Steuern sparen vor Jahreswechsel Steuerendspurt 2021: So schöpfen Chefs alle Sparpotenziale aus

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Betriebsprüfung und Steuerstrategien

In den letzten Wochen dieses besonderen Jahres treffen Hand­werksunternehmer Vorbereitungen, um ihre Projekte 2022 unbelastet angehen zu können. Tipps für den Steuer-Jahresendspurt.

Volker und Jacqueline Schragen
Volker und Jacqueline Schragen leiten gemeinsam die Conditorei-Bäckerei Schragen im Hochwassergebiet Bad-Neuenahr-Ahrweiler. - © Rudolf Wichert

Bäckermeister Volker Schragen und seine Frau Jacqueline Schragen genießen es, nach zwei Monaten wenigstens wieder in der eigenen Wohnung zu sein. Ihre Konditorei wie auch die Bäckerei in Ahrweiler standen mit der Flut komplett unter Wasser. „Auch die obere Etage, in der wir unser Zuhause haben, war unbewohnbar“, erklärt Jacqueline Schragen die Situation. Nur durch die Unterstützung von Handwerkerkollegen aus Oldenburg, „die uns spontan über mehrere Wochen unterstützt haben, konnten wir inzwischen wieder einziehen“, so Schragen. Die Ehrenamtlichen installierten den Strom. Sie sorgten dafür, dass die Familie heizen kann. Sie halfen dabei, die Bäckerei und das Café von Schlamm und Schutt zu befreien. „Damit sind wir jetzt so weit an einen Neustart zu denken. Wir rechnen allerdings nicht damit, vor dem nächsten Frühjahr unser Geschäft wieder öffnen zu können“, führt Schragen aus.

Nichts wird wie früher sein. „Unsere Maschinen sind kaputt. Wir brauchen eine komplett neue Einrichtung, Elektroinstallationen und Böden“, sagt die Unternehmerin. Momentan arbeitet die Familie Schragen an einem veränderten Geschäftskonzept, „mit dem wir in einem kleineren Rahmen als bisher einsteigen wollen“, erklärt die Ahrweilerin. Man muss wissen, Schragens stemmen den Wiederaufbau ohne Versicherungsleistungen. Daher werden sie auf staatliche Hilfen angewiesen sein. „Während der Corona-Zeit sind wir noch ohne ausgekommen. Nur Kurzarbeitergeld haben wir in Anspruch genommen, um unsere Mitarbeiter halten zu können“, erklärt die Unternehmerfrau. „Der Steuerberater hat dafür gesorgt, steuerlich herauszuholen, was ging“, ergänzt ihr Mann.

Herabsetzung der Einkommensteuer, Verzicht auf Säumniszuschläge, Steuerstundung: Die Finanzämter kamen in diesem Jahr vielen Handwerksunternehmern entgegen, wenn sie krisenbedingt in Schwierigkeiten geraten sind. „Das führte in erster Linie zu einem Liquiditätsvorteil“, erklärt Rüdiger Hitz, Steuerfachanwalt der Kanzlei Brandi in Hannover. Da­rüber hinaus können die Betroffenen zum Beispiel noch Sonderabschreibungen in Anspruch nehmen. Angesichts der angespannten Situation lotet das Ehepaar Schragen jetzt wie viele andere, weniger gebeutelte Unternehmer aus, welche Maßnahmen sie vor oder nach dem Jahresende einleiten wollen. Außerdem sind einige Neuregelungen in der Pipeline, die Handwerksunternehmer beim Jahresendspurt berücksichtigen sollten.

Nach der Flut

1. Verlorene Posten

„Viele Unternehmer haben infolge des Hochwassers steuerliche Unterlagen verloren. Sie müssen sich deswegen keine Sorgen machen“, sagt Hitz. Die Finanzämter sind gehalten, dass den Handwerksbetrieben daraus keine Nachteile entstehen. Betroffene Firmenchefs sollten ihren Verlust umgehend dokumentieren und – soweit möglich – nachweisen oder glaubhaft machen. Im Zweifel informieren sie ihr Finanzamt besser vorab, damit es keine Schwierigkeiten gibt.

2. Erhöhte Abschreibung

Diese können sich die durch die Unwetterereignisse im Juli geschädigten Betriebe sichern, die in den Wiederaufbau investieren müssen. Bis zu
50 Prozent Sonderabschreibungen sind für bewegliche Anlagegüter möglich. Handwerksunternehmerin Schragen ist momentan dabei, notwendige Wirtschaftsgüter aufzulisten. „Wir werden wohl auch gebrauchte Maschinen einkaufen, weil wir nicht zu sehr belastet sein wollen“, so Jacqueline Schragen. In diesen Fällen lassen sich Sonderabschreibungen in Höhe von 30 Prozent für Herstellungskosten steuerlich geltend machen. „Unser Steuerberater ist involviert. Wir besprechen uns regelmäßig mit ihm.“

3. Einfacher Nachweis

Ein Tipp für jene, die sich solidarisch verhalten und gespendet haben: Das Finanzamt akzeptiert hier einfache Nachweise wie etwa den Kontoauszug als Beleg, wenn das Geld vor Ende Oktober überwiesen und an einen Verein gespendet wurde.

