Internationale Handwerksunternehmen Auslandsentsendungen: So schützen Sie Ihre Mitarbeiter vor Steuernachzahlungen

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Auslandsgeschäft, Entsenderichtlinie und Steuerstrategien

Bei Auslandsentsendungen drohen Arbeitnehmern ungeahnte steuerliche Stolperfallen. Handwerksunternehmer sollten jetzt ein aktuelles BMF-Schreiben kennen – machen Sie sich mit den Neuerungen vertraut, und bewahren Sie Ihre Mitarbeiter vor Nachzahlungen.

Carsten Fels und Boris Fels (re.), Geschäftsführer der Paradiso Systeme GmbH im badischen Neuried-Altenheim, kümmern sich um ihre Mitarbeiter: "Als Vorgesetzte sind wir in der Fürsorgepflicht. Wir versuchen die entsendeten Arbeitnehmer bestmöglich zu umsorgen." - © Blendwerk Freiburg

Fünf Minuten sind es bis zur deutsch-französischen Grenze. Boris Fels, Geschäftsführer der Paradiso Systeme GmbH im badischen Neuried-Altenheim schaut Richtung Rhein. Auf der anderen Flussseite liegt Frankreich, sein wichtigster Markt. „Wir haben uns auf die Überdachung von Schwimmbädern und Terrassen spezialisiert und dafür ein eigenes Profilsystem mit Patent entwickelt“, erklärt der Leiter des Metall- und Fensterbau-Unternehmens. „Dafür ist unsere Lage ideal, Frankreich hat in Europa die meisten Schwimmbäder.“

Zusätzlich ist der Betrieb des 44-Jährigen auch in Österreich, der Schweiz und Luxemburg aktiv – vereinzelt auch in Ungarn, Italien, Kroatien und Spanien. „Dieses Jahr kommt auch noch Schweden dazu: Aktuell haben wir dort drei neue Aufträge bekommen“, freut sich der Chef von 30 Mitarbeitern. „Wir machen 50 Prozent unseres Umsatzes im Ausland – meine Beschäftigten sehen also halb Europa. Man muss wissen, dass wir unseren Kunden ein ‚Full-Service‘-Angebot machen. Das heißt, unsere Mitarbeiter entwickeln, konstruieren, liefern, montieren und warten selbst. Mit der Thematik ‚Auslandsentsendungen‘ haben wir uns also schon sehr früh befasst.“

Immer mehr Handwerker im Ausland tätig

Paradiso ist dabei keine Ausnahme: Grenzüberschreitende Arbeitseinsätze sind in der globalisierten Welt Normalität. Neben Großunternehmen entsenden immer mehr Mittelständler und Handwerksunternehmer Personal ins Ausland. „Allein in Baden-Württemberg sind etwa sieben Prozent der Handwerksbetriebe im Ausland tätig oder exportieren Waren. Weitere rund zwölf Prozent der Betriebe im Land waren zumindest in den vergangenen fünf Jahren in irgendeiner Form im Ausland tätig“, erklärt Michael Rössler, stellvertretender Leiter Handwerk International Baden-Württemberg. „Und der Trend zeigt weiter nach oben – das deutsche Handwerk hat im Ausland einen hervorragenden Ruf, ‚Made in Germany‘ steht immer noch für hohe Qualität.“

Fürsorgepflicht für Handwerksunternehmer

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für diese sogenannten „Expatriates“ sind im Vergleich zu inländischen Arbeitnehmern aber ungleich komplexer. Neben sozial- und versicherungsrechtlichen Aspekten stellen sich insbesondere weitreichende steuerliche Fragen. Gerade bei der Einkommensteuer lauern viele Fallstricke. Arbeitgeber sollten im Rahmen einer Entsendung daher mit Weitblick agieren, um böse Überraschungen zu vermeiden. „Als Vorgesetzter bin ich hier in der Fürsorgepflicht: Welche Dokumente werden benötigt, wie läuft es mit der Fahrtenaufzeichnung, und wo sind die Monteure während ihres Auslandsaufenthalts untergebracht? All diese Fragen klären wir im Vorfeld ab“, betont Fels. „Nicht nur, weil das dieBG Metall und dieBG Handel so fordern, sondern weil ich als Geschäftsführer von Paradiso ein essenzielles Interesse daran habe, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Wir sind aktuell wieder auf der Suche nach Fachkräften, da ist es ein gutes Argument, seine entsendeten Arbeitnehmer bestmöglich zu umsorgen.“

