Intelligente Finanztechniken Nachhaltigkeit finanzieren: So gelingt mehr Effizienz in mittelständischen Fertigungsunternehmen

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Nachhaltige Fertigungstechnologien bringen wirtschaftliche Vorteile. So etwa einen geringeren Energie- und Rohstoffverbrauch sowie eine höhere Produktivität. Klaus Meyer ist Leiter des Commercial Finance-Geschäfts von Siemens Financial Services. Er erklärt in diesem Gastbeitrag, wie ein breiterer Einsatz intelligenter Finanztechniken mittelständische Fertigungsunternehmen grundsätzlich in die Lage versetzen kann, ihre Nachhaltigkeits- und Geschäftsziele schneller zu erreichen.

Die nachhaltige Produktion nachhaltig finanzieren.
Die nachhaltige Produktion nachhaltig finanzieren. - © VLRS - stock.adobe.com

Weltweit haben sich große Volkswirtschaften angesichts des Klimawandels zu einer massiven Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit verpflichtet. Im EU-Recht wurde als Zwischenziel festgelegt, die Emission von Treibhausgasen (THG) bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 zu senken.

Gleichzeitig stellen globale Ereignisse die Erfüllung dieser Verpflichtungen vor neue Hürden: geopolitische Konflikte, Knappheit fossiler Brennstoffe, Unterbrechungen der Lieferketten und Inflationsdruck. Aber rücken mittelständische Hersteller angesichts dieses Drucks von ihren Nachhaltigkeitszielen ab? Die Antwort sollte „Nein“ lauten. Warum? Weil Experten davon ausgehen, dass eine nachhaltige Produktion, neben ethischen und ökologischen, auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt. In Europa sagt dazu die OECD: „Kurz gesagt soll nachhaltige Produktion die verschiedenen betriebsimmanenten Risiken minimieren und gleichzeitig die Chancen maximieren, die sich durch bessere Prozesse und Produkte ergeben ... wirtschaftlich, ökologisch und sozial.

Beispiel Produktionsbetrieb: So können die Energiekosten gesenkt werden

Knauf Insulation beispielsweise begann eine Zusammenarbeit mit Siemens mit dem Ziel den Energieverbrauch im Werk für Glasmineralwolle in St. Helens im Nordwesten Englands zu senken. Die Grundlage für derartige Zusammenarbeit bilden Daten, die an einem Standort gesammelt und dann mithilfe von Expertenwissen, Tools und Algorithmen analysiert werden. Die Ergebnisse wurden genutzt, um Projekte zu entwickeln und zu realisieren, mit denen Knauf Betriebskosten einsparen und seine Umweltbilanz verbessern konnte. Eine strukturierte Herangehensweise – besonders wenn die Maßnahmen Aspekte digitaler Transformation beinhalten – garantiert dabei bestmögliche Ergebnisse.

Wie also sehen Nachhaltigkeitsinitiativen im mittelständischen Fertigungssektor aus? Welche Verbesserungen können Hersteller umsetzen, um Kosteneinsparungen, höhere Produktivität, Wettbewerbsvorteile und Versorgungssicherheit zu erzielen? Und wie können sie dabei gleichzeitig einen Beitrag zur Vermeidung von CO2 -Emissionen, zur Abfallreduzierung und zu anderen Nachhaltigkeitszielen leisten?

„Sustainability by Design“: Fertigungsprozesse umweltschonender gestalten

Große Fortschritte sind möglich, wenn ganze Fertigungsprozesse ressourcen- und energieeffizienter und damit umweltschonender gestaltet werden. Die Möglichkeit, Prozesse in der virtuellen Welt zu entwerfen oder neu zu konfigurieren wird durch einen digitalen Zwilling geschaffen. Er erlaubt es zudem, diese Entwicklungen schneller und preiswerter umzusetzen und zu testen. Im Kern sind Industrie 4.0 und Digitalisierung natürliche Wegbereiter für mehr Nachhaltigkeit. Unterstützt werden sie durch Remote-Zusammenarbeit und Virtualisierung. Dabei können bis zu 80 % der Umweltauswirkungen von Produkten bereits in der Entwurfsphase bestimmt werden – inklusive der Verwendung verantwortungsvoll beschaffter Rohstoffe. Zudem kann der Begriff ‚Design‘ auch auf Lieferketten angewandt werden, die bei komplexer Ausgestaltung nach Angaben des ‚Carbon Disclosure Project‘ bis zu 90 % der Emissionen verursachen.

Beispiel: So wird Energieeffizienz machbar

Studien haben gezeigt, dass Energieeffizienzinitiativen in der verarbeitenden Industrie in der Regel zu einer Verbesserung von etwa 20 % führen. Dies kann durch ein besseres Design neuer oder die Nachrüstung bestehender Anlagen geschehen. Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz gibt es im gesamten Prozess. So wird z. B. mithilfe der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Energie aus der Produktion zurückgewonnen und anderweitig verwendet. Die Installation von Antrieben mit variabler Drehzahl kann in industriellen Prozessen bis zu 50 % der Energie einsparen. Gebäudeautomatisierung kann den Stromverbrauch senken – über 50 % des Energieverbrauchs in Industriegebäuden dient der Raumheizung/-kühlung. Die Umstellung auf LEDs reduziert den Energieverbrauch für Beleuchtung um 40 bis 60 %. Der Einsatz energieeffizienter Fördertechnik (z. B. Gabelstapler) in Lager und Produktion kann den Verbrauch um bis zu 30 % senken.

