Fahrbericht Renault Trafic E-Tech: Elektrotransporter mit üppigem Baukasten

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Der Anlauf war lang, aber der Sprung ist gelungen – eine erste intensive Begegnung mit dem vollelektrischen Renault Trafic E-Tech.

Unauffälliger Auftritt: Rein äußerlich ist der Renault Trafic E-Tech ganz der Alte.
Unauffälliger Auftritt: Rein äußerlich ist der Renault Trafic E-Tech ganz der Alte. - © Randolf Unruh

Welch ein Kontrast: Flüsterleise schnurrt der vollelektrisch angetriebene Renault Trafic E-Tech in den Firmenhof. Der knurrig-knorrige Patron herrscht ausgerechnet über eine Niederlassung eines Lieferanten von Holzscheiten und Pellets. Am Rande des Betriebsgeländes lagert ein halb vergessener Fuhrpark. Und jetzt veredelt der nagelneue E-Transporter das rustikale Ambiente.

Es hat gedauert bis zu diesem Moment, manche Dinge müssen reifen. Wie ein guter französischer Käse. Oder ein Elektro-Transporter? Der Trafic E-Tech jedenfalls hat einen langen Anlauf genommen. Auf der Freizeitfahrzeugmesse Caravan-Salon in Düsseldorf war er vor zwei Jahren erstmals zu sehen. Mit seinem Auftritt auf der IAA Transportation vor einem Jahr pirschte er sich einen weiteren Schritt heran. Nun ist der Stromer endlich angekommen, Renault komplettiert sein E-Angebot, avanciert mit Kangoo Rapid, Trafic und Master E-Tech zum Vollsortimenter.

Geschwistern gefolgt

Das lange Reifen des elektrisierten Trafic verblüfft umso mehr, als Renault in Sachen Antrieb und Batterie auf bewährte Komponenten zurückgreift. Der Akku mit überschaubarer Kapazität von 52 kWh arbeitet bereits im größeren Master E-Tech. Die E-Maschine mit 90 kW/122 PS und 245 Nm Drehmoment summt im kleineren Kangoo Rapid E-Tech. Macht – je nach Betrachtungsweise – das Beste aus zwei Welten. Einen Transporter, der die Technik seiner Geschwister aufträgt. Oder einen perfekten Baukasten.

Geladen wird anfangs nur an der Wallbox mit elf oder 22 kW, ein Schnell­lader mit 50 kW wird folgen, wirklich flott ist anders. Die Steckdose befindet sich auf der Fahrerseite unten an der B-Säule, der klassischen Transporter-Tankposition. Doch das passt als Stromer nicht überall. Trotz vergleichsweise bescheidener Batterie nennt Renault nach WLTP-Norm eine Reichweite von knapp 300 Kilometern. Hinter der optimistischen Angabe steckt unter anderem die Tempobegrenzung auf 110 Sachen. Nochmals rund zehn Prozent Reichweite gewinnt der Franzose mit einer weiteren Reduzierung. Er ist dann aber mit maximal 90 km/h recht matt unterwegs. Das passt für die Stadt und das Umland. Indes steht er damit auf der ­Autobahn in Konkurrenz zu drückenden Lkw mit Schwungspitzen.

Gekonnt zuladen

Vorteil der kompakten Batterie ist eine appetitliche Nutzlast, der Kastenwagen schultert angesichts von 3,1 Tonnen zulässiger Gesamtmasse im Bestfall beachtliche 1,1 Tonnen, ergänzt von gut 900 Kilo Anhängelast. Und, na klar, der Preis: Die Batterie ist schließlich mit Abstand die teuerste Komponente eines jeden E-Mobils. Trotzdem ist der Neuling laut Liste alles andere als günstig: Bei netto 47.800 Euro geht es für den Kastenwagen los. Das Programm aber ist elektrisierend üppig: Es gibt den Renault als Kastenwagen lang und mit etwas Abstand auch kurz, wahlweise mit Hochdach, als Kastenwagen-­Doka, sogar als Plattformfahrgestell.

