Kolumne "Professioneller Bauablauf" von Andreas Scheibe, 27. Folge VOB: Nachtrag verweigert? 3 Gegenargumente bei einer Ablehnung durch den Bauherrn

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Auftragsabwicklung, Baurecht und Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe

Die Bauzeit ist überschritten. Der Handwerksbetrieb reicht einen Nachtrag zur Vergütung der Bauzeitverlängerung ein und bekommt eine schriftliche Ablehnung. Im Schreiben finden sich zahlreiche Versuche, dem Betrieb die Schuld für die Verzögerung in die Schuhe zu schieben. Aber wenn genauer hingeschaut wird, finden sich recht schnell auch gute Gegenargumente! In seiner Kolumne "Professioneller Bauablauf" präsentiert Andreas Scheibe drei passende Gegenargumente für gängige Ablehnungsschreiben des Bauherrn.

In der 27. Folge "Professioneller Bauablauf" präsentiert Kolumnist Andreas Scheibe passende Gegenargumente bei Ablehnungsversuchen des Bauherren
In der 27. Folge "Professioneller Bauablauf" präsentiert Kolumnist Andreas Scheibe passende Gegenargumente bei Ablehnungsversuchen des Bauherrn. - © Firma V – stock.adobe.com

Rund 80 Prozent der öffentlichen Bauaufträge enden im Bauzeitenverzug, wie der Sächsische Rechnungshof erst neulich herausfand. Meist fußen monatelange, manchmal sogar jahrelange Verzögerungen auf Fehlern, die auf der Seite von Planer oder Bauherr ihre Ursache haben. Insbesondere mangelhafte Planung, aber auch fehlende Kenntnisse auf Auftraggeberseite, was die eigenen Vertragspflichten angeht, führen oftmals zu Chaos und Kostenexplosionen.

Das Handwerk als Sündenbock

Sehr oft werden solche Fehler dann unter den Tisch gekehrt. Wenn ihr als Handwerkerin oder Handwerker mit einem Nachtrag zur Bauzeit ankommt, weil die Vertragsfristen lange überschritten wurden, hofft der Bauherr natürlich, die Forderung mit den passenden Worten abwehren zu können, um sich so weitere Kosten zu ersparen. Darum hier drei schöne Beispiele, wie der Bauherr versucht, die Schuld auf den Handwerker abzuwälzen, dieser wiederum die Abwehrversuche des Auftraggebers (AG) leicht enttarnt und geschickt zurückspielt:

Szenario 1

Argument AG: Mit Ihrem Projektleiter hatten wir verbindlich vereinbart, dass Sie nach Montage durch die Vorgewerke A und B montieren. Dieser Vereinbarung sind Sie nicht nachgekommen.

Gegenargument Handwerker: Sie können sich sicher sein, dass wir uns höchst gewissenhaft vorbereitet haben. Leider konnten wir zu diesem Thema keinerlei Unterlagen (weder Fax, Einschreiben noch E-Mail) finden. Unser Projektleiter ist nicht als Ansprechpartner des Vertrages bevollmächtigt, um bzgl. dieses Projekts Anordnungen von Ihnen anzunehmen und auszuführen.

Was wir durch die Blume sagen wollen: Wenn Du nicht in der Lage bist, mit den richtigen Personen zu sprechen, hast Du eben Pech gehabt.

Szenario 2

Argument AG: Sie haben zu keinem Zeitpunkt eine förmliche Behinderungsanzeige gestellt. Somit haben Sie auch keinerlei Anspruch auf Vergütung der Bauzeitenverlängerung.

Gegenargument Handwerker: Von unserer Seite aus bedarf es keiner Behinderungsanzeige für eine offenkundige Behinderung. Bis zum heutigen Tag warten wir auf eine fertige, freigegebene Ausführungsplanung. Es ist eindeutig erkennbar, dass unsere Arbeit an dieser Stelle behindert ist und wir daher nicht leisten können. Gern schicken wir Ihnen ab jetzt jeden Tag für jede anfallende Behinderung eine entsprechende Anzeige. Aktuell könnten das rund drei Behinderungsanzeigen pro Tag bedeuten. Was meinen Sie, sollen wir so verfahren?