Beispiel Bäcker: So gelingt Abfallvermeidung

Die Verringerung des Abfalls korrespondiert mit der Verringerung des Rohstoffverbrauchs. Durch digitales Management des Herstellungsprozesses entstehen weniger fehlerhafte oder verdorbene Produkte. Ein gutes Beispiel kommt aus der Lebensmittelindustrie, wo maschinelles Lernen die bestehenden Prozesse umgestaltet. So gelingt es, die Auswahl der Backbedingungen automatisch zu optimieren und Fehler durch manuelle Einstellungen, z. B. von Gasventilen in Öfen, zu eliminieren. Abfall können Unternehmer auch durch den Einsatz additiver Fertigungstechnologien oder durch die Vereinfachung oder Reduzierung von Verpackungsanforderungen reduzieren.

Investition: Am besten in nachhaltige Technologien

Immer mehr mittelständische Hersteller wollen so schnell wie möglich von nachhaltigen Alternativen wirtschaftlich profitieren. Dabei wollen sie Handels- und Wettbewerbsvorteile erlangen und sozial verantwortliche Standards erfüllen. Doch ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele müssen in der Praxis finanzierbar sein. Deshalb besteht ein Konsens, dass Kapital aus dem privaten Sektor nötig ist, um eine umfassende Transformation zur Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Um nachhaltiger zu werden, müssen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes in neue oder alternative Technologien investieren. So zum Beispiel in

  • energieeffizientere Anlagen
  • Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
  • additive Fertigung
  • Materialrecycling
  • Wassereffizienz
  • Öko-Verpackungen

Produktion: flexible Finanzierungen helfen

Es besteht daher ein dringender Bedarf an Investitionen – und zwar in erheblichem Umfang. Gleichzeitig ist der deutsche Mittelstand nach der Pandemie und angesichts politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit vorsichtig, wenn es darum geht, Kapital in neuer Ausrüstung zu binden. In Deutschland sind außerdem geplante staatliche Hilfen für die Umstellung auf klimafreundliche Produktion bisher hauptsächlich auf einige Industriezweige und Großprozesse beschränkt. Das führt zu einem Dilemma: Viele mittelständische Hersteller können es sich eigentlich nicht leisten, ihre Investitionen in eine nachhaltige Produktion aufzuschieben. Sie brauchen intelligente Wege, um ihre Investitionszurückhaltung zu überwinden. Zu diesem Zweck haben weitsichtige Unternehmer*innen erkannt, wie wichtig der richtige Finanzierungsmix in Zeiten von Volatilität und Krisen ist. Unter mittelständischen Industrieunternehmen mehren sich daher die Beispiele für den Einsatz von Fremdkapital in Form intelligenter Finanzierungsstrukturen. Die Erfahrungen zeigen, dass so Investitionen in Nachhaltigkeit – und gleichzeitig oft in Digitalisierung – möglich sind, die selbst finanziell nachhaltig sind. Den Weg dorthin ebnen flexible Finanzierungen, die den erwarteten Mehrwert aus den Investitionen berücksichtigen.

Verschiedene Finanzierungsmittel für verschiedene Phasen eines produzierenden Gewerbes. - © Siemens Financial Services

Die Cashflow-Bedürfnisse von Herstellern sind höchst unterschiedlich. Dennoch bieten die meisten Finanzierungen nur Bedingungen und Strukturen von der Stange. Spezialisierte Finanzierer hingegen nutzen ihr technisches Wissen über die Fertigungsindustrie aller Sparten und Größen, um die Vorteile nachhaltiger Technologien zu verstehen. So können sie dementsprechend individuelle Finanzierungspakete entwickeln. Die Vereinbarungen können so strukturiert werden, dass sie die zeitliche Entwicklung der Produktion (inkl. der Einnahmen daraus) und Effizienz berücksichtigen. Ebenso können die Zahlungen auf die erwarteten Ergebnisse abgestimmt oder saisonal variiert werden. So wird der Übergang zu nachhaltigen Plattformen nachhaltig beschleunigt.

Wichtig ist auch, dass intelligente Finanzierungen alle Kosten für den Übergang zu nachhaltigeren Systemen abdecken. Dies sind Ausrüstung, Software, Wartung und Service, Installation, Tests, Schulungen und, sofern erforderlich, sogar neues Personal.

Fazit: Gewinnsteigerung durch nachhaltige Produktion

Die in diesem Artikel dargelegten Erkenntnisse sprechen eindeutig dafür, dass Investitionen in nachhaltige Produktion erhebliche Produktivitäts-, Kosten- und Wettbewerbsvorteile mit sich bringen. Tatsächlich wird so das Rückgrat der deutschen Wirtschaft gestützt. Es spricht zudem alles dafür, dass intelligente, flexible, branchenspezifische Finanzierungstechniken scheinbar gegensätzliche Interessen verbinden können. Konkret: Den Wunsch nach Investitionen in nachhaltige Technologien mit dem Unwillen, in unsicheren Zeiten Kapital zu binden.

Über den Autor

© Siemens Financial Services

Klaus Meyer ist Leiter des Commercial Finance-Geschäfts von Siemens Financial Services in Deutschland und Vorsitzender der Geschäftsführung (CEO) der Siemens Finance & Leasing GmbH. Er hat in Würzburg, Peking und Boston studiert.