Handwerk-Workation mit Team Auslandseinsatz am Urlaubsort: Steuern, Arbeitsrecht und Sozialversicherung beachten

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Arbeiten an einem Urlaubshotspot ist en vogue. Doch was beachten Chefs, wenn sie ihre Teams ins Ausland schicken? Neben steuerlichen Hürden behalten sie arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Vorgaben im Blick. Wie Unternehmer ihren Auslandseinsatz rechtssicher vorbereiten, erklärt Rechtsanwalt Dr. Axel Boysen von Fragomen Global LPP in Frankfurt am Main.

Chefs nehmen für sich und ihre Mitarbeiter Arbeitnehmerentsendemeldung und A1-Bescheinigung vor, bevor sie sie mit auf Workation ins EU-Ausland nehmen. Darüber hinaus sollte man einige rechtliche Fallstricke und Ausnahmeregeln kennen.
Chefs nehmen für sich und ihre Mitarbeiter Arbeitnehmerentsendemeldung und A1-Bescheinigung vor, bevor sie sie mit auf Workation ins EU-Ausland nehmen. Darüber hinaus sollte man einige rechtliche Fallstricke und Ausnahmeregeln kennen. - © bill_17 - stock.adobe.com
Herr Dr. Boysen, wie geht ein Handwerkschef mit Ferienimmobilie im Ausland vor, der gelegentlich an seinem Urlaubsort aktiv ist und für manche Aufträge sogar Teile seines Teams mitnimmt?

Vier Risikogebiete müssen dem Handwerkschefs prinzipiell bewusst sein, wenn er mit dem Team am Urlaubsort arbeiten möchte:

  • Zunächst greift natürlich das Arbeitserlaubnisrecht. Dies bedeutet, Chef und Team müssen eine Arbeitserlaubnis vorweisen können.

  • Zwar darf ich als Unternehmer innerhalb der EU von Personenfreizügigkeit ausgehen, dennoch muss ich eine Arbeitnehmerentsendemeldung vornehmen, um das Team legal für den Arbeitseinsatz an den Urlaubsort zu schicken.

  • Zudem muss ich mich mit der A1-Bescheinigung um die sozialversicherungsrechtliche Absicherung kümmern und nachweisen, dass meine Leute, die ich mitnehme, in Deutschland vollumfänglich sozialversichert sind.

  • Und zu guter Letzt gibt es natürlich eine Reihe von Steuerfragen zu klären: unter anderem, ob ich unternehmenssteuerpflichtig werde mit den Erträgen aus der unternehmerischen Tätigkeit im Ausland. Spannend ist hier vor allem die Frage, ob ich als Chef mit meiner Tätigkeit am Urlaubsort eine steuerrechtliche Betriebsstätte begründe, was zu einer Besteuerung vor Ort führen würde, unabhängig davon, ob der Gewinn bereits im Heimatland besteuert wurde.
Könnten Sie uns eventuell ein Beispiel nennen?

Nehmen wir den Aufenthalt eines Handwerksunternehmers und seiner Mitarbeiter in Italien oder Spanien als Beispiel: Alle Teammitglieder, die für den Aufenthalt am Urlaubsort ausgesucht wurden – der Chef besitzt dort eine Ferienimmobilie, daher hat er die Kontakte vor Ort - sind deutscher Nationalität und haben ihren Stammarbeitsplatz in Deutschland. Nun begleiten sie den Chef nach Italien. In unserem Fall handelt es sich um eine Tischlerei, der Betrieb soll Einbaumöbel in eine große Ferienwohnungsanlage einbauen. Immigrationsrechtlich darf er mit seinem Team ohne Probleme in Italien oder Spanien arbeiten. Nach EU-Vorgaben genießen die Handwerker mit deutscher Nationalität oder auch mit Nationalität eines anderen EU-Mitgliedstaates am Urlaubsort Personenfreizügigkeit. Das heißt, als Chef benötigen Sie für sich und Ihre Leute kein Visum und keine Aufenthaltserlaubnis.

