Interview mit Vorzeige-Nachfolgerin Vanessa Weber zur Betriebsübernahme: "Unterschätzt zu werden ist cool"

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Mit 18 Jahren sprang Vanessa Weber ins kalte Wasser und übernahm von ihrem Vater den gleichnamigen Werkzeughandel. Seit ihrer Zusage damals im Biergarten hat sie viel Verantwortung übernommen und ist damit gewachsen. Zeit, genau darüber ausführlicher zu reden.

Vanessa Weber, Chefin von Werkzeug Weber
Vanessa Weber hat mit 18 Jahren gar nicht darüber nachgedacht, was das Ja zur Betriebsübernahme bedeutet. - © Tim Wegner
handwerk magazin: Frau Weber, in der aktuellen Situation sprechen viele über Resilienz, also Anpassungsfähigkeit. Wer – wie Sie – mit 18 Jahren den Werkzeughandel vom Vater übernimmt, braucht genau davon eine Menge, oder?

Vanessa Weber: Als junger Mensch ist man natürlich viel anpassungsfähiger. Ich vergleiche das gerne mit dem Skifahren: Wer das mit fünf Jahren lernt, fährt die Piste runter, ohne sich Gedanken zu machen. Lernt man es mit 40 Jahren, denkt man mehr darüber nach, was man sich alles brechen kann. Wichtig: Ich habe damals gar nicht darüber nachgedacht, was die Entscheidung bedeutet und ob ich das überhaupt kann. Ich bin einfach davon ausgegangen, dass ich es kann.

Gab es dieses eine Gespräch, bei dem Ihr Vater gesagt hat: Du machst das jetzt?

Es gab dieses eine Gespräch im Biergarten, bei dem mich mein Vater gefragt hat und ich nach einer Millisekunde gesagt habe: Ja, das mache ich! Ich denke, mein Vater hatte sich schon länger gewünscht, dass ich in den Betrieb einsteige und ihn später übernehme – deshalb war ich ja auch auf einer Wirtschaftsschule. Aber ganz wichtig: Er hat mir das nicht aufgezwungen! Natürlich wächst man als Unternehmerkind mit der Firma auf – man wird im Betrieb und mit dem Betrieb groß.

Wie sind Sie mit dem Vertrauensvorschuss, der Ihnen gegeben wurde, umgegangen?

In diesen jungen Jahren war das schon etwas Besonderes. Es war wie beim Fahrradfahren-Lernen: Die Hand meines Vaters im Rücken war immer da. Übrigens ein Erfolgsfaktor bei der Nachfolge.

Was raten Sie Betriebsinhabern noch, die ihre Firma übergeben möchten?

Übergebt einen kompletten Verantwortungsbereich, in dem der junge Mensch seine eigenen Entscheidungen treffen kann und seine eigenen Fehler machen darf. Mein Papa hat mich natürlich auf Punkte hingewiesen, aber immer gesagt: „Mach so, wie du denkst.“ Bin ich mal gegen die Wand gelaufen, gab es nie Vorwürfe von ihm. Ich sollte beim nächsten Mal halt um die Wand herumlaufen. Ich habe mir damals viel selber erarbeiten müssen, sei es Fachwissen und Ähnliches. Und es gab damals viele Vorurteile: jung und blond, Frau im Werkzeug­handel und kein Studium. Schaue ich heute zurück, kann ich sagen: Wenn man will, kann man alles!

Sie haben mal gesagt, dass es ein Vorteil war, unterschätzt worden zu sein. Warum?

Ich bin generell ein sehr positiv denkender Mensch. Deshalb habe ich gesagt: Ich werde unterschätzt, das ist ja cool! Ein Chefeinkäufer in der Industrie hatte beispielsweise eine ganz andere Erwartungshaltung, als er einen Termin mit Werkzeug Weber hatte und dann spazierte die 18-jährige Vanessa herein – und nicht der 50-jährige Mann im Blaumann. Am Anfang dachten viele: Ich kann gar nichts. Dem war aber nicht so, das überraschte. Wird man unterschätzt, ist die Hürde viel niedriger, über die man springen muss, um zu begeistern. Und diese Chance kann man nutzen.

Welche Tipps geben Sie anderen Unternehmerinnen, die vor ähnlichen Herausforderungen bei der Betriebsübernahme stehen?

