Zukunftstrend der Baubranche Modulare Bauweise: Standardisiert und damit wesentlich effizienter bauen

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3D-Drucker, BIM, Messen, Nachhaltigkeit und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Mit einem hohen Vorfertigungsgrad in der Werkstatt schont modulares Bauen die Umwelt. Künftig soll die ressourcen­schonende Bauweise daher nicht nur bei Neubauten, sondern auch im Bestand zum Einsatz kommen.

Thomas Marchel mit Geselle Jannik Neukamm (li.)
Thomas Marchel, Gründer von Holzbau Marchel in Nürnberg, fertigt mit Geselle Jannik Neukamm (li.) kleine Häuser in Modulbauweise an. - © Stephan Minx

Acht Monate lang tourte Thomas Marchel mit seiner Familie durch Europa. Auf der Ladefläche seines Lkw hatte er alles dabei, was er für sich, seine Frau und seinen kleinen Sohn brauchte: Wohnraum, Küche und Dusche. „Unser Lkw-Tiny-House ist wie ein Wohnwagen – nur besser“, beschreibt er. Vor fünf Jahren hat der Zimmerermeister aus Nürnberg damit begonnen, die kleinen Häuser mit minimalistischer Ausstattung anzufertigen. Die fahrbare Variante misst 2,5 Meter Breite und vier bis acht Meter Länge, das sind insgesamt zehn oder 20 Quadratmeter. Das Modell für Sesshafte kommt dagegen auf 30 bis 50 Quadratmeter.

Zu 95 Prozent vorgefertigt

Der Markt für die standardisierten Kleinsthäuser ist da. „Der Wohnraum in Deutschland ist begrenzt“, begründet Marchel. „Ein Grundstück zu finden wird immer schwieriger und kostspieliger.“ Gleichzeitig entdecken immer mehr Menschen, dass sie auch mit weniger Möbeln und Kleidung zurechtkommen. Der bewusstere Konsum spart Platz, Kosten, aber vor allem auch Energie. Nicht nur, weil es günstiger ist, kleine Räume zu beheizen. Die Mini-Häuser lassen sich auch relativ einfach in Marchels eigener Werkstatt vorproduzieren. Der Handwerkschef beziffert den Vorfertigungsgrad seiner Wohnmodelle auf circa 95 Prozent.

Würde der Zimmerermeister konventionell bauen, müsste er alle benötigten Materialien und Werkstoffe auf die Baustelle beim Kunden transportieren. Beim modularen Bauen dagegen fertigt er die Bauteile schon in der Halle auf seinem Betriebsgelände vor. Für jedes seiner Tiny-House-Modelle existiert bereits ein detaillierter Bauplan in 3-D, den er im CAD-System angelegt hat und bei Bedarf anpassen kann. „Darüber plane ich alle Elemente und Anschlussstellen“, erklärt Marchel. Von den Wänden über das Dach mit Photovoltaik-Paneelen bis hin zur Elektrik im Wohnraum sowie der Wasserversorgung in Bad und Küche. „Die modulare Bauweise ist standardisiert und damit wesentlich effizienter“, schlussfolgert der Zimmermann.

Was bei kleinen Gebäuden schon gut klappt, soll künftig auch bei größeren Bauprojekten Schule machen. Einer Analyse des Versicherers Allianz zufolge ist die Bauindustrie weltweit für bis zu 40 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich. Das beschleunigt den Klimawandel erheblich. Die schädlichen Treibhausgase entstehen schon im Vorfeld, wenn Materialien wie Zement hergestellt werden. Der Bauprozess setzt ebenfalls CO2 frei, dazu zählt zum Beispiel, wenn ein bestehendes Gebäude abgerissen wird oder wenn neue Baustoffe zur Baustelle gefahren werden – ein großes Problem: Die Alternativen zum konventionellen Bauen werden daher beim diesjährigen Branchentreff „Bau München 2023“, der Weltleitmesse für Architektur, Materialien und Systeme, im April diskutiert. Im Fokus steht das modulare Bauen als – so sagen die Messeveranstalter – einem „der wichtigsten Zukunftstrends in der Baubranche“.

