdem sind Ergänzungsprüfberichte anzufertigen, wenn zum Beispiel eine Ladebordwand vorhanden ist, es sich um einen Kipperaufbau oder ein E-Fahrzeug handelt.“

Bei den Stromern steht unter anderem der Check des Hochvoltsystems an – von der Batterie über die Verkabelung und Hochvolt-Heizung bis zum Getriebe. Nur die Ladekabel der Hersteller werden derzeit nicht mitgeprüft. „Dies obliegt laut Vorschriften nur einer Elektrofachkraft mit speziellem Messgerät, für das es Lieferschwierigkeiten gibt. Aber wir sind dran“, sagt Umanskij. Die meisten Auftraggeber ließen ihre Lade­kabel ohnehin bei den Wallbox-Prüfungen abnehmen.

Besonderheiten und Mängel

Was viele Firmen laut Umanskij dagegen nicht auf dem Schirm haben: Unter bestimmten Umständen sind UVV-Prüfungen zwischen den jährlichen Zyklen notwendig. „Dies empfiehlt sich, wenn ein Kfz mehrere Monate steht, es zu einem Unfall gekommen ist oder das Fahrzeug einer starken Nutzung unterliegt“, erklärt der Profi. Daneben tauchen bei den Prüfungen oft dieselben Mängel auf. Häufig ist das Reifen-Pannenset abgelaufen oder es befinden sich zu wenig Warnwesten an Bord. Umanskij: „Es ist hierzulande mindestens eine, jedoch sofern das Fahrzeug regelmäßig von zwei oder drei Personen besetzt ist, für jeden ständigen Passagier eine Warnweste mitzuführen. Deshalb sind Unternehmer auf der sicheren Seite, wenn sie für alle Sitzplätze eine ins Fahrzeug legen.“ Weitere Fehlerquellen: Verzurrösen wurden nicht erneuert, in den Verbandskästen fehlen zwei medizinische Gesichtsmasken, die seit diesem Jahr zur Pflichtausstattung gehören.

Und auch die Fahrer sind nicht ganz außen vor: Auch sie müssen in der Lage sein, zwischen den Prüfintervallen das Kfz auf seine Sicherheit und potenzielle Mängel hin durchsehen zu können und sachgemäß zu behandeln. Dazu dient die Kontrolle vor der Abfahrt (siehe Checkliste unten). Handwerkschef Linder übermittelt notwendiges Wissen und Infomaterial immer wieder im Zuge der Fahrerunterweisungen. Seine Erfahrung: „In der Praxis hat sich herausgestellt, dass vor allem Hinweise zu einem regelmäßigen Check des Reifendrucks und Motorölstandes wichtig sind.“

Checkliste Was Fahrer stets kontrollieren müssen

Nicht nur dem Kfz-Halter, sondern auch den Fahrern obliegen im Rahmen der UVV-Vor­gaben bestimmte Aufgaben. Dazu sind sie einzuweisen. Von ihnen sind laut Rechts­anwalt Peter Rindsfus folgende Punkte vor Fahrtbeginn zu prüfen:

  • Lichttechnik (von Abblendlicht über Blinker bis Rückfahrleuchte)
  • Reifendruck, Räder auf Profiltiefe und Beschädigungen
  • Öl- und Kraftstoffstand
  • Funktionstüchtigkeit von Bremsen, Lenkung, Sicherheitsgurten
  • Stand der Scheibenwischanlage und ggf. Auffüllen auch mit Frostschutzmittel
  • Freie Rundum-Sicht (inkl. Rückspiegel)
  • Vorhandensein von Zubehör (Warndreieck, Verbandskasten, Warnwesten)
  • Ladungssicherung
  • Anhänger-/Aufliegerbetrieb, Kupplung
  • Vorhandensein der Betriebsanleitungen des Herstellers und unternehmensinterne Anweisungen

