Immobilien, Steuerbescheid und Steuerstrategien
Viele Eigentümer haben den Grundsteuerbescheid längst vorliegen, andere haben die Feststellungserklärung noch nicht abgegeben, obwohl der Termin längst verstrichen ist. handwerk magazin sprach mit Grundsteuer-Experte Alexander Müller von der Buhl Tax Service GmbH, welche Möglichkeiten es jetzt noch gibt und warum sich niemand aus Bequemlichkeit auf eine Steuerschätzung einlassen sollte.
Die Grundsteuerreform steht in der Kritik. Einige Experten befürchten, dass die Neuregelungen in mehreren Bundesländern verfassungswidrig sein könnten. Wie sollten Immobilieneigentümer reagieren?
Müller: Die Fristen für die Abgabe der Feststellungserklärungen sind vorbei. Offenbar fehlen aber noch über eine Million Grundsteuer-Erklärungen. Inzwischen haben allerdings auch schon viele Immobilieneigentümer einen Bescheid erhalten, aus dem die Bemessungsgrundlage für die künftige Grundsteuer hervorgeht. Offenbar haben zahlreiche Steuerzahler schon auf die Bedenken von Experten reagiert: Bei den Finanzämtern sind laut Veröffentlichung in den Medien bisher rund drei Millionen Einsprüche eingegangen. Die Finanzämter sind anscheinend angehalten, diese zunächst liegen zu lassen. Hintergrund ist, dass bereits Verfahren in den Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Berlin und Brandenburg laufen. Da macht es Sinn, wenn noch möglich, Einspruch einzulegen.
Was wird in erster Linie kritisiert?
Zum Beispiel ist es fraglich, ob die Bodenrichtwerte – die für die Bemessungsgrundlage der neuen Grundsteuer relevant sind – den Markt realistisch spiegeln. Sie basieren auf den Angaben von Gutachter-Ausschüssen, die jedoch nicht für jeden Einzelfall repräsentativ sein müssen. Man könnte sagen, hier wird grob über den Daumen geschätzt. Falls ein oberes Gericht diesen Ansatz in Frage stellt, fehlt es an der korrekten Grundlage der Berechnung der Steuer.
Problematisch ist dabei, dass einige Länder vom Bundesmodell abweichen. Doch nicht alle Modelle gelten als schlecht oder gar verfassungswidrig. Aber es gibt eben erst in wenigen Ländern anhängige Verfahren. Wer in einem dieser Länder wohnt, kann Einspruch beim Finanzamt einlegen und als Begründung darauf verweisen. Wer woanders lebt, kann versuchen, trotzdem auf die anhängigen Verfahren zu verweisen und Einspruch einlegen. Lehnt das Finanzamt ab, bleibt dann leider nur der Weg zum Gericht. Aber der erste Schritt, also Einspruch beim Finanzamt einzulegen, ist kostenlos und kann also nicht schaden. Ein Einspruch muss nur begründet sein, wobei Steuerzahler eine Begründung auch nachreichen können. Wichtig für einen Einspruch: Die Frist beträgt nur einen Monat nach Zustellung der Feststellungsbescheide.
Stichwort Nachreichen: Über 80 Prozent der Immobilieneigentümer haben ihre Feststellungserklärung bereits abgegeben wie vorgesehen. Aber was machen jene, die es bisher nicht geschafft haben. Können Sie noch nachziehen?
Das müssen sie sogar. Jeder Immobilieneigentümer ist dazu verpflichtet. Und nach den Steuergesetzen bleibt man auch trotz einer Schätzung durch das Finanzamt weiter dazu verpflichtet, die Feststellungserklärung einzureichen. Eine Schätzung sollte man allerdings tunlichst vermeiden. Das Finanzamt orientiert sich zwar an den vorliegenden Daten, aber im Zweifel legen die Beamten die Werte zu Gunsten des Staats aus. Das heißt: Der Wert der Immobilie könnte höher ausfallen, das erhöht dann auch die Grundsteuer.
Und bei einem Schätzungsbescheid wird es schwieriger mit dem Einspruch. Kurz gesagt kann das Finanzamt den Einspruch mit der Begründung ablehnen, dass man erstmal seine Pflichten erfüllen soll – also die Erklärung mit den korrekten Daten einreichen. Wer das nun als Tipp versteht, dass man die Abgabe der Erklärung doch verzögern kann, der sollte aufpassen. Denn es droht ja auch ein Verspätungszuschlag. Je länger man mit der Abgabe wartet, desto höher kann dieser ausfallen. Und das Finanzamt hat sogar noch weitere Möglichkeiten: Es kann ein Zwangsgeld festsetzen, um die Abgabe der Erklärung zu forcieren. Immerhin: Das Zwangsgeld wird zuerst nur angedroht mit einer letztmaligen Frist zur Abgabe. Versäumt man auch diese, wird das Zwangsgeld festgesetzt und kann vom Finanzamt eingetrieben werden.
Viele Steuerzahler haben ihren Bescheid bereits vor Wochen oder Monaten erhalten. Deren Einspruchsfrist ist vorbei. Welche Möglichkeiten bleiben?
Sie können nichts mehr unternehmen, das ist zu spät. Sie können nur abwarten, wie die Finanzämter auf die kommenden Urteile der Gerichte reagieren. Derzeit sind die Finanzgerichte am Zug. Nach einem Urteil kann es sein, dass sich noch der Bundesfinanzhof mit der Reform beschäftigen muss – was aber noch Jahre dauern kann. Von diesen Urteilen hängt es dann ab, ob die Bundesregierung nochmals nachbessern muss. Gelten eigene Ländermodelle kommt es auch auf die Gangart im jeweiligen Bundesland an.
Nur wenn der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Urteil eindeutig Kritik an der jeweiligen Regelung übt, geraten die Finanzverwaltung und die Regierung unter Druck. Theoretisch kann die Finanzverwaltung auch mit einem sogenannten „Nichtanwendungserlass“ reagieren. Dann würde die Grundsteuer ab 2025 auf Basis der geltenden Regeln erstmal erhoben und die Gerichtsurteile ignoriert.
Ein wünschenswerter Schritt wäre, dass die Finanzverwaltung in allen Bescheiden einen sogenannten „Vorläufigkeitsvermerk“ aufnimmt. Ein Einspruch durch die Steuerzahler wäre dann nicht mehr nötig, weil die Vorläufigkeit dann für alle gleichermaßen gilt. Voraussetzung wäre allerdings ein laufendes Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH). Und das gibt es derzeit noch nicht.
Ab 2025 fällt die neue Grundsteuer an. Experten rechnen damit, dass es künftig für die Immobilienbesitzer teurer werden dürfte?
Das ist zu befürchten. Die Kommunen wissen zwar, dass die neue Grundsteuer aufkommensneutral sein soll. So wurde es von der Politik versprochen. Das heißt: Für einige Immobilienbesitzer wird es teurer, aber für andere auch günstiger. Doch im vergangenen Jahr erhöhte beispielsweise in NRW jede vierte Gemeinde den Hebesatz, eine Stellschraube, um am Ende doch mehr zu kassieren. Bundesweit schnellten die Werte um fünf Prozent in die Höhe. Das ist sehr viel, deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. 2023 dürfte der Trend weitergehen. Insgesamt müssten die Hebesätze, um Aufkommensneutralität zu gewährleisten, tendenziell eher sinken. Das ist nicht der Fall.