Gibt es Ausnahmefälle? Etwa wenn Mitarbeiter nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen?

Tatsächlich kann es sich anders darstellen, wenn Sie Staatsangehörige aus Drittländern beschäftigen, also Mitarbeiter mitnehmen möchten, die nicht in der EU gemeldet sind.  Wenn Sie zum Beispiel auch den türkischen Mitarbeiter auf der italienischen Baustelle beschäftigen möchten. Dieser besitzt dann zwar die Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für Deutschland, aber nicht für das EU-Ausland. Dies wäre dann ein Fall für ein sogenanntes Vander-Elst-Visum. Dabei handelt es sich um ein Visum, das nicht auf nationalem Recht beruht, sondern auf einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Aktenzeichen C-43/93).

Damals hatte sich der belgische Unternehmer Vander Elst mit französischen Behörden gezankt, ob marokkanische Staatsbürger mit Aufenthaltstitel und Arbeitserlaubnis für Belgien berechtigt sind, in seinem Auftrag Abbrucharbeiten auf einer französischen Baustelle vorzunehmen. Dieses Visum gilt für Nicht-EU-Bürger, die einen Aufenthaltstitel in einem EU-Land haben und erlaubt ihnen, in einem anderen EU-Land zu arbeiten. Das Visum muss aber separat beantragt werden und zwar bei der Auslandsvertretung des Einsatzlandes in dem Staat, für den der Mitarbeiter bereits eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis hat. Das wäre am Beispiel des türkischen Mitarbeiters also die italienische Auslandsvertretung in Deutschland.  

Und was hat es mit der Arbeitnehmerentsendemeldung auf sich?

Für EU-Bürger gilt: Sie halten sich an die EU-Arbeitnehmerentsenderichtlinie und das Arbeitnehmerentsendegesetz. Damit einher geht mancherorts die Verschränkung von A1 und Arbeitnehmerentsendemeldung. Zunächst muss ich als Unternehmer die Arbeitnehmerentsendemeldung erledigen. Im Fall des Handwerkers mit Auftrag in Italien wäre dies eine elektronische Meldung an das Arbeits- und Sozialministerium spätestens am Tag vor der Einreise. Wie die Meldung im Detail auszusehen hat, wird in jedem Staat anders gehandhabt, Sie können aber davon ausgehen, dass Sie vorwiegend über angesteuerte Online-Plattformen vorzunehmen ist. Wichtig zu wissen: Es handelt sich nicht um eine Arbeitnehmerverpflichtung, sondern um die des Arbeitgebers.

Was wollen die Länder wissen, in denen der Arbeitseinsatz stattfinden soll?

Die jeweiligen Länder möchten für die Identitätsklärung wissen: Um welche Person handelt es sich, wo soll sie genau arbeiten, und was genau soll sie am genannten Ort arbeiten. Auch ist zu klären, wie die Person tätig sein wird und es geht natürlich auch darum, wie viel der Arbeitnehmer verdient. Daher sind Arbeitnehmer verpflichtet, den Entgeltnachweis in Form von Gehaltsnachweisen oder Arbeitsverträgen mit sich zu führen, um im Fall von Kontrollen auf einer Baustelle vor Ort gegenüber Inspekteuren auskunftsfähig zu sein. Alternativ benennt der Unternehmer einen Repräsentanten, auf den der Inspekteur bei Kontrollen zugehen kann und der alle Dokumente der Belegschaft vorlegen kann. Das ist bürokratisch, aber das muss man machen, um sich am Urlaubsort rechtssicher zu bewegen. Im Übrigen wäre noch wichtig zu erwähnen, dass die Meldungen möglichst zu erledigen sind, bevor der Einsatz beginnt. Denn man muss davon ausgehen, dass man überprüft wird.

Auf welche Besonderheiten in den verschiedenen EU-Ländern kann man sich als Unternehmer einstellen?