Seid mutig und traut es euch selber zu! Ich musste auch früh lernen, wie ich selber als Führungskraft bin und sein will. Ich bin anders und darf auch anders führen – und gehe dabei meinen eigenen Weg. Es ist ja auch bekannt, dass Frauen anders als Männer führen. Frauen hören beispielsweise eher mal einen Zwischenton – und das ist natürlich auch in einem Betrieb wichtig. Gerade als Frauen sind wir doch im Vorteil, wenn wir spüren, ob es allen im Team gut geht, und wir auch dieses Thema total auf dem Schirm haben.

Welche Methoden haben Sie über die Jahre für sich entdeckt, um mit dieser Verantwortung auch als Person wachsen zu können?

Mir wird schnell langweilig, ich bin total neugierig und ich brauche das Neue. Für mich sind das lebenslange Lernen und die Freude daran ganz essenziell. Die eigenen Werte bleiben, aber man verändert sich mit dem Prozess. Mir als Unternehmerin ist heute zum Beispiel das soziale Engagement ganz wichtig, konkret die Kinderbildung und die Nachhaltigkeit mit meinem Bäumepflanzen. Viele Unternehmer geben der Gesellschaft ganz viel zurück, vergessen dann aber, dies auch zu erzählen.

Drehen wir das Ganze mal um: Wie leicht fällt es Ihnen persönlich, Verantwortung ins Team abzugeben?

Aufgrund von mehreren Todesfällen in der Familie habe ich über das Leben anders nachgedacht: Warum soll ich denn warten, bis ich in Rente bin, und dann erst die Welt bereisen? Mit meinem Partner habe ich mir dann den Traum erfüllt, zweieinhalb Monate lang eine Weltreise zu machen. Wir hatten das aber auch ungefähr eineinhalb Jahre lang vorbereitet. Zudem wusste ich, dass ich Mitarbeiter habe, auf die ich mich verlassen kann, wenn ich weg bin. Der Schlüssel ist, den Mitarbeitern Vertrauen zu geben. Ich weiß heute, dass meine Firma auch ohne mich funktioniert. Denn als ich wiederkam und alles ohne mich lief, dachte ich: Okay, jetzt habe ich mich abgeschafft. Ganz wichtig: Seitdem arbeite ich am und nicht mehr im Unternehmen.

Im Frühjahr dieses Jahres haben Sie offensiv kommuniziert, wie stark Sie mit sich um eine dringend benötigte Auszeit gerungen haben. Warum zählt das auch für Sie zur Verantwortung einer Chefin?

Gerade in turbulenten Zeiten wie diesen ist man als Führungskraft besonders gefragt. Der Kapitän gehört auf die Brücke, wenn es stürmisch ist. Aber es bringt dann auch nichts, wenn sich der Kapitän so verausgabt, dass er nicht mehr auf der Brücke stehen kann – also wenn es an die Gesundheit oder die Nerven geht. Damit dient man niemandem. Jetzt achte ich präventiv auf meine Gesundheit, mache regelmäßig eine Fastenkur und dabei auch konsequent mein Digital Detox – weil ich da halt auch sehr präsent bin (lacht). Ich merke danach, jetzt bin ich wieder aufgetankt und kann mit Kraft zurückkehren. Diese Auszeiten brauche ich immer öfter.

Haben Sie aus dieser Erfahrung Maßnahmen für sich abgeleitet?

Einmal im Jahr gehe ich drei bis vier Tage ins Schweigekloster. Zudem sind mir meine Seminare und Vorträge sowie meine eigene Weiterbildung wichtig. Und ich plane rechtzeitig meinen Urlaub ein.

Über Vanessa Weber

© Tim Wegner

Vom Living Showroom über den Wohlfühl-Charakter von Büro- und Besprechungsräumen bis zum #We an der Wand – Unternehmerin Vanessa Weber, Jahrgang 1980, überlässt am Firmensitz in Aschaffenburg nichts dem Zufall.

Gerade noch hat sie Kunden, die sich für das Werkzeug-Ausgabe-System von Werkzeug Weber interessierten, begrüßt, schon spricht die Keynote-Speakerin über Storytelling, die Wirkung von Werten und die Rolle von TikTok fürs Handwerker-Recruiting.

Das Aschaffenburger Unternehmen Werkzeug Weber GmbH & Co.KG beschäftigt heute 25 Mitarbeiter und bietet neben Profi-Equipment auch Serviceleistungen und Betriebseinrichtungen an.