Gesellen stärken, Chefs entlasten Interview mit Dirk Abel und Peter Liepolt: "In zehn Tagen vom Monteur zur selbstbewussten Führungskraft"

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Mitarbeitermotivation, Risikomanagement und Weiterbildung

Projekte besser planen, Selbstverantwortung fördern und Zusatzaufträge an Land ziehen: Dirk Abel und Peter Liepolt vom „Institut Perspektive Handwerk (IPH)“ wollen in zehn Tagen aus klassischen Monteuren und Technikern selbstbewusste Führungspersönlichkeiten machen. Denn auf den Baustellen liegt wohl einiges im Argen.

Dirk Abel (l.) und Peter Liepolt haben als Antwort auf diese Frage einen neuen Lehrgang konzipiert.
Dirk Abel (l.) und Peter Liepolt haben als Antwort auf diese Frage einen neuen Lehrgang konzipiert. - © Bert Bostelmann

Ein Lob duldet kein Aber!“ Sätze wie diesen notieren die Teilnehmer des neuen Zertifikatslehrgangs Fachbauleiter/Obermonteur (IHK) in ihr Seminar-Logbuch. Die Obermonteure von morgen sind konzentriert bei der Sache, die Stimmung in Rödermark bei der CWS Fire Safety Academy ist gut. Handwerkschef Dirk Abel und Leadership-Experte Peter Liepolt haben 2022 mit dem „Institut Perspektive Handwerk (IPH)“ einen zertifizierten Bildungsträger gestartet. Mit diesem Schritt wollen sie unter anderem das Handwerk voranbringen, eine dritte Führungsebene pushen und das Thema Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen.

„Rollenland­karte“, „blinde Flecken“ und „Selbstref­lexion“ – dank Seminarleiter Liepolt bekommen die Teilnehmer schon am ersten Tag eine Menge Input. Ein Gespräch mit den beiden Ideengebern.

handwerk magazin: Herr Abel, Herr Liepolt, Chefinnen und Chefs packen sich immer mehr Aufgaben in ihren Arbeitstag. Gerade in der Multikrise wird das oft zur Belastung. Zeit also, die Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen, oder?

Peter Liepolt: Ganz klar, die Chefinnen und Chefs haben sich bisher viel zu viel Arbeit auf die eigenen Schultern gelegt – das wollen wir jetzt ändern. Damit sie sich ihrer Führungsrolle mehr bewusst werden und lernen, Aufgaben zu delegieren, sich nicht als Fachkraft zu wichtig nehmen und ihre Leute entsprechend den Fähigkeiten und Stärken auf der Baustelle einsetzen.

Dirk Abel: Chefinnen und Chefs müssen immer mehr Dinge um den handwerk­lichen Beruf herum bewältigen. Deshalb macht es Sinn, Fachkompetenzen weiterzugeben – an die Leute, die auf den Baustellen oder beim Kunden vor Ort sind.

War das auch der Anstoß, den Zertifikatslehrgang für Fachbauleiter und Obermonteure (IHK) zu konzipieren und zu etablieren?

Abel: Letztendlich geht es darum, eine dritte Führungsebene aufzubauen, Risikomanagement zu betreiben und wieder mehr Spaß am Handwerk zu haben. Ich muss die Monteure binden und stärken, sie sind das Bindeglied zwischen Büro und Baustelle. Das wurde bislang viel zu wenig beachtet.

Liepolt: Und die stark überlasteten Meister und Chefs werden entlastet, weil die Obermonteure plötzliche viele neue ­Dinge können.

Warum sind Lehrgänge wie dieser für die Zukunftssicherung des Handwerks so wichtig?

Liepolt: Im Kampf um die Arbeitskräfte positionieren sich Unternehmen so als attraktive Arbeitgeber, weil ich mit dieser Zwischenstufe den Gesellen eine Perspektive gebe, die sie bislang nicht hatten.

Abel: Nicht zu vergessen: Obermonteur ist ein heiß begehrter Job, der wird oft in Stellenanzeigen gesucht.

Ich könnte mir denken, dass aktuell nur wenige Handwerksbetriebe gerne ihre Mitarbeitenden zweimal fünf Tage lang auf Schulung schicken möchten.

