Fachkräfte aus Drittländern Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Wie Betriebe Handwerker aus dem Nicht-EU-Ausland anheuern

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Arbeitsrecht und Fachkräftemangel

Die Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes soll es Betrieben leichter machen, an qualifizierte Mitarbeiter aus Nicht-EU-Staaten zu kommen. Die sollen dann schon hier arbeiten dürfen, obwohl das Anerkennungsverfahren noch läuft.

Dierk Lause, Geschäftsführer der HTB Haustechnik GmbH Brandenburg in Brandenburg an der Havel, mit dem neuen SHK-Fachmann Želimir Miličević aus Bosnien (rechts).
Dierk Lause, Geschäftsführer der HTB Haustechnik GmbH Brandenburg in Brandenburg an der Havel, mit dem neuen SHK-Fachmann Želimir Miličević aus Bosnien (rechts). - © Fabian Zapatka

Für Unternehmer Dierk Lause, Geschäftsführer der HTB Haustechnik GmbH Brandenburg mit Sitz in Brandenburg an der Havel, war klar: „Wir brauchen Fachkräfte!“ Und: „Wenn wir sie auf dem heimischen Arbeitsmarkt nicht finden, warum nicht aus Drittstaaten rekrutieren?“ Drei Mitarbeiter aus Bosnien beschäftigt er in seinem Betrieb: „Ich kann anderen Unternehmern nur empfehlen, keine Scheu vor bürokratischen Hürden zu haben“, meint er. „Denn“, davon ist er überzeugt: „Eine Stelle nicht zu besetzen ist teurer, als Geld für qualifizierte Mitarbeiter aus einem Nicht-EU-Land in die Hand zu nehmen.“

Zu Lauses Kunden gehören private Auftraggeber ebenso wie die Industrie oder auch soziale Einrichtungen, die er mit seinem Team mit moderner Heizungs- und Sanitärtechnik versorgt. Er war sofort dabei, als er von der Handwerkskammer Potsdam (HWK) und dem Fachverband angesprochen wurde, ob er nicht bosnische Fachkräfte anwerben wolle. „Wir hatten Vakanzen, da kam uns die Initiative genau recht“, so der Unternehmer. Der Bezirk seiner Kammer ist Projektregion für „HabiZu – Handwerk bietet Zukunft“, das gemeinsam mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der sequa gGmbH in Kooperation mit der bosnisch-herzegowinischen Arbeitsverwaltung umgesetzt wird. Partner sind neben der HWK Potsdam (Schwerpunkt Anlagenmechanik für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik) die HWK für München und Oberbayern (Metallbau), die HWK Koblenz (Elektro) sowie der Bundesverband Metall, der Zentralverband Sanitär Heizung Klima und der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke. Ab 2024 soll ein Nachfolge-Projekt beginnen, das HabiZu-Erfahrungen und Strukturen nutzt, um Fachkräfte voraussichtlich aus Indien, den Philippinen oder Mexiko nach Deutschland zu bringen.

HabiZu übernimmt Formalitäten

Der Aufwand, die drei Neuen nach Potsdam zu holen, war für Lause dank HabiZu überschaubar. Die Projektverantwortlichen präsentierten ihm potenzielle Kandidaten, nachdem sie bereits deren berufliche Qualifikation und das Interesse, in Deutschland zu arbeiten, abgeklopft hatten. „Wir haben Skype-Interviews mit den Bewerbern geführt, die daraufhin noch in der Heimat am Goethe-Institut einen Intensiv-Deutschkurs belegten“, erklärt Lause den Auswahlprozess, der dem mit einem deutschen Kandidaten glich. Die Chemie müsse stimmen, ebenso die im Ausland erworbenen Abschlüsse. Wir benötigen echte Fachkräfte. Für die Rekrutierung von Hilfsarbeitern können wir auch Zeitarbeitsfirmen für uns aktiv werden lassen“, betont der SHK-Chef.

HabiZu kümmerte sich um die Zulassung zum deutschen Arbeitsmarkt sowie die Ausreise des neuen Mitarbeiters in Absprache mit der Arbeitsverwaltung in Bosnien und Herzegowina und der deutschen Botschaft in Sarajevo. „In gewisser Weise handelt es sich um ein Rundum-sorglos-Paket für Betriebe“, sagt der Unternehmer. Deshalb nahm er die 2.500 Euro pro Mitarbeiter gern in die Hand – sie inkludieren sprachliche Qualifizierung, das Anerkennungsverfahren und die Integrationsbegleitung durch die Kammer. „Denn“, so gibt er zu bedenken, „wie soll ein Betriebschef all die Formalitäten im Alleingang klären?“ Nur die Wohnungen hat er für die Mitarbeiter besorgt und je ein Diensthandy bereitgestellt. Nun wäre aus seiner Sicht für die drei noch ein B2-Deutschkurs wünschenswert. Das B1-Level haben sie schon.