4. Schnelle Hilfe

Beim Wiederaufbau waren und sind noch immer ehrenamtliche Helfer gefragt. Handwerksunternehmer sind weit angereist, um spontan zu unterstützen. Für den Einsatz betrieblicher Baufahrzeuge und Geräte oder Personalgestellung wird auf die Umsatzsteuer ­einer sogenannten unentgeltlichen Wertabgabe verzichtet. Laut einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums können sie ihre Vorsteuer aus der Leistung – für Baufahrzeuge, Geräte oder Personal – geltend machen. Der Steuer­­vorteil ist bis Ende Oktober 2021 befristet (BMF-Schreiben Aktenzeichen: III C 2 - S 7030/21/10008 :001). Auch bei Sachspenden aus dem Betriebsvermögen fällt keine Umsatzsteuer an. Die spendenden Firmen erhalten die Umsatzsteuer sogar erstattet, wenn sie schon vor der Anschaffung des jeweiligen Wirtschaftsguts wissen, dass sie dieses spenden wollen.

Zum Jahresende

5. Schöne Feier

Jenseits der Flutkatastrophe hat Corona die Unternehmen in Atem gehalten. Inzwischen normalisiert sich in vielen Branchen die Auftragslage. Auch lassen die Coronaschutzverordnungen Feiern wieder zu – wenn auch viele Weihnachtsfeiern in einem kleineren Rahmen als gewohnt stattfinden dürften. Die Events bleiben steuerfrei, falls die Einladungen für jeden Mitarbeiter nicht mehr als 110 Euro netto kosten.Voraussetzung ist, dass es nur maximal zwei solcher Veranstaltungen in diesem Jahr gab.

Neu: Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (Az: VI R 31/81) sind die Gesamtkosten auf die tatsächlich anwesenden Teilnehmer aufzuteilen. „Bisher konnten die Aufwendungen rund um das Fest auf die angemeldeten Mitarbeiter umgelegt werden. Es war nicht schlimm, wenn sie am Ende doch nicht anwesend waren“, erklärt Stephan Jäkel, Steuerberater der Kanzlei Ecovis in Osnabrück.

Tipp: Steuerfrei bleiben auch Geschenke für die Mitarbeiter im Wert bis zu 60 Euro brutto zum Beispiel zum Geburtstag oder zur Hochzeit. Wichtig ist ein persönlicher Anlass, der dann am besten in den Lohnunterlagen vermerkt wird. Allerdings sollte das Präsent nicht auf der Weihnachtsfeier verteilt werden.

6. Steuerlich sichere Bewirtung

Um die nächsten Großaufträge zu besprechen, laden Firmenchefs ihre Kunden wieder in ein Restaurant ein. Wichtig: Die Aufwendungen lassen sich steuerlich geltend machen – 70 Prozent der Kosten. „Bis zur Kleinbetragsgrenze, also einem Bruttorechnungsbetrag von 250 Euro, reicht eine vereinfachte Rechnung“, erklärt Ecovis-Experte Stephan Jäkel. Wichtig: Es müssen Angaben zum Lokal, das Rechnungs- und Leistungsdatum sowie die Einzelpreise für die Speisen und Getränke vermerkt sein. Außerdem ist eine Gesamtsumme mit Hinweis zum Umsatzsteuersatz auszuweisen.

„Liegt der Rechnungsbetrag über der Kleinbetragsgrenze von 250 Euro, dann muss der Beleg zusätzlich Angaben zu den Rechnungsempfängern, also den bewirteten Personen, die Steuer- oder Umsatzsteueridentifikationsnummer des Ausstellers sowie eine fortlaufende Rechnungsnummer enthalten“, erklärt Jäkel. Der Anlass sollte genau erläutert werden. Falls hier nur „Besprechung“ steht, ist der Ärger bei der nächsten Betriebsprüfung programmiert.

Neu: Seit 1. Juli 2021 muss der Bewirtungsbeleg den Hinweis auf die technische Sicherheitseinrichtung (TSE) enthalten, ebenso Transaktionsnummer und Seriennummer des elektronischen Aufzeichnungssystems oder des TSE-Moduls. Alternativ kann der Beleg je nach Kassensystem auch einen QR-Code beinhalten mit Hinweis auf eine TSE-Transaktion.

7. Kurzfristiger Kauf

Geringwertige bewegliche Wirtschaftsgüter lassen sich noch 2021 komplett abschreiben, falls sie bis zu 800 Euro netto gekostet haben. Deshalb sollten Unternehmer sich überlegen, ob sie solche geplanten Ausgaben noch bis Jahresende tätigen wollen. Das kann Sinn machen, falls die Firma in diesem Jahr trotz allem gut abgeschnitten hat und somit der Gewinn gemindert werden soll.

