Interview mit Markus Wente IG Metall zum Thema Betriebsrat: "Mitbestimmung lässt Umsätze in die Höhe schießen"

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Darf das Team mitreden, steigen die Umsätze, sagt Markus Wente, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sowie Verhandlungsführer diverser Tarifvertragsrunden im Handwerk. Im Interview erklärt er, welche Probleme sich mit einem Betriebsrat im Unternehmen besser lösen lassen und was darüber hinaus für die Gründung einer Arbeitnehmervertretung spricht.

Der Betriebsrat ist somit ein Sprachrohr für die Mitarbeitenden und fördert ihre Teilhabe am Unternehmensgeschehen
Der Betriebsrat ist ein Sprachrohr für die Mitarbeitenden und fördert ihre Teilhabe am Unternehmensgeschehen - © Gehkah - stock.adobe.com
Nur wenige Handwerksunternehmen haben einen Betriebsrat. Warum ist das so?

Wente: Der durchschnittliche Handwerksbetrieb in Deutschland hat weniger als zehn Beschäftigte. Zwar sind Betriebsratsgründungen bereits ab fünf Mitarbeitenden gesetzlich möglich. Die Praxis zeigt jedoch, dass wir in der Regel in größeren Betrieben ab 20 Arbeitnehmenden Betriebsräte haben.

Ein weiterer Faktor kann die Unternehmenskultur sein. Gerade kleinere Handwerksunternehmen haben häufig einen eher familiären Umgang. Man regelt die Probleme dann eher mit dem Chef „persönlich“. Hinzu kommen oft Sonderleistungen wie regelmäßige Grillabende oder Ähnliches, was in großen Betrieben oder gerade in der Industrie seltener zu finden ist. Da erscheint die Gründung eines Betriebsrates vielen Beschäftigten eher unangebracht und als Affront gegen den Chef.

Was können Gründe sein, dennoch einen Betriebsrat zu gründen?

Die Erfahrung zeigt, dass wir häufig dort Betriebsräte haben, wo etwas „schief“ läuft und dieses nicht auf dem kurzen Dienstweg regelbar ist. Etwa überlange Arbeitszeiten oder Probleme bei der Urlaubsgenehmigung führen häufiger zu dem Wunsch, mehr Mitbestimmung durch die Beschäftigten zu erreichen. Nur: Gerade in solchen Betrieben kann es schwierig sein, die Gründung eines Betriebsrates anzustoßen. Wir erleben vermehrt, dass Unternehmer im Handwerk das aktiv verhindern. Hier spielen zum einen Bedenken und Ängste von Arbeitgebern eine Rolle und sicherlich Vorurteile, die über Jahrzehnte weitergetragen wurden.

Welche Vorurteile und Ängste sind das?

Unternehmer fürchten zusätzlichen bürokratischen Aufwand und Kosten. Außerdem fühlen sie sich in ihren Entscheidungen und in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt – selbst wenn die Realität anders aussieht, weil eine gute Mitbestimmung die Unternehmen entscheidend voranbringen kann. Diese Bedenken führen leider immer häufiger dazu, dass Unternehmer mitunter hochbezahlte Anwälte beauftragen, die mit zum Teil ungesetzlichen Mitteln die Wahl eines Betriebsrates verhindern.

Was muss passieren, damit sich die Situation ändert?

Wichtig ist es, die Beschäftigten wie auch die Betriebsinhaber über die gesetzlichen Möglichkeiten und vor allem die Vorteile von Mitbestimmung im Betrieb aufzuklären. Wir brauchen Kolleginnen und Kollegen, die sich im Betrieb für ihre Rechte engagieren und sich aktiv für die Gründung eines Betriebsrats einsetzen. Wir müssen Ängste auf beiden Seiten abbauen. Das macht Sinn. Denn wo Mitbestimmung gelebt wird, sind die Umsätze in der Regel höher und die Betriebe laufen reibungsloser.

Was sind die Vorteile eines Betriebsrats im Unternehmen für die Mitarbeitenden?