Berufliche Integration

Einer von Lauses Neuen, Želimir Miličević, hat inzwischen seine Familie bei sich und war erster SHK-Fachmann im Rahmen des Projekts der HWK Potsdam, der nun seine Berufsanerkennung in Händen hält. Diese sei übrigens auch für die Außenwirkung wichtig: „Wir schicken Fachkräfte zu unseren Kunden, keine Ungelernten“, so Lause. Allen dreien – die zwei anderen durchlaufen im Zug des HabiZu-Projekts noch das berufliche Anerkennungsverfahren – hat er einen Meister zur Seite gestellt, damit die berufliche Integration gelingen kann. „Ehrliche Kommunikation ist hier die Devise“, sagt Lause.

555 Kilometer weiter südlich beschäftigt auch Unternehmer Kilian Schramm, Geschäftsführer der SHK-Firma Hans Schramm GmbH in München, Fachkräfte aus Drittländern. 50.000 Privatkunden und 500 Hausverwaltungen zählt er zu seinem Kundenkreis. „München ist prädestiniert für bosnische Fachkräfte, in knapp acht Stunden ist man an der Grenze“, erklärt er. Familiennachzug sei kein Thema: „Meine Leute fahren lieber übers Wochenende nach Hause, statt sich dem teuren Wohnungsmarkt zu stellen“, erklärt er. Besonderheit: Er rekrutiert Fachkräfte über seine eigene Recruiting-Sparte. Inzwischen versorgt er mit einem fünfköpfigen Team 50 andere Unternehmen bundesweit, die auf der Suche nach Fachpersonal sind, das die rechtlichen Auflagen erfüllt: Deutschkenntnisse auf B1-Niveau, Visa, Anerkennung der beruflichen Qualifizierung. „Ist der Prozess einmal aufgesetzt, läuft das einfacher“, sagt Schramm und verweist auf Besonderheiten, die innerhalb eines Drittlands auftreten können. „Wir rekrutieren etwa lieber Leute aus Tuzla als aus Sarajevo, weil wir dort ganz einfach bessere Beziehungen zu Behörden und Berufsschulen aufbauen konnten.“

Das ist neu: Die wichtigsten Regeln auf einen Blick

Mit dem novellierten Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FKE) müssen ausländische Fachkräfte mit Berufserfahrung nicht mehr zwingend zuvor ein Anerkennungsverfahren durchlaufen. Sie können dies parallel zu ihrer Berufstätigkeit anstoßen. Die Eckpunkte:

  • Arbeitsmarkteinstieg: Anders als bisher kann das Anerkennungsverfahren begonnen werden, wenn die Fachkraft bereits in Deutschland ist. Im Gegenzug kann die Fachkraft in Deutschland vom ersten Tag an eine Beschäftigung aufnehmen.
  • Öffnung für Asylbewerber: Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind, eine entsprechende Qualifikation und ein Arbeitsplatzangebot haben oder bereits ein Arbeitsverhältnis eingegangen sind, können ihr Asylverfahren beenden und eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen.
  • Familiennachzug: Auch den Eltern einer Fachkraft soll eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erteilt werden können. Gleiches gilt für die Schwiegereltern der Fachkraft, wenn der Ehepartner sich dauerhaft in Deutschland aufhält.
  • Chancenkarte: Mit der Chancenkarte (siehe rechts) sollen Interessierte aus Drittstaaten für ein Jahr nach Deutschland einreisen können. Bestimmte Kriterien müssen erfüllt sein.
  • Westbalkan-Regelung: Die Befristung endet, das Kontingent wird von bisher 25.000 auf 50.000 Staatsangehörige aus den sechs West­balkanstaaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien verdoppelt. Sie können ohne berufliche Qualifikation für eine Beschäftigung einreisen.

