Autotest Mercedes-Benz eSprinter: In allen Belangen ein Top-Transporter fürs Handwerk

Heiße Performance des neuen Mercedes-Benz eSprinter. Die Redaktion hat ihm auf den Zahn gefühlt. Und einen Transporter fürs Handwerk entdeckt, der richtig viel kann.

Gute Figur an der Ladesäule: Nominell eher mittelprächtige Ladeleistung, doch der Mercedes-Benz eSprinter ist auch bei hohem Füllstand saugstark.
Gute Figur an der Ladesäule: Nominell eher mittelprächtige Ladeleistung, doch der Mercedes-Benz eSprinter ist auch bei hohem Füllstand saugstark. - © Randolf Unruh

Gerade erst hat der eSprinter von Mercedes-Benz im Ladepark angedockt, da sortiert sich nebenan einer seiner Vorgänger ein. Der sieht fast genau so aus, doch welch ein Kontrastprogramm: Hier eine füllige Batterie mit 81 kWh Kapazität. Ein kraftstrotzender Motor mit 150 kW/204 PS und Hinterradantrieb. Eine ansehnliche Ladeleistung von ­maximal 115 kW. Im Vergleich dazu wirkt der Vorfahr wie ein ver­armter Verwandter. Überschaubare Batterien, schwacher Motor, Front­antrieb, schlappe Ladeleistung.

Preis: Der Mercedes-Benz eSprinter sorgt für einen verhältnismäßig günstigen E-Einstieg

Der Neue ist ein Beweis für die rasante Entwicklung der E-Mobilität. Auch der Preise: Vor zwei Jahren stand der alte eSprinter mit rund 54.000 Euro netto in der Liste. Heute nennt der Konfigurator für die aufgeführte Variante in der Top-Ausführung namens Select netto 51.855 Euro, wenig mehr als der stärkste Verbrenner. Wer sich mit dem Basismodell begnügt, vergleichbar mit dem Vorgänger, steigt bereits bei knapp über 40.000 Euro netto ein.

Nach gut einer halben Stunde ein prüfender Blick auf die Lade-App. Der Strompegel des eSprinter ist rasch von 43 auf 99 Prozent geklettert – der Schwabe hat im Unterschied zu Wettbewerbern auch im oberen Bereich noch einen tüchtigen Zug. Selbst im Bereich von deutlich über 90 bis an die 100 Prozent Batteriekapazität beträgt die Ladeleistung bei hochsommerlichen Temperaturen sanft abnehmend zwischen etwa 55 und später 25 kW.

Fahrprogramm: „C“ wie COMFORT

Starten per Knopfdruck, DNR-Lenkstockhebel betätigen, elektrische Feststellbremse lösen. Dynamisch fährt der eSprinter an, aber ohne übertrie­bene Hast. Beim Start entscheidet sich der Testwagen für das Fahrprogramm „C“ wie Comfort mit maximaler Leistungsfähigkeit.

Wer ihn drosseln möchte, wählt „E“ wie Economy. Dann stehen zwei Drittel der Muskelkraft zur Verfügung, genug für den Alltag. Die dritte Variante „MR“, bietet maximale Reichweite – erzielt mit halber Kraft voraus und stark reduzierter Klimatisierung. Dann setzt sich der Transporter eher behäbig in Bewegung. In jedem Programm pfeift der Antrieb hübsch dezent sein leises Liedchen.

Verbrauch: Der Mercedes-Benz eSprinter ist sparsam unterwegs

Vielfältiger ist mit vier Varianten die Rekuperation, ausgesucht per Lenkradpaddel. Der Mercedes-Benz eSprinter nimmt „D“, das ähnelt der Verzögerung eines Verbrenners mit Motorbremse. Raffinierter ist die zusätzliche Stufe „D-Auto“: Jetzt hat der eSprinter dank Radar- und ­Kamerasystem sowie Navigation den Verkehr im Blick. Weiß auch vom nächsten Kreisverkehr, an den er sich arg phlegmatisch heranpirscht. Im Ideal­fall resultiert daraus eine zügige und gleichermaßen sparsame Fahrt. Sie endet bei 120 km/h – praxisgerecht. Und mündet in einem überraschenden Ergebnis: Voll ausgeladen setzte der 3,5-Tonner auf der anspruchsvollen Testroute im Schnitt lediglich 25 kWh Strom um, deutlich unter den bisher getesteten Wettbewerbern.

Der eSprinter fährt mit 19 kWh durch die Stadt, begnügt sich auf der Überlandstrecke mit 24 kWh und konsumiert auf der Autobahn bei wechselndem Verkehr knapp 30 kWh, in „Full Flight“ sind es dann 34 kWh. Das spricht für einen ausgezeichneten Stoffwechsel und ergibt eine Reichweite von mehr als 300 Kilometern.

Fahrwerk: Der Mercedes-Benz eSprinter verhält sich Mercedes-like

Plattform für das Fahrvergnügen ist das Fahrwerk mit starrer Hinterachse, hier veredelt zur De-Dion-Achse. Leer fährt sich der Transporter bereits vergleichsweise komfortabel. Beladen wirkt der eSprinter fast flauschig, wiegt sich sanft in den Federn, legt sich in die Kurven. Nein, ein Racer ist er nicht. Aber er bügelt selbst kurze Fahrbahnwellen makellos weg, bei denen manch andere Transporter-­Vorderachse heftig stuckert. Da ist es wieder, das bekannte Mercedes-Gefühl vom Fahren in einer eigenen Welt.