Nachzahlungen an deutschen Fiskus drohen

Zu den angenehmen Dingen einer Auslandstätigkeit der Mitarbeiter zählt oft der Steuersatz im Einsatzland, der häufig niedriger ist als in Deutschland. Doch der deutsche Fiskus lässt Arbeitnehmer nicht so gerne aus seinen Fängen. Die individuellen Rahmenbedingungen von Expatriates nehmen die Finanzämter dabei besonders genau unter die Lupe. „Nicht selten sehen Finanzbeamte wider Erwarten eine Steuerpflicht in Deutschland“, sagt die auf betriebswirtschaftliche Beratung mittelständischer Unternehmen spezialisierte Jennifer Telle, Steuerberaterin der Steuerberatungsgesellschaft WWS in Mönchengladbach mit weiteren Standorten in Nettetal und Aachen. „Neben den Steuerzahlungen im Ausland drohen zusätzlich hohe Nachzahlungen an den deutschen Fiskus.“ Daher sollten alle Beteiligten diesen steuerlichen Brennpunkt im Blick haben und eine Auslandsentsendung sorgfältig vorbereiten.

Finanzamt geht von Wohnsitz in Deutschland aus

Grundsätzlich müssen Expatriates dort Lohnsteuer abführen, wo sie ihren Wohnsitz haben. Die Crux: Auch bei Auslandsaufenthalten kann das hiesige Finanzamt davon ausgehen, dass der Wohnsitz nach wie vor in Deutschland liegt. Aus Sicht der Tätigkeitsstaaten wiederum müssen Arbeitnehmer Steuern und Abgaben stets dort leisten, wo sie ihr Einkommen erzielen. Maßgeblich sind in der Regel die sogenannten „Doppelbesteuerungsabkommen“ (DBA), die der Fiskus mit einem Großteil der wichtigen Industrienationen abgeschlossen hat. Demnach hat derjenige Staat das Besteuerungsrecht, in dem die berufliche Tätigkeit hauptsächlich erfolgt. Voraussetzung für eine Besteuerung ist vor allem, dass Expatriates innerhalb von zwölf Monaten mindestens 183 Tage im Ausland sind.

Besonders knifflig: Manche Länder legen dabei die Anzahl der Anwesenheitstage im Ausland, andere hingegen die Zahl der Arbeitstage zugrunde. Der Zeitraum erstreckt sich zudem nicht zwingend auf ein Kalenderjahr. Firmen und Arbeitnehmer sollten bei der Einsatzplanung die steuerlichen Vorgaben also genau beachten. Ist etwa in einem DBA-Land die Zahl der Arbeitstage maßgeblich, sind Sonn-, Feier- und Urlaubstage für die Berechnung tabu. „Erreicht ein Arbeitnehmer durch einen Rechenfehler das 183-Tage-Limit im Ausland nicht, wird er für das ganze Jahr in Deutschland steuerpflichtig“, mahnt WWS-Steuerberaterin Telle.

BMF-Schreiben sorgt für Klarheit

Ein weiterer Brennpunkt sind Zeiträume, in denen Arbeitnehmer in verschiedenen Staaten tätig sind. Dazu zählen etwa das Entsende- und Rückkehrjahr. Meist ist ein Teil des Entgelts in Deutschland und der andere Teil im Ausland steuerpflichtig. Dazu muss der Arbeitgeber jedes Jahr den Lohn in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil aufteilen. Wie genau die Aufteilung im Lohnsteuerabzugsverfahren zu erfolgen hat, regelt ein aktuelles Schreiben des Bundesfinanzministeriums (Az.: IV C 5 – S 2369/10/10002). Es sorgt für mehr Klarheit und gibt Unternehmen die Möglichkeit, Steuerfallen zu vermeiden. Bei Entsendungen in ein DBA-Land müssen Arbeitgeber zunächst ermitteln, welche Gehaltsbestandteile sich der Arbeitsleistung im In- oder Ausland zuordnen lassen. Dazu gehören etwa Reisekosten, Umzugsvergütungen oder Auslandszulagen.

