GmbH-Recht, Rechtstrends und Steuerstrategien
Mit dem Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz können ab dem Wirtschaftsjahr 2022 auch als oHG oder KG organisierte Handwerksbetriebe Körperschaftsteuer bezahlen. Norbert Mückl, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht, erklärt im Interview, was es mit dem neuen Gesetz auf sich hat.
Wann genau ist die neue Gesetzgebung für Handwerker interessant?
Sie ist für alle Handwerker interessant, die ihr Unternehmen in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft betreiben, also beispielsweise in einer Kommanditgesellschaft (KG) oder offenen Handelsgesellschaft (oHG). Wichtig ist auch, dass sie damit mehr Geld verdienen, als sie tatsächlich aus der Gesellschaft entnehmen.
Der steuerliche Hintergrund ist der Folgende: Das deutsche Steuerrecht behandelt Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften (z.B. eine GmbH oder AG) nach unterschiedlichen Prinzipien. Personenhandelsgesellschaften werden grundsätzlich transparent besteuert, d.h. deren Einkommen wird für Einkommensteuerzwecke unmittelbar den Gesellschaftern zugerechnet und bei diesen mit ihrem persönlichen Einkommensteuersatz besteuert, also gegenwärtig mit bis zu 45 Prozent. Dies gilt unabhängig davon, ob sie den Gewinn tatsächlich aus der Gesellschaft entnehmen oder nicht.
Kapitalgesellschaften hingegen werden nach dem Trennungsprinzip besteuert, d.h. die Kapitalgesellschaft muss Körperschaft- und Gewerbesteuer auf ihren Gewinn bezahlen, in der Regel etwa 30 Prozent. Die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft müssen den Gewinn der Kapitalgesellschaft nur mit Einkommensteuer versteuern, wenn die Kapitalgesellschaft diese Gewinne tatsächlich an sie ausschüttet. Daraus ergibt sich für nicht oder nicht voll ausschüttende Gesellschaften ein erheblicher Liquidätsvorteil, so dass sie aufgrund des Steuervorteils mehr reinvestieren können. Die Neuregelung ist damit der Versuch, eine Art rechtsformneutrale Besteuerung herzustellen, weil nun auch eine Personengesellschaft wie eine Kapitalgesellschaft besteuert werden kann, ohne tatsächlich die Rechtsform zu wechseln.
In der Fachliteratur ist von größeren Unternehmen die Rede. Aber ist die Umstellung auch für kleinere Betriebe theoretisch denkbar?
Ja, es bestehen keine größentechnischen Voraussetzungen. Die Option kann gerade auch für kleine Personengesellschaften interessant sein, weil man zur Körperschaftbesteuerung wechseln kann, ohne die damit bisher verbundenen Notar- und Registerkosten für eine echte Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft (zum Beispiel GmbH) tragen zu müssen sowie die damit verbundenen formalen Schritte in Kauf zu nehmen.
Welche formellen Umstellungen müssen Handwerker im Detail vornehmen, wenn sie von der Option Gebrauch machen? Und was ist dabei zu beachten?
Die Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter erfolgt nach der Option dann grundsätzlich nach den Regeln für Kapitalgesellschaften und deren Gesellschafter. Dies bedeutet etwa, dass jährlich Körperschaftsteuererklärungen für die Gesellschaft abgegeben werden müssen. Außerdem ist beispielsweise für angestellte Gesellschafter-Geschäftsführer Lohnsteuer einzubehalten und anzumelden. Wenn Ausschüttungen erfolgen, sind zudem Kapitalertragsteuern anzumelden und Kapitalertragsteuer abzuführen. Zudem müssen auf jeden Fall vorab sämtliche Verträge zwischen den Gesellschaftern und der Personengesellschaft daraufhin überprüft werden, ob sie wie zwischen fremden Dritten ausgestaltet sind. Andernfalls drohen sogenannte verdeckte Gewinnausschüttungen. Auch wenn die Option zur Körperschaftsteuer ein rein steuerliches Wahlrecht ist, ist vor der Optionsausübung eine umfassende und einzelfallbasierte Überprüfung des bisherigen Gesellschaftsvertrags vorzunehmen. Dies betrifft insbesondere die Regelungen zu den Gesellschafterkonten und den Entnahmen der Gesellschafter. Gegebenenfalls ist eine Anpassung des Gesellschaftsvertrages zweckmäßig.
Welche Voraussetzungen sind zu erfüllen? Was ist zu bedenken?
Die Gesellschaft muss spätestens einen Monat vor Beginn des Wirtschaftsjahres, für das die Option gelten soll, einen unwiderruflichen Antrag bei ihrem zuständigen Finanzamt stellen. Dafür ist grundsätzlich die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich. Bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr muss der Antrag also spätestens bis zum 30. November erfolgt sein. Die Option gilt dann ab dem 1. Januar. Gleichzeitig ist den Gesellschaftern natürlich daran gelegen, dass die Umstellung steuerneutral erfolgt, das heißt zu Buchwerten. Dazu ist, wie bei einem echten Formwechsel, ein weiterer Antrag, ein sogenannter Buchwertantrag, erforderlich. Steuerneutralität auf dem Weg in die Option ist bei rein inländischen Konstellationen meistens möglich, jedoch im Einzelfall zu prüfen.
