Neuvorstellung 2023 Mercedes-Benz eSprinter: Mehr Leistung, höhere Reichweite und größere Anhängelast

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Ende 2023 schickt Mercedes-Benz Vans den neuen eSprinter hierzulande in den Handel. Vor allem mit mehr Power und Batteriekapazität möchte der Newcomer seinem Namen alle Ehre machen.

Vielseitig: Mit zahlreichen neuen Varianten deckt der nächste eSprinter unterschiedlichste Gewerke ab. - © Mercedes Benz

Draußen Sprinter, drinnen E-Transporter – die Verpackung bleibt, der Inhalt wechselt. Zurzeit fährt der Mercedes-Benz ­eSprinter hinterher, taugt mit kleinen Batterien, schmalbrüstiger Maschine und Kastenwagen-­Einheitskarosserie allenfalls für Paketdienste auf Kurzstrecken. Künftig wird er auch den weit schwierigeren und viel­fältigeren Anforderungen des Handwerks gerecht. Basis bleibt die gewohnte Hülle des Schwaben. Indes entrümpelt die Marke mit dem Stern die bisher verbaute E-Architektur. Vorbei ist’s mit dem Frontantrieb, die Motor- wird zur Technikhaube, denn unter ihr nimmt jetzt das Hochvoltsystem einschließlich Ladetechnologie Platz.

Unter dem Wagenboden dehnen sich wie gewohnt Batteriepakete, aber was für welche: War bisher bereits bei 47 kWh Kapazität Schluss, geht es künftig mit 56 kWh los und mit 81 kWh und sogar 113 kWh weiter. Die üppigste Ausführung bedeutet Rekord für große Transporter. Sie passt indes nicht unter jede Variante, ist aber eine echte Ansage für Langstreckler, Zugfahrzeuge oder Bergsteiger. Die Lithium-Eisenphosphat-Akkus kommen ohne das berüchtigte Kobalt sowie Nickel und auch mit wenig Lithium aus. Die Batteriemodule wiegen – je nach Kapazität – 470, 620 oder 850 Kilogramm. Daraus lässt sich ableiten, warum die ausladende dickste Bestückung nur für den eSprinter mit 4,25 Tonnen und langem Radstand verfügbar ist. Er erzielt damit nach WLTP-Norm rund 400 Kilometer Reichweite, im Stadtzyklus mit viel Rekuperation durch reichlich Bremsmanöver können es sogar 500 Kilometer werden.

Aktives Akku-Thermomanagement

Geladen wird an der Wallbox mit 11-kW-Wechselstrom. Wer es eiliger hat, nutzt die serienmäßige DC-Schnellladefunktion mit CCS-Stecker und 50 kW. Dies ist nicht wirklich fix, genügt allenfalls für ein paar Notstromkilometer unterwegs. Daher gibt es auf Wunsch 115 kW Ladeleistung. Auch nicht wirklich rasant, von zehn auf 80 Prozent Füllstand dauert es 42 Minuten für den dicken Akku.

Der eSprinter geht dabei sorgsam mit seinem Akku um, sein aktives Thermo­management bringt zum Beispiel vor dem Ladestart die Batterie zunächst auf Wohlfühltemperatur. Die Akku-Garantie beläuft sich auf das gewohnte Maß von acht Jahren oder 160.000 Kilometer für 70 Prozent der Kapazität, sie lässt sich auf Wunsch auf 300.000 Kilometer verlängern.

Bis zu zwei Tonnen am Haken

An der Hinterachse kommt eine komplett neue Einheit aus Motor, Getriebe und Achse zum Einsatz. Die E-Maschine erreicht je nach Ausführung eine Maximalleistung von 100 kW/136 PS oder 150 kW/204 PS. Die Dauerleistung beläuft sich jeweils auf 80 kW/108 PS und das Drehmoment auf 400 Nm. Über ein Einganggetriebe multipliziert Mercedes-Benz das Drehmoment, daher stehen an der Hinterachse 5.250 Nm zur Verfügung. Das klingt deftig, relativiert sich aber beim Blick auf die Diesel-Kollegen: Sie entwickeln durch die Übersetzung im Getriebe und nochmals in der Hinterachse mehr Kraft am Rad. Auch aus diesem Grund sind bärenstarke E-Motoren keine Kür, sondern Pflicht: Sonst geht den Transportern an Steigungen oder mit Anhänger schnell die Puste aus. Immerhin: Mit der jetzt gewählten Antriebstechnik gibt Mercedes-Benz erstmals bis zu zwei Tonnen Anhängelast frei.