Wobei es die Fahrzeugentwickler bei der Lenkung zugunsten der Leichtgängigkeit schon etwas übertrieben haben. Für alle Fälle stecken jede Menge Assistenzsysteme im E-Transporter, teils einstellbar via Monitor inmitten des Instrumentenbretts. Einiges Fingerspitzengefühl ist dann für die Tasten und Wischflächen des Multifunktionslenkrads erforderlich.

Nutzlast gegen Reichweite

Auch für die Beladung. Der eSprinter in Standardgröße mit 81-kWh-Batterie, Hochdach, Holzboden im Laderaum und hohen Seitenverkleidungen wiegt 2,76 Tonnen. Für Steuermann und Fracht bleiben 740 Kilo – Schicksal von E-Transportern. Wer auf Reichweite verzichten kann und den 56-kWh-Akku wählt, gewinnt knapp 200 Kilo Nutzlast, kommt je nach Einsatz rund 200 Kilometer weit und spart obendrein rund 8.000 Euro netto.

Cockpit: Im Mercedes-Benz eSprinter ist alles hochwertig verarbeitet

Und sonst so? Alles Sprinter im neuen eSprinter. Der Hinterradantrieb bedeutet gute Traktion und überraschende Wendigkeit. Oben im Laderaum strahlt eine festliche LED-Beleuchtung, sind die Kabel fein säuberlich in Kanälen verlegt. Unten lauern zwei Handvoll sehr stabiler Zurrösen auf Fracht. Im Fahrerhaus geht es mit hochwertigen Materialien in guter Verarbeitung und komfortablen Sitzen weiter. Es gibt für kalte Tage eine Sitz- und eine Lenkradheizung, eine elektrische Warmluft-Zusatzheizung sowie eine strom­sparende Wärmepumpe. Für hitzige Zeiten eine kräftige Klimaanlage.

Wird anderswo das bordeigene Ladekabel mit Füßen getreten, so steckt es hier, geschützt durch eine Hülle, in einer stabilen Halterung rechts am Fahrersitz. Und es gibt das fabelhafte sprachbegabte Multimediasystem MBUX. Bei 30 Grad Celsius entwickelt sich an Bord ein überraschender Dialog. „Hey Mercedes.“ „Was kann ich für Dich tun?“ „Mir ist zu warm.“ „Zwischen uns scheint die Chemie zu stimmen. Mir ist auch schon ganz warm geworden.“ Oha, da ist wohl eine Abkühlung mit dem Wasserschlauch fällig. Zurück in den Ladepark. Der ­eSprinter gießt sich ordentlich Strom ein, sein Lack schimmert in der Sonne. Hightechsilber-Metallic – was auch sonst.

Mercedes-Benz eSprinter

  • Abmessungen (L/B/H): 5.932/2.020/2.620 mm
  • Radstand: 3.665 mm
  • Wendekreis: 13.400 mm
  • Laderaum (L/B/H): 3.397/1.787/2.079 mm
  • Breite zw. den Radkästen: 1.412 mm
  • Ladekapazität: 10,5 m³
  • Leergewicht Testwagen: 2.760 kg
  • Nutzlast: 740 kg
  • Zulässiges Gesamtgewicht: 3.500 kg
  • Anhängelast bei 12 % Steigung: 1.500 kg
  • Zul. Zuggesamtgewicht: 5.000 kg
  • Batterie: Lithium-Eisenphosphat, netto 81 kWh
  • Aufladung: Wallbox 11 kW, Schnellladung max. 115 kW
  • Motor: E-Motor hinten eingebaut
  • Leistung: 150 kW/204 PS
  • Drehmoment: 400 Nm
  • Getriebe: Einganggetriebe, feste Übersetzung
  • Höchstgeschwindigkeit: begrenzt auf 120 km/h
  • Verbrauch (WLTP): 28,8 kWh
  • CO2-Emission: 0 g/km
  • Verbrauch Teststrecke beladen: 25 kWh/100 km
  • Testverbrauch min./max.: 19–34,0 kWh/100 km
  • Grundpreis: 51.855 Euro netto

Mercedes-Benz eSprinter: Innenansichten

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    Analoge Instrumente, informative Anzeigen: Die Bedienung des Multifunk­tionslenkrads verlangt Fingerfertigkeit.
    © Randolf Unruh
    Analoge Instrumente, informative Anzeigen: Die Bedienung des Multifunk­tionslenkrads verlangt Fingerfertigkeit.
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    Typisch eSprinter: Lenkstockhebel, schlüssel­loses Starten mit Taste für den Fahrmodus, Lenkradpaddel für die Rekuperation.
    © Randolf Unruh
    Typisch eSprinter: Lenkstockhebel, schlüssel­loses Starten mit Taste für den Fahrmodus, Lenkradpaddel für die Rekuperation.
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    Höchst funktionell eingerichteter Laderaum: Mit großer Batterie ist angesichts der überschaubaren Zuladung aber Vorsicht geboten.
    © Randolf Unruh
    Höchst funktionell eingerichteter Laderaum: Mit großer Batterie ist angesichts der überschaubaren Zuladung aber Vorsicht geboten.
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    Jetzt noch mehr sparen? Kaum möglich, denn der eSprinter kostet laut Konfigurator wenig mehr als sein Verbrenner-Kollege.
    © Randolf Unruh
    Jetzt noch mehr sparen? Kaum möglich, denn der eSprinter kostet laut Konfigurator wenig mehr als sein Verbrenner-Kollege.
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