Betriebsräte sind die Interessenvertreter der Beschäftigten. Sie verhandeln im Namen der Kolleginnen und Kollegen mit dem Arbeitgeber über Arbeitsbedingungen, sie schützen die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen. Der Betriebsrat ist somit ein Sprachrohr für die Mitarbeitenden und fördert ihre Teilhabe am Unternehmensgeschehen. Ein aktiver Betriebsrat kann zudem dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen und die Arbeitssicherheit zu erhöhen. Ein Betriebsrat hilft auch bei der Durchsetzung von Tarifverträgen und passt auf, dass Arbeitsgesetze eingehalten werden. Darüber hinaus kann er bei Konflikten zwischen Mitarbeitern und Arbeitgebern vermitteln und dazu beitragen, diese zu lösen. 

Was aber sind die Vorteile eines Betriebsrats für die Unternehmer im Handwerk?

Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Chef und Betriebsrat verbessert sich in der Regel das Betriebsklima. Die Mitarbeiter sind motivierter. Die Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Entscheidungen im Unternehmen steigert auch die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Betrieb. Ein Betriebsrat kann somit dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu stärken. 

Man sollte auch bedenken: Insbesondere der Fachkräftemangel ist eines der größten Hemmnisse im Handwerk. Die Betriebe suchen händeringend gute Fachkräfte. Doch diese orientieren sich vielfach in andere Branchen. Warum? Weil dort die Arbeitsbedingungen und auch die finanzielle Entlohnung nicht selten spürbar besser sind. In Handwerksunternehmen mit Betriebsräten und insbesondere auch mit Tarifverträgen ist eines klar: Die Entlohnung stimmt, die Arbeitszeiten sowie weitere Rahmenbedingungen meist auch. Im Wettbewerb um die besten Köpfe können sich Handwerksbetriebe attraktiv aufstellen. Das bedeutet auch, eine aktive Mitbestimmung in der Firma zu fördern. 

Wo liegen häufig die Probleme in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmer und Mitarbeitenden?

Probleme in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmer und Mitarbeitenden können zum Beispiel durch mangelnde Kommunikation, fehlendes Vertrauen oder unterschiedliche Vorstellungen von der Arbeitsorganisation entstehen. Auch unklare Verantwortlichkeiten und mangelnde Transparenz führen zu Konflikten.

Wie gehen beide Seiten am besten vor, wenn Arbeitnehmer einen Betriebsrat gründen wollen? Welche Empfehlungen geben Sie? Was ist hier wichtig?

Wenn Arbeitnehmer einen Betriebsrat gründen wollen, sollten sie sich zunächst bei ihrer zuständigen Gewerkschaft über ihre Rechte informieren. Wenn wir davon ausgehen, dass Betriebsräte in der Regel in Betrieben gegründet werden, in denen nicht immer alles reibungslos läuft oder bereits Konflikte bestehen, sollte man sich vertraute Kolleginnen und Kollegen im Betrieb suchen und die Wahl gut vorbereiten. Als Gewerkschaft unterstützen wir in unseren Branchen diese Prozesse natürlich von Anfang an.

Kommt es zu einer Betriebsratsgründung, sollte der Arbeitgeber dies nicht als Angriff verstehen. Er sollte mit den Beschäftigten und späteren Betriebsrat offen und auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Die Verhinderung von Betriebsratswahlen ist nicht nur eine Straftat. Sie bindet auch viel Geld und Energie. Das hat noch kein Unternehmen vorangebracht, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Betriebsparteien dagegen schon. In vielen Handwerksbetrieben werden die Betriebsräte als wichtige und kompetente Partner verstanden, die in Entscheidungsprozesse eingebunden sind.

Der Interviewpartner:

Markus Wente, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sowie Verhandlungsführer diverser Tarifvertragsrunden im Handwerk.

Markus Wente ist Gewerkschaftssekretär der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sowie Verhandlungsführer diverser Tarifvertragsrunden im Handwerk.