Konzertierte Fahrerunter­weisung

Mit jedem neuen Mitarbeiter macht Linder eine Kfz-Ersteinweisung. Verstärken neue Pkw und Transporter den Fuhrpark, übernehmen dies die Autohaus-Mitarbeiter bei der Fahrzeugübergabe. Kleine Besonderheit bei neuen Lkw: Hier erfolgt eine ausführliche Ersteinweisung bereits bei der Abholung im Werk. Darüber hi­naus lädt der Unternehmer einmal im Jahr zu einer ganztägigen Betriebsversammlung, bei der alle Mitarbeiter eine Gefährdungsunterweisung erhalten. Fahrzeuge sind dabei ein Thema, das Linder spezifisch für die jeweiligen Fahrerkreise behandelt. Zudem gibt es eine separate Lektion in Sachen Ladungssicherung. Im Zentrum stehen etwa die richtige Verzurrung von Gegenständen über die Ladebordwand und wie viel Last man mit einem Gurt spannen kann. „Manche meinen irrtümlich, mit einem Gurt sei alles zu spannen. Deshalb zeigen wir beispiels­weise, wie es richtig vonstattengeht“, so Linder. Jedes Mal wird zusätzlich die Broschüre der BG zur Ladungssicherung besprochen und ausgeteilt. Wichtig: Alle Prozesse und Maßnahmen sind intern dokumentiert – und die Pflichten rund um die UVV-Prüfungen so zu einer lässigen Routine geworden.

Prüfungsvorschriften nach DGUV

Der Stuckateurbetrieb arbeitet folglich am Ziel der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), mit allen geeigneten Mitteln die Unfallgefahren zu vermeiden. „Den rechtlichen Rahmen dafür setzen nicht nur die DGUV Vorschrift 70 für gewerblich genutzte Fahrzeuge, sondern es greift zuvorderst DGUV Vorschrift 1, die Unternehmen verpflichtet, Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten et cetera zu treffen“, sagt Peter Rindsfus. Der Experte für Verkehrsrecht betont dies, weil sich aus den beiden Regeln verschiedene, teil­weise überlappende Pflichten ergeben.

Vorschrift 1 zum allgemeinen Arbeitsschutz regelt etwa, dass eine Gefährdungsbeurteilung für jeden Arbeitsplatz und damit für den Fahrer hinterm Lenkrad zu erstellen sowie eine Ersteinweisung bei neuen Kfz und Schulungen zur Ladungssicherung umzusetzen sind. Zugleich schreibt Vorschrift 70 für das Kfz als Arbeitsmittel unter anderem die jährlichen UVV-Prüfungen und Aufgaben für Fahrer wie die Abfahrtkontrolle vor. „Überdies geht die DGUV immer davon aus, dass Schulungen und Einweisung spätestens nach einem Jahr wiederholt werden sollten“, so Rindsfus. „Neuerungen oder Änderungen können das aber vorher notwendig machen.“ Der Chef als Halter müsse im Zweifel auch ein Auge darauf haben, dass die Mitarbeiter das Kfz ordnungsgemäß nutzen, die Ladungen richtig sichern und das dokumentieren.

Pro und Contra Outsourcing

„Das scheint im ersten Augenblick viel Aufwand für einen Handwerksbetrieb zu sein“, räumt Rindsfus ein. „Wenn die Prozesse aber einmal aufgesetzt sind, ist es schnell gemacht. Das Controlling muss der Entscheider sowieso in der Hand behalten, um im Schadenfall die Präven­tionsmaßnahmen belegen und Mängel frühzeitig beheben zu können.“ Abgesehen davon kann sich der Betrieb mithilfe von Externen entlasten. Man sollte aber durchrechnen, ob es sich lohnt. „Je größer der Fuhrpark ist und je komplexer, desto eher stellt sich diese Frage“, meint Rindsfus. Dezentrale Strukturen sprächen für ein Outsourcing. Hohe Prüfumfänge ließen indessen die Kosten schnell in die Höhe steigen. „Ein Lehrgang zur befähigten Person respektive zum Sachkundigen zur Prüfung von Fahrzeugen im Sinne des Sozialgesetzbuches (SGB) 7 ist wiederum in der Regel an einem Tag absolviert.“ Unterstützt wird das Argument pro interne Abwicklung durch § 22 SGB 7. Gemäß der Norm hat ein Unternehmer mit regelmäßig mehr als 20 Beschäftigten unter Beteiligung des Betriebsrats oder Personalrats nämlich Sicherheitsbeauftragte zu installieren – unter Berücksichtigung der bestehenden Unfall- und Gesundheitsgefahren und der Zahl der Beschäftigten. Hier liegt es nahe, den Abgestellten zum Sachkundigen für UVV-Prüfungen zu qualifizieren. Das kann auch der Chef selbst sein.