Was wir durch die Blume sagen wollen: Es ist für alle offensichtlich, dass ihr hinterherhinkt. Nur, dass wir das mal kurz klarstellen!

Szenario 3

Argument AG: Hätten Sie an den regelmäßigen Jour-Fix-Terminen teilgenommen, hätten Probleme frühzeitig erkannt werden können.

Gegenfrage Handwerker: Um welchen Inhalt geht es denn genau bei den Terminen?

Antwort AG: Terminabstimmung unter den Gewerken.

Gegenargument Handwerker: Wir haben keinerlei Koordinationsverantwortung für andere Gewerke. Auch haben wir keine HOAI-Leistung in Auftrag, wonach wir wöchentlich Bauzeitenpläne aktualisieren müssten. Zudem waren wir jederzeit telefonisch erreichbar, um unserer Kooperationspflicht nachzukommen. Lassen Sie uns also bitte einen aktuellen Terminplan mit Agenda zu den Terminen zukommen.

Was wir durch die Blume sagen wollen: Wir sind nicht verantwortlich euren fehlenden Bauzeitenplan zu ersetzen. Also macht euren Job richtig!

Und so spielen wir den Ball zurück ins andere Feld. Post mit einem fetten NEIN von einem Projektsteuerer oder sogar einem Anwalt zu erhalten, das bereitet schon im ersten Moment viel Bauchweh. Das kann ich sehr gut verstehen! Aber wenn man sich die einzelnen Argumente dann einmal genauer ansieht, gibt es doch immer Hebel sowie Gegenargumente. Wichtig ist: Wisst genau, was euer Recht ist und erzählt die Geschichte richtig!

Über Autor Andreas Scheibe:
Andreas Scheibe
© Continu-ING GmbH

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!

Mit der Continu-ING GmbH (lücken-im-lv.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.

"Stark im Handwerk – das Buch für Handwerker im VOB-Projektgeschäft"

Im August 2021 ist das erste Buch "Stark im Handwerk" von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die in der VOB viel Potenzial und auch viel Geld für Handwerker steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen. "Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht", erklärt Andreas Scheibe.

In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte und Pflichten eines Handwerkers als auch auf die Rechte und Pflichten der anderen Projektbeteiligten zu sprechen. Denn genau diese sind im Detail in der VOB geregelt. Die Formulierungen klingen jedoch oft kompliziert und die Anwendung ist daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Einfordern von Pflichten, sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen, gerecht bezahlt werden und zu alter Stärke zurückfinden.

stark-im-handwerk.de

Neues Buch: "Der professionelle Bauablauf – Das Schritt-für-Schritt System um deine Liquidität nachhaltig zu sichern"

Im August 2023 erschien das bereits dritte Buch von Andreas Scheibe „Der professionelle Bauablauf“. In diesem Buch sind viele Jahre Erfahrung in der Durchführung und auch Beratung von hunderten Handwerksunternehmen eingeflossen. Daraus entstanden ist ein praxiserprobtes und sofort umsetzbares Schritt-für-Schritt System welches mehr Klarheit und Sicherheit im Bauablauf für Handwerker verspricht. In diesem Buch geht es um notwendige Fähigkeiten um standardisierte Ablaufpläne zu erstellen, hochprofitable Nachträge durchzusetzen und berechtigte Forderungen darzulegen, zu begründen und zu verhandeln.

In seinem Buch geht Andreas Scheibe auch auf die 47 häufigsten und teuersten Fehler in VOB-Projekten ein, und wie sich diese verhindern lassen. Am Ende geht es darum, einen standardisierten Schriftverkehr einzuführen und Projekte strukturiert und profitabel abzuwickeln. Und das nach den Spielregeln der VOB.

der-professionelle-bauablauf .de