Wie geht der Betrieb dann im Fall des steuerlichen Formwechsels mit Wirtschaftsgütern um?
Eine Besonderheit besteht bei sogenanntem Sonderbetriebsvermögen. Das sind für die Gesellschaft wesentliche Wirtschaftsgüter, etwa Grundstücke, die dem Gesellschafter gehören. Bislang hat er sie jedoch der Gesellschaft etwa vermietet. Ein Buchwertantrag, also Steuerneutralität, ist in dieser Konstellation nur möglich, wenn auch diese Wirtschaftsgüter auf die Gesellschaft übertragen werden. Generell kann man sagen, die wesentlichen Voraussetzungen für eine Steuerneutralität bei Ausübung der Option entsprechen dem eines echten Formwechsels einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft.
Welche Vorteile ergeben sich daraus und warum?
Thesaurierende Gesellschaften, die also Gewinne im Unternehmen belassen und nicht alles entnehmen möchten, können von einem Liquiditätsvorteil profitieren. Außerdem werden z.B. auch Leistungsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter grundsätzlich voll steuerlich anerkannt. Der Gesellschafter kann sich zum Beispiel ein Geschäftsführergehalt ausbezahlen, das dann bei der Gesellschaft als Betriebsausgabe den Gewinn mindert und das er dann als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit versteuert.
Welche Nachteile könnten womöglich die Folge sein – und was genau sollte man vorab bedenken?
Generell gilt, dass es eine sehr neue gesetzliche Regelung ist, mit der bislang keinerlei Erfahrungswerte bestehen. Dies ist in der Praxis meist mit einer gewissen Rechtsunsicherheit verbunden. Zusätzlich sollte jeder, der mit der Option liebäugelt, vorab eine Belastungsrechnung anhand seiner individuellen Verhältnisse und Rahmenbedingen durchspielen. Wirklich Steuerneutralität auf dem Weg in die Körperschaftsbesteuerung kann zudem nur dann erreicht werden, wenn innerhalb von sieben Jahren nach Ausübung der Option keine Anteilsübertragungen oder bestimmte Umstrukturierungen erfolgen, weil es andernfalls zu einer Nachbesteuerung stiller Reserven kommen kann. Ein Nachteil gegenüber einem echten Formwechsel ist sicherlich auch, dass keine zivilrechtliche Haftungsabschirmung wie bei einem Formwechsel in eine GmbH erzielt wird. Zivilrechtlich bleibt es bei einer Personenhandelsgesellschaft. Bei einer oHG etwa haften die Gesellschafter auch unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen.
Für wen kommt eine Umstellung überhaupt in Frage?
Die Option macht nur dann Sinn, wenn tatsächlich nicht sämtliche Gewinne ausgeschüttet werden sollen, sondern ein Teil im Unternehmen verbleibt. Attraktiv ist sie für alle Personenhandelsgesellschaften, die noch nicht den Schritt eines echtes Formwechsels gehen wollen, aber ohne Rechtsformwechsel bereits so besteuert werden möchten, wie eine Kapitalgesellschaft.
Und wer lässt besser die Finger davon?
Keinen Sinn macht der Option beispielsweise für Gesellschaften, die über gewerbesteuerliche Verlustvorträge verfügen. Diese gehen durch die Option nämlich unter und sind nicht mehr nutzbar, d.h. können künftig nicht mehr mit späteren Gewinnen der Gesellschaft verrechnet werden, um Steuern zu sparen. Auch ansonsten können nach dem Trennungsprinzip Verluste der Gesellschaft nicht mehr unmittelbar mit sonstigen positiven Einkünften der Gesellschafter für Einkommensteuerzwecke verrechnet werden.
Noch fehlt das BMF-Schreiben, das einige Details regeln soll, Ende November müsste man als optierender Unternehmer aber schon dem Finanzamt Bescheid geben. Sehen Sie darin ein Problem?
Seit dem 30. September 21 gibt es einen Entwurf eines solchen BMF-Schreibens, das aber natürlich noch nicht final und damit für die Finanzverwaltung auch nicht bindend ist. Allein schon am Umfang des Schreibens von 30 Seiten kann man sehen, dass das Ziel des Gesetzgebers, eine rechtsformneutrale Besteuerung zu gewährleisten, zwar lobenswert ist, gleichzeitig jedoch viele Detailprobleme zu lösen sind. Zudem zeigt sich, dass die Finanzverwaltung bei vielen Zweifelsfragen wohl eine restriktive Auffassung vertreten wird.
Vielen Dank für das Gespräch!
Dr. Dr. Norbert Mückl, Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht, ist Partner der Sozietät Streck Mack Schwedhelm und Experte des Deutschen Anwaltvereins. Seine Schwerpunkte sind allgemeines Steuerrecht, Unternehmenssteuerrecht und Unternehmenstransaktionen.