Liepolt: Wir haben hierfür zwei Lösungsansätze: interne Seminare mit sieben bis zwölf Teilnehmern aus einer Firma, kleinere Firmen schicken ihre Mitar­beitenden in offene Seminare. Entscheidend: Rechnen wir das Potenzial vor, das das Schreiben von Nachträgen oder die professionelle Baustellendokumentation bieten, sehen die Entscheider sehr schnell, wie sich das ruckzuck amor­tisiert.

Ein Beispiel?

Abel: Bei einem europaweit tätigen Kunden haben wir die Rechnung aufgestellt, wie viel Geld er am Ende dank des Lehrgangs verdienen könnte. Also, wie viele Stunden dieser Kunde nachträglich ­schreiben könnte. 360.000 Euro sind als Umsatzpotenzial pro Jahr herausgekommen – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen!

Wenn ich mich morgen für diesen Zertifikatslehrgang anmelde: Was kann ich nach den insgesamt zehn Schulungstagen in meinen Handwerks­betrieb einbringen?

Abel: Die Persönlichkeit. Die Obermonteure stehen ganz anders da, repräsentieren die Firma viel besser nach außen und können – aufgrund des neuen Selbstbewusstseins – Themen wie Nachträge überhaupt wahrnehmen und unterm Strich Mehrwerte für den Betrieb schaffen. Und sie gehen achtsamer und wachsamer auf die Baustelle. Das eigenstän­dige Arbeiten ist das ganz große Plus.

Wem bringt die Schulung mehr: dem Teilnehmer oder dem Chef?

Liepolt: Eigentlich ist es ein Win-win-win. Der Kunde profitiert von einer besseren Ausführung, der Chef profitiert von Entlastung und mehr Marge und der Mitarbeiter profitiert von einem neuen Karriereweg.

Abel: Was, wenn ich als Handwerker nicht ins Büro gehen, aber mehr Verantwortung tragen will? Wir geben jetzt den Raum zur Entfaltung!

Plaudern Sie doch bitte aus dem Nähkästchen: Bei welchem Themenblock kommen die Teilnehmer am meisten ins Schwitzen und warum?

Liepolt: Themen wie VOB, Nachträge und Kommunikation saugen alle auf und nehmen es direkt mit. Wirklich ins Schwitzen kommen sie, wenn sie ein Projekt sauber durchplanen sollen.

Wie intensiv lässt sich in diesen zehn Tagen das unternehmerische Denken vermitteln?

Liepolt: Wir schaffen eine Sensibilität dafür, der Blick wird geschult. Die Arbeitnehmerseite versteht die Arbeitgeber­seite plötzlich viel besser.

Abel: Das Wichtigste ist, dass wir Klarheit und Transparenz schaffen. Der Mitarbeiter versteht jetzt, was zwischen Büro, Baustelle und Kunde passiert. Und er weiß jetzt, dass er einen wichtigen Teil zum Erfolg bei­tragen kann. Er ist ein Teil des großen Ganzen und wichtig im Gesamtkontext.

Der Zertifikatslehrgang auf einen Blick

„Essenzielles Wissen zum Führen der Baustelle, noch dazu in kurzer, knapper Zeit.“

Dirk Abel, Jahrgang 1977, ist Handwerkschef und Elektrotechnikermeister und möchte gemeinsam mit Leadership-Experte Peter Liepolt, Jahrgang 1967, Gesellinnen und Gesellen im Handwerk eine neue Perspektive bieten und Unternehmerinnen und Unternehmer vom Stress befreien. „In meinem eigenen Elektro-Betrieb habe ich gesehen, dass Fachkräfte unbedingt geschult werden müssen – das Ergebnis ist jetzt der Zertifikatslehrgang Fachbauleiter/Obermonteur (IHK)“, so Abel. „Also aus der Praxis für die Praxis.“

Der Lehrgang umfasst zwei Präsenzblöcke je fünf Tage – zum Abschluss absolvieren die Teilnehmer einen Test bei der IHK. Im März 2022 fand der erste Zertifikatslehrgang statt, 2023 soll der hundertste Fachbauleiter sein Zertifikat erhalten. Zudem werden Abel und Liepolt ab 2024 eine sogenannte Masterclass für vorausschauende Chefs anbieten.