Nun aber wird’s Zeit, dass der Baukasten-Transporter vom Hof rollt. Die Bedienung ist denkbar einfach: Tastendruck zum Start, Fahrtrichtung mit einem klassischen Wählhebel aussuchen und die inzwischen schon etwas altmodisch anmutende mechanische Handbremse lösen. Gelassen nimmt der Testwagen Fahrt auf, ihm geht die Explosivität manch anderer E-Transporter ab. Wer es nicht eilig hat oder leer unterwegs ist, drückt die Eco-Taste. Sie reduziert die Motorleistung auf 60 kW/82 PS und spart Strom. Große Instrumente informieren über den wesentlichen Stand der Dinge. Sie zeigen, wie ästhetisch und perfekt ablesbar herkömmliche analoge Anzeigen sein können. Herkömmlich ist auch der Umgang mit der Klimatisierung: drei Drehregler, wenige Tasten – danke dafür, dass sich hier nichts in Menüs versteckt.

Geschmeidig unterwegs

Der mitsamt Beifahrern zur Hälfte befrachtete Testwagen wiegt sich sanft, aber nicht zu weich in den Federn. Und, anders als von Renault gewohnt, ist die elektrische Lenkung sympathisch straff abgestimmt und arbeitet zielbewusst. Die Rekuperation kennt keine Wahlmöglichkeiten, erinnert an die gewohnte Bremswirkung bei eingelegtem Gang, das passt. Im Ergebnis fährt sich der E-Franzose angenehm unspek­takulär und geschmeidig, überhaupt nicht gewöhnungsbedürftig. Nicht einmal lästige Sing- oder Pfeifgeräusche aus Richtung Motorraum sind zu vernehmen. Entsprechend kehrt Gelassenheit ein an Bord. Der Trafic E-Tech gehört auf der Straße zu den legalen und hochwillkommenen Beruhigungsmitteln.

Prompt herrscht an Bord nicht einmal angesichts des qualmenden vierrädrigen Altmetalls Aufregung, das sich während der ersten Proberunde plötzlich vor den Trafic E-Tech setzt und den sauberen Transporter übel einnebelt. Fix die Umlufttaste gedrückt, ausgeschert und dem Übeltäter flink die Schlussleuchten gezeigt. Welch ein Kontrast – eine feine Sache, so ein ­Stromer aus dem Baukasten.

Renault Kangoo Rapid E-Tech: Über kurz oder lang

Er ist so lang wie seine Bezeichnung: Zum kurzen Renault Kangoo Rapid E-Tech gesellt sich nun die Langausführung. Radstand und Länge wachsen um jeweils gut 400 Millimeter, mit 4,91 Metern erreicht der Lulatsch bereits Transporter-Format. Die Ladelänge beträgt nun 2,23 Meter, das Volumen laut Werksangabe 3,9 statt 3,3 Kubikmeter. Die seitliche Schiebetür wächst um 180 auf 830 Millimeter; die Komplettöffnung von Beifahrer- und Schiebetür namens Open Sesame ist für den Langen jedoch nicht zu bekommen. Da Renault die zulässige Gesamt­masse kräftig auf 2,49 Tonnen anhebt, wächst die sonst eher spärliche Nutzlast auf rund 700 Kilo. Obendrein darf er bis 1,5 Tonnen ziehen, üppig für den Stromer, auch im Vergleich zum größeren Trafic E-Tech. Der lange Radstand vergrößert den Wendekreis um 1,6 Meter, Ergebnis sind rund 13 Meter, gelenkig ist der Riesen-Kangoo nicht. Seine Technik entspricht der Kurzausgabe: Motor 90 kW/122 PS und 245 Nm, nutzbare Batteriekapazität 45 kWh, optionale Schnelllademöglichkeit bis 80 kW, mehr als beim Trafic E-Tech. Mit bis zu 130 Sachen ist der große Kleine flott unterwegs. Sein Aufpreis zur Kurzausgabe beläuft sich auf netto 1.400 Euro, macht mindestens 35.390 Euro netto – eine willkommene Alternative zum teureren großen Bruder Trafic E-Tech?