In Spanien zum Beispiel sind die einzelnen Regionen administrativ eigenständig. Wer also in Spanien arbeiten möchte mit seinem Team muss sehr genau hinsehen, was in der jeweiligen Region gilt und kann sich nicht auf eine einmalige Recherche für eine bestimmte Region verlassen. Inwieweit die Rechtsdurchsetzung vor Ort erfolgt, ist unterschiedlich. Österreich, Spanien, Belgien und Frankreich gelten als Länder, die Ausländer besonders streng kontrollieren. Es gibt Länder, da ist der Normenvollzug nicht ganz so rigide. Wer kontrolliert wird und nicht alle Dokumente vorlegen kann, muss mit Bußgeldern rechnen, oder man wird - je nach Landesrecht - von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen. Das kann vergaberechtlich ein echter Nachteil sein.

Inwieweit unterscheidet sich dieses Vorgehen gegenüber der Mitarbeiterentsendung ins Ausland, bei der der Betrieb ja nun in der Regel keine Ferienimmobilie vor Ort hat?

Es macht keinen Unterschied, ob der Chef zuhause am Schreibtisch sitzen bleibt und sein Team losschickt oder ob er mit dem Team gemeinsam am Urlaubsort aktiv wird. Das ist formal unerheblich und in beiden Varianten gleich. Steuerrechtlich kann es allerdings einen Unterschied machen.

Was hat es mit der A1-Bescheinigung auf sich. Gibt es etwa zeitliche Begrenzungen für den Aufenthalt?

Die Sozialversicherungsverordnung der EU gibt die Vorlage der A1-Bescheinigung vor. Aus dieser Verordnung ergibt sich Kraft Gesetz, dass jemand, der in einem Land angestellt und in einer Sozialversicherung gemeldet ist, auch dann sozialversichert in Deutschland bleibt, wenn er oder sie zeitlich befristet im Ausland tätig wird. Letztlich dient die A1-Bescheinigung den Kontrolleuren am Urlaubsort als Nachweis, dass Sozialversicherungsbeiträge bereits in Deutschland abgeführt wurden. Wichtig ist, dass der Arbeitsaufenthalt zeitlich begrenzt ist auf 24 Monate. Wenn der deutsche Arbeitnehmer dann wie in unserem Beispiel in Italien arbeitet, muss er dort keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlen.

Wie komme ich an eine A1-Bescheinigung?

Die A1-Bescheinigung kann der Chef online über das SV-Meldeportal beantragen. Achtung: Es gibt sie als Einzelnachweis, aber auch als Nachweis für wiederkehrende Entsendungen, etwa wenn der Arbeitnehmer mehrfach in Italien oder auch in verschiedenen Ländern in verschiedenen Zeiträumen tätig ist. Die A1-Bescheinigung lässt sich im Übrigen auch kurzfristig beantragen.

Heißt das, ich kann die A1-Bescheinigung theoretisch am Tag vor der Abreise beantragen?

Tatsächlich wäre dies kein Problem, weil Sie als Unternehmer aus dem Online-System, über das Sie den Antrag stellen, eine Beantragungsbescheinigung generieren können, die als Nachweis gilt, dass die A1-Bescheinigung demnächst vorliegt. Das Compliance-Risiko ist bei der A1-Bescheinigung generell niedriger als bei der Arbeitnehmerentsendemeldung. Bei einer Kontrolle könnte die A1-Bescheinigung in der Regel mit einer Frist von 14 Tagen nachgereicht werden. Ausnahme ist lediglich Österreich. Hier werden Entsendemeldung und Vorlage der A1-Bescheinigung gemeinsam geprüft, entsprechend muss man Kontrolleuren auch beides vorlegen. Besser ist ohnehin, Sie halten alles parat. Denn der Aufwand, die Dinge nachzureichen, ist nicht zu unterschätzen.