Unfall und Schaden 11 Präventions-Bausteine

Handwerkschefs erreichen eine gesetzeskonforme Umsetzung der UVV rund um die Firmenfahrzeuge, indem sie hierfür ein betriebsspezifisches Konzept entwickeln. Peter Rindsfus, Rechtsanwalt und Verbandsjurist im Bundesverband Betriebliche Mobilität (BBM), skizziert zentrale Bausteine, die wichtig sind.

  1. Erfassung der Kfz mit allen Besonderheiten wie Ausstattung, Ein- und Umbauten. Diese bilden die Basis für die Gefährdungsbeurteilung, welche bei gängigen Kfz nicht für jede Einheit, sondern typspezifisch erfolgen kann.
  2. Dokumentation von Fähigkeiten und Qualifikationen der Fahrzeugnutzer, z. B. Gefahrgutführerschein, Kranführerschein, um die entsprechenden Kfz bedienen zu können.
  3. Kontrolle der Führerscheine bei Einstellung sowie im Anschluss halbjährlich.
  4. Implementierung eines Prozesses, der die Pflichten zum Erhalt des technischen Zustandes sicherstellt – von HU/AU über Wartung bis zur UVV-Prüfung. Dieser sollte auch einen Mechanismus enthalten, der registriert, wenn Kfz einer außergewöhnlichen Abnutzung unterliegen, da in diesen Fällen die Intervalle entsprechend anzupassen oder neu zu definieren wären.
  5. Aufsetzen eines Verfahrens für die jährlichen Kfz-Prüfungen gemäß DGUV 70, entweder intern oder extern in Kooperation mit einem Dienstleister wie Autohaus oder Werkstatt.
  6. Prozess zur Fahrereinweisung bei Erstübergabe, zum einen für eine dauerhafte Überlassung, zum anderen für Pool-Kfz sowie zur Ladungssicherung gemäß DGUV Vorschrift 1.
  7. Entwicklung eines Prozesses für die regelmäßige, mindestens jährliche Fahrerunterweisung. Video-Tools von Anbietern wie dem BBM genügen den gesetzlichen Anforderungen.
  8. Überwachung und nicht planmäßige Kontrollen des Kfz-Zustandes. Gelegen­heiten: etwa Tagungen oder Betriebsversammlung, bei denen sich der Verantwortliche die Firmenwagen auf dem Parkplatz anschaut. Dieser Vorgang ist mit Datum und Notizen zu den Kfz festzuhalten und zu archivieren.
  9. Klare Vorgaben für Unfallreparaturen und Schäden. Dazu gehören Infos in jedes Kfz, auf die Mitarbeiter im Notfall zugreifen können, wie Telefon­nummer, Ansprechpartner, Beschreibung des Vorgehens bei Unfall.
  10. Generell empfiehlt sich, eine kleine Mappe ins Handschuhfach zu legen, in der alle Pflichten und Hilfen erläutert sind.
  11. Sämtliche Hinweise sind gemäß Arbeitsmittelverordnung auch in der jeweiligen Landessprache der Mitarbeiter zu verfassen. Sie müssen die Texte verstehen. Im Zweifel daher lieber mehr auf die Sprache des Personals eingehen als zu wenig.