Die Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sehen sowohl Lause als auch Schramm positiv. „Im Schnitt rechnen wir mit zwölf Monaten, ehe der Neue als gleichwertige Fachkraft arbeiten kann. Mit dem neuen Gesetz geht es hoffentlich schneller“, sagt Schramm. Lause äußert sich aber auch kritisch: „Fachkräfte-Rekrutierung darf nicht mit Asyl- und Migrationspolitik vermengt werden.“ Er spricht hier den mit der Novellierung vorgesehenen Spurwechsel für Asylanten an, die mit Rücknahme des Asylantrags eine Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausübung beantragen können sollen. Jan Dannenbring, beim ZDH in Berlin als Abteilungsleiter zuständig für Arbeitsmarkt und Tarifpolitik, bestätigt: „Vom gesetzgeberischen Handeln finden wir die Novellierung durchweg gut.“ Allerdings gebe es nach wie vor viele Fragezeichen bei der Umsetzung der teils recht zeitintensiven Abfolgen vor Ort. In ländlichen Regionen etwa seien die Ausländerbehörden schon jetzt völlig überfordert. Dabei müssten sie deutlich schneller werden, um die notwendigen Aufenthaltstitel auszustellen.

Wenn man nicht gerade wie Unternehmer Lause über HabiZu neue Leute rekrutiert oder wie Schramm die Abläufe über ein eigenes Team bündeln kann, gestaltet sich die Praxis drei Jahre nach Einführung des FKE nach wie vor schwierig. Andreas Anschütz, bei der Handwerkskammer München Ansprechpartner für das Anerkennungs­gesetz, sieht in der Praxis: „Viele Betriebe winken ab, weil die Abläufe, denen sich Chef und Neuankömmlinge stellen müssen, viel zu komplex sind.“ Ärgerlich, denn gerade kleine und mittlere Unternehmen hätten den Fachkräfte-Nachschub aus Dritt­ländern dringend nötig, angesichts des anhaltenden Mangels auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Laut Fachkräftemonitoring sind 2026 insgesamt etwa 240.000 Arbeitsplätze mehr zu besetzen, als Arbeitskräfte verfügbar sein werden. Die Bundesregierung verspricht sich von der Novellierung jährlich 75.000 mehr qualifizierte Beschäftigte und 56.200 weitere Arbeitskräfte ab dem Jahr 2024. Positiv sieht Anschütz, dass nun der Beruf und der Aufenthaltstitel des neuen Mitarbeiters zählen und das Anerkennungsverfahren – wie bei HabiZu bereits praktiziert – quasi nachgeschoben werden könne. Er verweist auf den Service der Kammern, die Qualifizierung der Fachkraft vorab kostenlos zu prüfen, ehe das Anerkennungsverfahren startet. „So vermeiden wir Enttäuschungen, ehe die 411 Euro geflossen sind, die oft der Chef in die Hand nimmt“, erklärt er.

Wie aber gehen Betriebe vor, wenn sie sich für Fachkräfte aus Drittländern interessieren? Alexander Wilhelm, Leiter Internationale Beziehungen der BA, verweist auf Portale wie make-it-in-germany.de, auf der Betriebsinhaber ihre Stellenausschreibung (in englischer Sprache) platzieren können. Auch der Arbeitgeberservice der Arbeitsagenturen sei eine gute Anlaufstelle. Info-Material findet man beim Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung kofa.de, über die Portale unternehmen-berufsanerkennung.de, anerkennung-in-deutschland.de sowie bq-portal.de. Auch Wilhelm gibt zu bedenken: „An den Schnittstellen muss weiter gearbeitet werden.“ Trotz noch vorhandener Hürden bricht er für Bewerber aus Drittstaaten aber eine Lanze: „Sie sind weniger oft bereit, zurück in ihre Heimat zu gehen.“

Unternehmer Lause in Brandenburg unterdessen ist zufrieden mit den drei Neuen, die inzwischen bestens ins Team inte­g­riert sind. Womöglich heuert er bald wieder Fachkräfte aus Drittländern an.

Die neue Chancenkarte: Einreise für die Jobsuche

Mit der Chancenkarte soll eine Einwanderung zur Jobsuche für Personen aus Nicht-EU-Staaten leichter möglich werden. Die künftige Fachkraft sichert ihren Lebensunterhalt in dieser Zeit selbst. Die Voraussetzungen:

  • Wer einen in Deutschland anerkannten Abschluss vorweisen kann, erfüllt sofort die Bedingungen für eine Chancenkarte.
  • Einfache Deutschkenntnisse auf A1-Niveau.
  • Qualifikationen in Engpassberufen.
  • Punkte soll es zudem für Berufserfahrung geben, für Englischkenntnisse (C1-Niveau), Qualifikation in einem Engpassberuf, wenn die Fachkraft zwischen 35 und 40 Jahren alt ist, wenn der Partner Kriterien für die Chancenkarte erfüllt.
  • Die Karte kann einmalig um zwei Jahre verlängert werden.