Was muss der Unternehmer beachten, der etwa den Arbeitnehmer aus einem Drittland erst wenige Wochen im Team hat, ihn aber mit auf die ausländische Baustelle nehmen möchte?

Die Sozialversicherung innerhalb der EU unterliegt bestimmten Mindestvoraussetzungen. Es gilt etwa die Monats- oder Vier Wochen-Frist, die der Arbeitnehmer vor der Entsendung in ein anderes EU-Land in Deutschland sozialversichert sein muss. Nehmen wir als Beispiel wieder den türkischen Arbeitnehmer, der erst zwei Wochen in Deutschland ist und im Betrieb arbeitet. Der ist nach dieser kurzen Zeit weder in Deutschland noch im Land sozialversichert, in dem die Workation stattfinden soll. In diesen Fällen kann der Unternehmer für seinen türkischen Arbeitnehmer eine Antragsversicherung vornehmen.

Was gilt eigentlich für den Unternehmer selbst? Was muss er beachten?

Wer mit dem Team am Ferienort arbeitet, muss auch für sich selbst die entsprechenden Nachweise und Dokumente besorgen. Er braucht eine posted worker notification, also eine Nachricht über sich als entsandten Arbeitnehmer. Und auch er braucht eine A1- Bescheinigung der Sozialversicherung.

Welche steuerlichen Risiken muss ich als Unternehmer kennen, wenn ich mit dem Team am Ferienort arbeite?

Es gibt in diesem Fall das Betriebsstättenrisiko. Ist die Betriebsstätte am Ferienort erst einmal begründet, greift das Besteuerungsrecht des jeweiligen Landes – selbst wenn der Betrieb in Deutschland steuerpflichtig ist. Handwerker sollten daher darauf achten, möglichst keine Betriebsstätte am Ferienort zu unterhalten.  Denn die Besteuerung von Betriebsstätten ähnelt immer mehr der einer voll gegründeten Gesellschaft vor Ort. In den letzten 15 Jahren ist hier ein politischer Trend zu erkennen, um steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten etwa in Form von Gewinn-Verschiebungen zu verhindern.  

Wie sorge ich als Chef dafür, dass meine Urlaubs-Baustelle nicht zur Betriebsstätte wird?

Ich dehne die unternehmerische Aktivität am Urlaubsort nicht zu lange aus und halte die entsprechenden Fristen ein, die je nach Land sehr unterschiedlich sein können. Eine Gefahr ist auch, vor Ort zum Beispiel Verträge abzuschließen, womöglich über einen Vertreter mit eigenem Büro. Dies wäre dann ein Betriebsstättenbegründungstatbestand. Die Doppelbesteuerungsabkommen helfen in so einem Fall nicht weiter. Stattdessen führt die doppelte Besteuerung zu einer Gewinnerosion, die man dringend vermeiden sollte.

Mit welcher Vorbereitungszeit muss der Chef rechnen, um alle Formalien zu erfüllen, ehe er seine Mitarbeiter auf „Workation“ schicken kann?

Die Entsendemeldung ist schnell gemacht, die A1-Bescheinigung bekommen Chefs ebenfalls innerhalb weniger Tage, die Beantragungsbescheinigung sogar zeitgleich mit dem Antrag. Die steuerrechtliche Beurteilung kann allerdings länger dauern. Der konsultierte Steuerberater sollte im Auslandssteuerrecht bewandert sein, das Steuerrecht des Einsatzlandes kennen und eventuell vorliegende Doppelbesteuerungsabkommen auch interpretieren können.

Vielen Dank für das Gespräch!

Unser Interviewpartner

© Team Uwe Nölke | Fotografie &amp

Axel Boysen ist Rechtsanwalt und Managing Partner der Fragomen Global LLP in Frankfurt am Main. Seine Kanzlei beschäftigt sich mit Fragen der innereuropäischen Freizügigkeit. Boysen ist Experte für Mitarbeiterentsendung und Migrationsrecht, er berät Unternehmen verschiedenster Branchen aus dem In- und Ausland.