Christine Buddenbohm, Geschäftsführerin Unternehmensentwicklung beim Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), sieht das genauso. Ihr Verband ist unter den Hauptausstellern der Bau München. „In Produktionsstätten können Materialien wie Ziegel, Holz oder mineralische Baustoffe vorgebaut werden und anschließend im fertigen Zustand auf die Baustelle transportiert werden“, erklärt Buddenbohm. Der Aufwand bei der Vorfertigung ist natürlich hoch, doch macht er sich später auf der Baustelle bezahlt: Dort braucht es dann weniger Zeit und Mitarbeiter. „Bei einem modernen Team aus drei Mitarbeitern einer modularen Baustelle mit Fertigteilen muss jeder Handgriff sitzen und ineinandergreifen, damit die Teile genau zum richtigen Zeitpunkt vom Lkw mithilfe eines Krans an die korrekte Stelle versetzt werden“, erklärt die ZDB-Geschäftsführerin. Darüber können Bauunternehmen viel gezielter und genauer arbeiten: „Es entstehen viel weniger Bauabfälle, Emissionen und Lärm.“

Zum Einfamilienhaus in 48 Stunden

Stein auf Stein war gestern – das findet auch Yannick Maciejewski. Zusammen mit Fabian Rupp, Meister im Maurer- und Betonbauerhandwerk, und Bankkaufmann Sebastian Rupp betreibt der Ingenieur seit 2022 die Firma Rupp Gebäudedruck in Pfaffenhofen bei Neu-Ulm. Das Bau-Start-up greift auf die Expertise des Familienbetriebs Rupp für schlüsselfertige Häuser zurück, fertigt seine Bauteile jedoch ausschließlich mit dem 3-D-Betondrucker. Mit der Technologie bringt Maciejewski den Beton ohne den Einsatz einer Schalung in Form. Der Drucker verarbeitet alle Aufträge, die in einer gängigen CAD-Software erstellt wurden. Das geht schnell: Der Drucker druckt alle Betonmischungen mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde. Ein Einfamilienhaus ist damit durchschnittlich in 48 Stunden fertig.

Damit die Kanäle für Wasser- und elektrische Leitungen gleich mit verbaut werden, zieht der ­Bauunternehmer Building Information Modeling (BIM) heran. Mit der Methode können Gebäude vernetzt und gewerkeübergreifend geplant, gebaut und später gewartet werden. „BIM ist beim modularen Bauen kein Muss, erleichtert den ­Prozess aber sehr“, stellt Maciejewski klar.

Modulares Bauen: Die wichtigsten Vorteile

Das ressourcenschonende Bauen hat zahlreiche Vorzüge. Einer der wichtigsten ist es, die Umwelt durch weniger Bauschutt und Energieverbrauch zu belasten.

  • Weniger Bauschutt auf der Baustelle:
    Wenn die einzelnen Module in der Werkhalle vorgefertigt werden, entsteht auf der Baustelle weniger Abfall und weniger Lärm. Zudem ist eine einheitliche Qualität gesichert. Im Holzbau funktioniert das beispielsweise besonders gut, da Holzmodule im kompletten Ausbau immer noch leicht und gut transportfähig sind. Auf der Baustelle sind sie schnell montiert.
  • Langwierige Planungs- und Bauprozesse minimieren sich:
    Mithilfe digitalisierter Arbeitsweisen können Anpassungen in wenigen Minuten flexibel umgesetzt werden. Die industrielle Fertigung ermöglicht schnelle sowie effiziente Planungs- und Bauprozesse.
  • Kosten senken und nachhaltiger bauen:
    Durch einen einmaligen Planungsaufwand, der sich bei Bedarf auch anpassen lässt, wird der gesamte Bauprozess preiswerter. Zudem bewirken kürzere Bauprozesse, dass weniger Strom, Sprit und andere Ressourcen benötigt werden. Das schont die Umwelt nachhaltig.
  • Flexible Anpassungsmöglichkeiten:
    Standardisierte, vorgefertigte Bauprozesse sind leicht anzupassen. Mit Modulbau ist es zum Beispiel möglich, einzelne Teile wiederzuverwenden oder an anderer Stelle weiter zu nutzen. Serielles Bauen fördert die Idee einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.

