Annabell Wandelt wagte mit gerade einmal 20 Jahren als Gründerin den Schritt in die Selbstständigkeit. Sie eröffnete im April 2024 in Neschwitz, nahe Bautzen, ihr eigenes Bestattungshaus. Im Interview spricht die Bestattungsfachkraft über Herausforderungen, Finanzierung und wertvolle Tipps für andere Gründerinnen im Handwerk. Präsentiert vom Münchener Verein.


Frau Wandelt, was war als potenzielle Gründerin der entscheidende Moment, in dem Sie gesagt haben: „Ich mache mich selbstständig“?
Es war kein einzelner Moment, sondern eine Kette von Enttäuschungen. Nach meiner Ausbildung habe ich mich in der Region und darüber hinaus beworben, doch entweder erhielt ich Absagen oder Angebote für eine reine Bürotätigkeit – der praktische Teil meines Berufs wurde mir nicht zugetraut. Ich wollte aber unbedingt als Bestatterin arbeiten. Als mir niemand die Chance gab, wusste ich: Dann schaffe ich sie mir eben selbst.
Welche ersten Schritte haben Sie dann unternommen?
Meine Eltern haben meine Unzufriedenheit bemerkt und mich unterstützt, ohne mich unter Druck zu setzen. Sie haben mir einfach mal ein paar Grundstücke gezeigt, die zum Verkauf standen. Als ich merkte, wie sehr mich die Idee begeisterte, ging alles ganz schnell – plötzlich stand ich mit 19 Jahren in der Bank und sprach über die Finanzierung meines Traums.
Sie haben ein Grundstück gekauft und darauf Ihr eigenes Bestattungshaus bauen lassen. Wie haben Sie als Gründerin die Finanzierung gestemmt?
Anders als viele denken, hatte ich kein großes Startkapital von meinen Eltern. Ich hatte Glück mit meinem Bankberater, der mein Konzept unterstützte. Die Finanzierung lief über die Volksbank Dresden/Bautzen, zusätzlich habe ich eine KfW-Förderung und eine Bürgschaft der sächsischen Bürgschaftsbank genutzt. Entscheidend war, frühzeitig einen Unternehmensberater ins Boot zu holen – alleine hätte ich den Businessplan nicht erstellen können.
Gab es in der Gründungsphase große Herausforderungen?
Definitiv. Die Bürokratie war eine riesige Hürde, weil so vieles parallel lief: Finanzierung, Bauplanung, Genehmigungen … Glücklicherweise konnte ich hier auf die Unterstützung meiner Eltern zählen. Eine weitere Herausforderung war, dass ich in dieser Zeit nicht in meinem erlernten Beruf arbeiten durfte – aufgrund des Wettbewerbsverbots. Deshalb habe ich mir einen Job in einem anderen Bereich gesucht, um finanziell abgesichert zu sein, und hatte Glück mit einem Arbeitgeber, der mir genug Flexibilität ließ.
Annabell Wandelt und ihr Betrieb
Was Wandelts Bestattungshaus auszeichnet, wie sie sich in der Männer dominierten Branche durchsetzte und wie sie über zu ihrem Traumberuf gefunden hat, lest ihr in in folgendem Beitrag. Mit viel Mut, Einfühlungsvermögen und einer klaren Vision hat sie sich in ihrer Region einen Namen gemacht und bietet unter anderem traditionelle sorbische Beisetzungen an. In Zukunft möchte sie ihren Betrieb weiter ausbauen, ausbilden und mit ihrer modernen Herangehensweise das Bestattungswesen weiterentwickeln.
Haben Sie an Ihrer Entscheidung jemals gezweifelt?
Ehrlich gesagt nicht. Ich wusste, dass das eine riesige Chance und ein Privileg ist. Ich habe mir immer gesagt: Lieber jetzt gründen und langfristig etwas Eigenes aufbauen, als in zehn Jahren zurückzublicken und mich über verpasste Möglichkeiten zu ärgern. Natürlich gibt es Tage, an denen ich erschöpft bin oder die Zahlen mir Sorgen machen, aber Zweifel haben mich nie gelähmt.
Wie haben Sie Ihre ersten Kunden gewonnen?
Die ersten Anfragen kamen, bevor mein Betrieb überhaupt offiziell eröffnet war. Mein Name und mein Vorhaben machten bereits die Runde im Dorf. Nach der Eröffnung wurde ich durch Zeitungsartikel, Werbung auf einem Bus und vor allem meine Social-Media-Präsenz bekannt. Ich habe gelernt, dass Netzwerken unglaublich wichtig ist – vor allem in einer Branche, in der Vertrauen eine große Rolle spielt. Allerdings sind meine Person und mein Betrieb seitdem untrennbar miteinander verknüpft. Ich gehe zum Beispiel nicht mehr in Jogginghosen einkaufen, weil ich mein seriöses Image aufrechterhalten möchte und muss.
Welche Eigenschaften sind für eine Gründerin besonders wichtig?
Man muss für seine Idee brennen, Durchhaltevermögen haben und realistisch denken. Es gibt gute und schlechte Zeiten – darauf muss man sich einstellen. Außerdem ist es wichtig, nicht darauf zu warten, dass Kunden von selbst kommen. Man muss aktiv etwas dafür tun, das eigene Unternehmen bekannt zu machen.
Ich merke selbst, dass ich seit der Gründung noch ehrgeiziger und perfektionistischer geworden bin. Ich stecke viel Energie in mein Unternehmen, sitze oft bis spät abends im Büro, weil ich es nach meinen eigenen Vorstellungen aufbaue. Gleichzeitig musste und muss ich immer noch lernen, mich nicht in jeden kleinen Prozess zu verbeißen.
Welchen Fehler würden Sie heute vermeiden?
Ich habe anfangs gedacht, es müsste alles perfekt sein – von der Ausstattung bis hin zu jeder kleinen Detailentscheidung. Heute weiß ich, dass es besser ist, pragmatisch zu starten, ins Handeln zu kommen und erst mit der Zeit zu investieren, wenn die Einnahmen stabiler sind. Außerdem würde ich jedem raten, bei der Finanzplanung großzügig Puffer einzuplanen – es kommt immer etwas Unerwartetes dazu, gerade in der Bauphase.
Was würden Sie anderen Frauen raten, die überlegen, sich selbstständig zu machen?
Nicht darauf warten, dass andere einen entdecken oder eine Tür für einen öffnen – sondern selbst aktiv werden! Der Weg ist nicht immer einfach, aber langfristig zahlt es sich aus, wenn man für sein Unternehmen kämpft. Und: Unterschätzt niemals, wie wertvoll ein starkes Netzwerk und die richtige Beratung sein können!