8. Auslaufende Frist

Mietwohnungsbau wird mit der erhöhten Sonderabschreibung (Paragraf 7 b Einkommensteuergesetz) gefördert. Jeweils gewährt das Finanzamt im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den drei nächsten Jahren fünf Prozent der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten bis zu 2.000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. Außerdem gibt es die lineare AfA von zwei Prozent im Jahr. Die berechnet sich auf Grundlage der tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten.

Wichtig: Die Baukosten dürfen nicht mehr als 3.000 Euro pro Quadratmeter betragen und vor allem: Die Immobilie wird mindestens zehn Jahre auf dem Mietwohnungsmarkt angeboten. Auch Dachausbauten oder Anbauten sind begünstigt. „Wer davon profitieren will, muss bis Ende dieses Jahres noch den Bauantrag stellen oder Bauanzeige einreichen, um die Förderung zu beanspruchen“, sagt Hitz. Wann die Wohnung fertig wird, ist dann egal.

Zum neuen Jahr

9. Niedrigere Strafzinsen

Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt die sehr hohen Strafzinsen auf verspätete Zahlungen in Höhe von sechs Prozent im Jahr in einem Beschluss verworfen (Az: 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17). Bis Mitte nächsten Jahres muss die neue Regierung nun eine neue Regelung auf die Beine stellen, die rückwirkend ab 2019 gelten soll. Bescheide sind bisher in diesem Punkt schon vorläufig ergangen. Handwerksunternehmer müssen also nicht tätig werden, um zu viel gezahlte Zinsen zurückzubekommen.

Tipp: Unternehmer sollten sich frühzeitig mit ihrem Steuerexperten oder mit dem Finanzamt in Verbindung setzen, falls sie ihre Steuern nicht fristgerecht zahlen können. So zeigen die Finanzbeamten momentan oft Verständnis, falls sich die Probleme gut begründen lassen – allerdings auch nur dann, wenn der Betrieb von der Corona-Krise stark betroffen war oder auch von der Flutkatastrophe. „Bei Managementfehlern allein sind Stundungen sehr schwierig durchzusetzen, wobei das von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein kann“, so Hitz.

10. Rechtzeitiger Antrag

Die Pandemie hat in einigen Handwerksbranchen dazu geführt, dass in diesem Jahr deutlich weniger Umsatz erzielt wurde als zuvor. Viele Betriebe können schwer absehen, wie sich das nächste Jahr entwickeln wird. Firmenchefs sollten sich nicht scheuen, beim Fiskus niedrigere Vorauszahlungen zu beantragen. Damit verschaffen sie sich einen Liquiditätsvorteil.

11. Frühzeitige Abschreibung

Kleine und mittlere Unternehmen können für vorgesehene Investitionen einen Investitionsabzugsbetrag (IAB) von 50 Prozent der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nutzen. Damit erzielen sie einen Liquiditätsvorsprung, mit dem sie das Wirtschaftsgut besser finanzieren können. Der IAB darf auch für gebrauchte Maschinen genutzt werden. „Wir klären noch mit unserem Steuerexperten, inwieweit das für uns Sinn macht“, meint Schragen. Innerhalb von drei Jahren müssen die jeweiligen Wirtschaftsgüter angeschafft werden. Außerdem müssen sie bis zum Ende des folgenden Jahres zu mindestens 90 Prozent betrieblich eingesetzt werden.

12. Erweiterte Leistung

Zum neuen Jahr können Arbeitgeber die steuerfreien Sachleistungen erhöhen. Die Grenze von bisher 44 Euro wird auf 50 Euro im Monat angehoben. „Das wird Zeit. Denn die Sachbezugsgrenze wurde 18 Jahre lang nicht erhöht“, so Jäkel. Man muss aber wissen: Gutscheine oder Geldkarten werden nicht mehr steuer- und beitragsfrei gewährt, wenn sie

  • eine Bezahlungsfunktion haben,
  • eine eigene IBAN haben,
  • sich für Überweisungen verwenden lassen,
  • sich für den Kauf von Fremdwährungen verwenden lassen oder
  • sich als generelles Zahlungsinstrument hinterlegen lassen.

„In diesen Fällen gelten Gutscheine oder Geldkarten als Barlohn“, warnt Jäkel. Damit wird die Leistung voll steuer- und sozialversicherungspflichtig.

Tipp: Mit solchen Maßnahmen können Handwerksunternehmer qualifizierte Mitarbeiter gewinnen und binden. Unternehmerin Jacqueline Schragen betont, wie relevant gerade in dieser Katastrophe das Handwerk ist. „Egal, welche Gewerke es sind, der Nachwuchs ist schwer zu finden und diese außergewöhnliche Zeit zeigt nun, wie wichtig ausreichend qualifizierte Fachkräfte im Handwerk sind.“