Die Antriebseinheit ist in einem Heckmodul aus Aluminium gelagert. Die Kraftübertragung erfolgt auf eine starre Hinterachse – aber eine veredelte Variante, eine De-Dion-Achse. Sie verfügt über ein stämmiges Achsrohr und eine GfK-Blattfeder.

Dies alles befehligt der Fahrer in ­einem gegenüber dem Vorgänger weit­gehend unveränderten Cockpit, serien­mäßig temperiert von einer stromsparenden Wärmepumpe. Bekannt sind die drei Fahrprogramme. Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 120 km/h begrenzt, alternativ auf 90 Sachen, beim 4,25-Tonner ohnehin. Auch die vier Rekuperationsstufen zwischen fast schwerelosem Dahinsegeln und Ein-Pedal-Fahren sind eine bekannte ­Größe. Zu kompliziert? Die Alternative heißt: „D Auto“. Dann passt der eSprinter über den sogenannten Eco-Assistenten die ­Rekuperation auf Basis der Daten von ­Assistenzsystemen, Kameras und Navigationsdaten selbsttätig an.

MBUX an Bord

Ebenfalls neu für den eSprinter ist das ­Infotainmentsystem MBUX mit seiner bekannt guten Sprachführung, rasanter Navigation und dem großen Display im Format 10,25 Zoll. Nützliche Dienste lassen sich über das Portal „Mercedes me“ abrufen. Da wären die Vorklimatisierung, die Begrenzung des maximalen Stromverbrauchs und des Ladezustands oder auch ein digitales Fahrtenbuch. Raffiniert wird’s, wenn der eSprinter in Echtzeit – abhängig von der aktuellen Verkehrslage und Topografie der Route – die Reich­weite anzeigt. Wem die Kilometerangabe zu theoretisch ist: Es gibt auch eine Karten­darstellung mit Umrissen der Reichweite, die sogenannte Kartoffel. Der eSprinter errechnet ebenfalls die bestmögliche Ladestrategie, um schnellstmöglich an entferntere Ziele zu gelangen, auch mit dem gewünschten Ladezustand bei der Ankunft. Zum Beispiel halbvoll beim Kundenbesuch oder leer bei der Heimfahrt zur eigenen Wallbox im Betrieb.

Ins Angebot rücken Kastenwagen in zwei Radständen und von sechs bis sieben Meter Länge sowie die entsprechenden Fahrgestelle. Das Gewichtsspektrum reicht von 3,5 bis 4,25 Tonnen. Der typische Sechsmeter-Kastenwagen trägt mit der kleinsten Batterie fast exakt eine Tonne Nutzlast, mit dem mittleren Akku maximal 830 Kilogramm. Die Tragfähigkeit der entsprechenden Fahrgestelle beläuft sich auf 1.190 und 1.375 Kilo.

Marktstart Ende des Jahres 2023

Das alles macht den Mund wässrig für zahlreiche Gewerke – und für Auf- und Ausbauer. Bleibt eher die Frage, was es nicht geben wird: keinen Allradantrieb, keinen Riesen-Kastenwagen im 7,3-Meter-Format, keine Luftfederung und aufgrund der Konstruktion des Antriebsmoduls auch keine Zwillingsbereifung. Womit gleichzeitig gewichtige Kaliber ausgeschlossen sind.

Jetzt ist Geduld gefragt: Der neue ­eSprinter startet im zweiten Halbjahr 2023 in den USA, in Europa erst Ende des Jahres als erster Kastenwagen. Im Laufe des Jahres 2024 wird Mercedes-Benz Vans das Programm komplettieren.