Vier Prognosemethoden für geleistete Arbeitstage

Alle anderen Zahlungen wie etwa laufende Vergütungen, Urlaubsgeld oder Prämien sind auf die Zeiten im In- und Ausland aufzuteilen. Berechnungsgrundlage sind die geleisteten Arbeitstage, nicht die Aufenthaltstage. Das Problem: Im Vorhinein lässt sich naturgemäß nicht sagen, wie viele Arbeitstage insgesamt anfallen. Arbeitgeber müssen daher eine möglichst realistische Prognose vornehmen.

Laut BMF-Schreiben lässt der Fiskus vier Prognosemethoden zu :

Entweder die Betrachtung der tatsächlichen Arbeitstage im Beschäftigungszeitraum innerhalb eines Kalenderjahres oder im Lohnzahlungszeitraum. Alternativ eine Zugrundelegung der vereinbarten Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahres oder im Lohnzahlungszeitraum. Dabei muss sich die Lohnabteilung i m Kalenderjahr auf eine Methode festlegen. Wurde im laufenden Jahr zu wenig Lohnsteuer abgeführt, droht Arbeitnehmern am Jahresende eine saftige Nachzahlung. „Firmen sollten am Ende des Jahres immer eine Überprüfung der Lohnabrechnung vornehmen“, rät WWS-Expertin Telle. „So können sie Abweichungen erkennen und steuerlichen Überraschungen entgegenwirken.“

Prognosemethoden für das Lohnsteuerabzugsverfahren

Für den laufenden Lohnsteuerabzug während eines Kalenderjahres ist im Voraus natürlich noch nicht klar, wie viele Tage ein Mitarbeiter tatsächlich am Ende im Ausland gearbeitet hat – eine genaue Nennung seiner geleisteten Arbeitstage ist also nicht möglich. Durch das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 14. März 2017 hat der Fiskus diese Unklarheit aber beseitigt und folgende vier Prognose-Methoden für Arbeitgeber zugelassen:

  1. Aufteilung nach tatsächlichen Arbeitstagen im Beschäftigungszeitraum innerhalb eines Kalenderjahres. Anhand der am Ende des einzelnen Lohnzahlungszeitraums bekannten Tatsachen ermitteln Sie die voraussichtlichen tatsächlichen Tage des Arbeitnehmers im In- und Ausland mit einer Prognose und setzen diese ins Verhältnis zu den Gesamtarbeitstagen des gesamten Beschäftigungszeitraums innerhalb des Kalenderjahres. Die maßgeblichen Tage können dadurch ermittelt werden, dass die möglichen Arbeitstage nach Abzug der bekannten Urlaubstage sowie bereits angefallener Krankheitstage angesetzt werden. Künftige Krankheitstage müssen Sie nur dann berücksichtigen, wenn sie voraussichtlich anfallen werden – beispielsweise nach Angabe in einer vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
  2. Aufteilung nach tatsächlichen Arbeitstagen im einzelnen Lohnzahlungszeitraum. Alternativ zur ersten Methode können Sie die tatsächlichen Arbeitstage des einzelnen Lohnzahlungszeitraums für die Aufteilung des Arbeitslohns heranziehen. Am weiteren Vorgehen ändert sich dadurch nichts.
  3. Aufteilung nach vereinbarten Arbeitstagen im Beschäftigungszeitraum innerhalb eines Kalenderjahres. Die für den gesamten Beschäftigungszeitraum innerhalb des Kalenderjahres vereinbarten Arbeitstage im In- und Ausland setzen Sie mit den tatsächlich ausgeübten Arbeitstagen im Ausland ins Verhältnis. Dieser Aufteilungsmaßstab wird auf den einzelnen Lohnzahlungszeitraum angewandt. Ändert sich die Prognose zu den vereinbarten Arbeitstagen (z. B. wegen Änderung der Urlaubsplanung oder Krankheitstagen nach Wegfall der Lohnfortzahlung), ist der neu ermittelte Aufteilungsmaßstab ab diesem Lohnzahlungszeitraum anzuwenden. Die vertraglich vereinbarten Arbeitstage sind die Kalendertage pro Jahr abzüglich Urlaubs- und Wochenendtage (und der Tage ohne Lohnfortzahlung bei Krankheit). Es kommt dabei weder auf die Zahl der Kalendertage (365), noch auf die Steuertage im Kalenderjahr (360) an. Achtung: Im Ausland verbrachte Tage aus privaten Gründen werden bei der Berechnung der steuerfreien Einkünfte nicht berücksichtigt!
  4. Aufteilung nach vereinbarten Arbeitstagen im einzelnen Lohnzahlungszeitraum. Alternativ zur dritten Methode können Sie ähnlich wie bei der zweiten Methode die vereinbarten Arbeitstage des einzelnen Lohnzahlungszeitraums für die Aufteilung des Arbeitslohns heranziehen. Auch hier ändert sich dann nichts am weiteren Vorgehen.

Hinweis: Ein Wechsel der Prognosemethoden innerhalb eines Kalenderjahres ist nicht erlaubt!

Genaue Dokumentation ist Pflicht

Eine beweissichere Dokumentation ist in jeden Fall Pflicht. Unternehmen müssen bei der Entgeltaufteilung genau belegen können, zu welcher Zeit ein Mitarbeiter seine Arbeit an welchem Ort geleistet hat. Nur so lassen sich Vorbehalte der Finanzbehörden zuverlässig ausräumen. Firmen müssen die Vorgaben im neuen BMF-Schreiben spätestens für Lohnzahlungszeiträume nach dem 31. Dezember 2018 anwenden. Sie sollten mit ihrem steuerlichen Berater abklären, ob eine Anwendung vor diesem Stichtag sinnvoll ist. Dazu sollten sich Personalverantwortliche frühzeitig mit den neuen Regelungen vertraut machen und ihre Abläufe in der Lohnabrechnung entsprechend anpassen.

Boris Fels hat dagegen für seinen Betrieb eine andere Lösung gefunden. Er setzt für seine Beschäftigten auf ein „rollierendes Verfahren“: „Jeder Mitarbeiter ist bei uns sowohl in der Produktion in Neuried-Altenheim, als auch als Monteur im Ausland tätig“, erklärt der Geschäftsführer des Metallbauunternehmens, das 2018 sein 25-jähriges Bestehen feiert. „Dadurch ist garantiert, dass kein Arbeitnehmer in die Nähe der kritischen Zone von 183 Tagen im Ausland kommt. Die Besteuerung geschieht also auf jeden Fall nach deutschem Steuerrecht.“

Kurz-Checkliste: Arbeitsvertrag bei Auslandsentsendungen

Ist der Auslandsaufenthalt eines Mitarbeiters länger als ein Monat, müssen einige Änderungen im Arbeitsvertrag vorgenommen werden – auch wenn der Arbeitsvertrag grundsätzlich bestehen bleibt. Folgendes müssen Sie laut Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main schriftlich festhalten:

  • Dauer des Auslandsaufenthalts
  • Währung des Arbeitsentgeltes, zusätzlichen Entgeltes und für Sachleistungen
  • Gültigkeit des deutschen oder des jeweiligen ausländischen Rechts
  • Bedingungen für Rückkehr nach Deutschland

    Achtung: Ist ein Betriebsrat vorhanden, muss dieser ebenfalls der Entsendung des Arbeitnehmers zustimmen!