Akkurater Planen, schneller bauen

Die Formel für modernes Bauen lautet: Je genauer die Planung, desto besser lässt sich standardisieren und vorfertigen. Im Vergleich zum normalen Bau eines Mehrfamilienhauses, der sich über ein bis zwei Jahre hinziehen kann, dauert der Bau eines seriellen Wohnhauses nur etwa vier Monate. Insbesondere im Hinblick auf den Fachkräftemangel ist das ein großer Vorteil. Bei Rupp Gebäudedruck läuft der Bauprozess weitgehend automatisiert ab. „Um den Drucker zu bedienen, werden gerade mal zwei Personen benötigt“, erklärt Maciejewski. Weitere Pluspunkte: Die Mitarbeiter am Bau schonen ihre Gelenke und übernehmen stattdessen weniger anstrengende Aufgaben. Zudem würden über das moderne technologiegetriebene Bauen weniger Rohstoffe benötigt, sagt der Firmenchef. „Das wirkt sich nachhaltig auf den Geldbeutel und die Umwelt aus.“

Die Idee zu den kleinen Modulhäusern hatten die drei Gründer von Rupp Gebäudedruck während der Pandemie. Viele Arbeitnehmer haben sich in der Zeit zu Hause ein Büro eingerichtet – und nutzen es bis heute als Homeoffice. „Wer nicht ständig am Küchentisch sitzen möchte, sondern ein geschlossenes Arbeits­zimmer braucht oder wünscht, kann umräumen, wenn der Platz vorhanden ist – oder muss anbauen“, beschreibt Maciejewski.

Erweiterung von Bestandsbauten

Laut dem Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW Südwest) liegt der aktuelle Marktanteil von modularen Gebäuden bisher zwar erst bei rund vier Prozent. Doch das soll sich ändern – nicht nur bei Neubauten, sondern auch im Bestand. Um den Raum in den dicht besiedelten Städten bestmöglich zu nutzen, können bestehende Gebäude über Fertigbau-Elemente erweitert werden. Guter Nebeneffekt: Die Baustellen müssen nicht mehr so groß sein, zumal sie gerade in Innenstädten schwer zu genehmigen sind.

Momentan arbeitet das Team aus Pfaffenhofen daran, eine schon bestehende Hotelanlage im bayerisch-schwäbischen Landkreis zu erweitern. Die Start-up-Bauunternehmer arbeiten dabei mit Modulhäusern, die selbstverständlich aus dem Drucker stammen. „Hoteliers können die Modulhäuser freistehend auf einem Grundstück als Bungalows, Feriendörfer oder Glamping Homes einsetzen oder aber an ein bestehendes Gebäude anbauen“, sagt Maciejewski. Private und gewerbliche Kunden haben die Auswahl zwischen vier Modellen, die zwischen 15 und 61 Quadratmeter groß sind. Die Bestandteile der Häuser lassen sich einzeln oder kombiniert aufstellen. „So könnte zum Beispiel ein größerer Bungalow aus zehn Schlafmodulen und drei Badmodulen entstehen oder in jeder anderen Kombination“, erklärt der Bauunternehmer. Kurzum: Trotz Standardisierung und hohem Vorfertigungsgrad sind individuelle Wünsche möglich.

Nachrüsten beliebig möglich

Thomas Marchel, der ebenfalls in flexiblen Wohnmodellen denkt, die sich der jeweiligen Lebenssituation anpassen, pflichtet bei. Wer wie er und seine Familie mit einem Tiny House durch die Welt gezogen ist, kann das Mini-Gebäude nach der Heimkehr etwa auf einem Grundstück abstellen – und dort beliebig nachrüsten. „Wenn die Bewohner mehr Platz brauchen oder sich Nachwuchs ankündigt, wächst unser Tiny House über die modularen Elemente einfach mit.“