Neuheiten der IAA Transportation 2022 Elektrotransporter: Auf- und Ausbauten zum E-Kastenwagen, E-Kipper und E-Koffer

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Zum Wechsel vom Verbrennungs- zum Elektromotor gehören zwingend passende Auf- und Ausbauten – funktionell und vor allem leicht. Eine Auswahl attraktiver Neuheiten für unterschiedlichste Gewerke gab es auf der IAA Transportation in ­Hannover zu sehen.

Erst Aufschnitt, dann Koffer: Veth verwandelt den VW ID. Buzz Cargo in einen geräumigen Koffer.
Erst Aufschnitt, dann Koffer: Veth verwandelt den VW ID. Buzz Cargo in einen geräumigen Koffer. - © Randolf Unruh

Die Vorhersage ist nicht gewagt: Ohne den Buchstaben „E“ auf dem Nummernschild und in der Modellbezeichnung neuer Lieferwagen und Transporter geht bald nichts mehr. E wie elektrisch und emissionsfrei. Aber die schöne neue E-Mobilität hat Schattenseiten. So reduzieren schwere Batteriepakete die Nutzlast, Antriebe ohne mehrstufige Übersetzungen die Zugkraft und damit die Anhängelast, Hinterradantriebe teils den Frachtraum, Einheitskarossen die Auswahl. In die Bresche springen findige Auf- und Ausbauer. Sie schließen Lücken im Angebot der Automobilriesen und entwickeln dicht am Kunden, was Handwerksbe­triebe benötigen.

Fangen wir mal klein an, zum Beispiel bei Lieferwagen mit Ausstattungen von Bott. Ein Modell auf Basis Citroën ë-Berlingo für den Trockenbau versammelt Akkugeräte von Festool – Kreis- und Tauchsäge, Schwingschleifer und Bauschrauber. Im Heck stecken Spannstangen für kompakte Rigipsplatten und sogar ein Glasreff. Den neuen Renault Kangoo Rapid gibt es auf Wunsch ohne B-Säule auf der Beifahrer­seite. Die entsprechend riesige Ladeluke nutzt Bott – ebenso wie Kollegen – für diverse Schubladen sowie einen erhöhten Ladeboden für größere Teile. Das Musterfahrzeug ist gedacht für Elektriker und – logisch – auch mit E-Antrieb denkbar.

Viel Flexibilität

Beim zurzeit spektakulärsten Elektrotransporter weiß jeder auch ohne „E“ in der Bezeichnung: Der VW ID. Buzz Cargo fährt nur vollelektrisch. Jedoch liefert VW ihn lediglich als Kastenwagen im Standardformat. Eine Herausforderung für Snoeks, den niederländischen Spezialisten für Kastenwagen-Dokas. Er steuert eine flexible Variante mit klappbarer Sitzbank plus gläserner Trennscheibe im Fond bei. Für Menschen und Material im Wechsel, mal Fünfsitzer und mal Kastenwagen – diese Doka kann’s. Überdies wird die Bank bequem elektrisch geklappt und lässt sich in zwei Positionen für unterschiedlich großen Fußraum arretieren.

Ein Service-Van für Haushaltsgeräte-Hersteller Miele dient als Muster für ähn­liche Ausbauten des ID. Buzz Cargo. Entwickelt zusammen mit Würth, stecken im Laderaum zusätzlich zu einem Regalsystem auch eine Mittelkonsole sowie ein Klapptisch als mobiler Arbeitsplatz für den Monteur. Einen Arbeitsplatz ganz anderer Art bietet die mobile Kaffee-Bar von Bott. Im Heck eine ausziehbare Profi-Kaffee­maschine, an der Schiebetür ein Stehtisch und drinnen in den Staufächern Platz für die notwendigen Utensilien – fertig ist der mobile Café-Betrieb für Bäcker und Konditoren bei Veranstaltungen.

Weniger Gewicht

Auf der Hand liegt die Kombination aus Stromerzeugung per Windenergie plus elektrisch angetriebenem Servicefahrzeug. Siehe einen Ausbau des ID. Buzz von Sortimo für Windanlagen-Hersteller Vestas. Im Laderaum steckt das neue Einrichtungssystem SR5A. Bereits die Bezeichnung deutet den Weg an: Mit A wie Aluminium – es soll 25 Prozent leichter als die Standardversion sein. Das Unternehmen nennt für typische Großtransporter eine Ersparnis von rund 100 Kilogramm – E-Transporter können es vertragen. Sortimo, um selbstbewusste Worte nicht verlegen, spricht über SR5A sogar vom leichtesten professionellen Regalsystem.

E-Antrieb und E-Kühlung klingt ebenfalls nach einer harmonischen Verbindung. Im Falle ID. Buzz Cargo und ­einem Ausbau von Wükaro arbeiten sie jedoch mit getrennter Energiequelle – die Reichweite, klar. Daher die vergrößerten Radkästen des Laderaums: Hier bringt Wükaro vier Batterien mit zusammen 48 kWh unter. Das soll für die Kühlung auf einer Tagestour von sechs bis acht Stunden allemal genügen. Die Dachanlage temperiert den Laderaum bis auf vier Grad Celsius hinunter. Der ausgebaute ID. Buzz bietet rund 400 Kilogramm Nutzlast und Platz für 29 E2-Kisten.

Mehr Volumen

Vom Kastenwagen zum Aufschnitt: Der niederländische Aufbauer Veth ist Spezialist darin, geschlossene Aufbauten in Koffer und Kipper zu verwandeln. Das klingt verwegen und umständlich, hat aber seinen Sinn, wenn es vom Lieblingsfabrikat keine E-Fahrgestelle gibt. Siehe ID. Buzz Cargo: Mit dem Schritt vom Kasten zum Koffer wächst das Ladevolumen von 3,9 auf 6,0 Kubikmeter, die Nutzlast von einer dreiviertel Tonne bleibt trotzdem erhalten. Der Zugang zum Laderaum erfolgt von bis zu drei Seiten ganz nach Wunsch mittels Flügeltüren, Klapp- oder Schiebetüren sowie Jalousien. Und tatsächlich, auch ein ID. Buzz Kipper entsteht auf diese Weise. Angesichts der schicken Originalkarosserie: Frevel oder Geniestreich?

Verlassen wir den Hingucker ID. Buzz Cargo, auch andere Mütter haben attrak­tive Töchter. So baut Veth neben den ­großen Transportern VW eCrafter und MAN eTGE nun ebenfalls die Kastenwagen Mercedes-Benz Vito und eVito zum geräumigen ­Koffer um. Auch die Ausbaukol­legen von ­Snoeks widmen sich Herstellern aller Art, deutlich wird es an der Flexicab auf Basis Opel Vivaro-e Hydrogen. Auch bei diesem Transporter mit Brennstoff­zelle und seinen zahlreichen Kollegen aus dem Stellantis-Konzern heißt es also: mal Fünfsitzer und mal Kastenwagen.

Gute Kühlung

Kühl und leicht, das hat sich der Spezialist Lamberet auf die Fahnen geschrieben. Der neue Aufbau Frigolight aus Verbundwerkstoffen unterschied­licher Dichte und GfK-Oberfläche für Großtransporter hat um rund ein Viertel abgenommen, das entspricht etwa 100 Kilo. Die Franzosen haben das elektrisch angetriebene Kerstner-Kühlaggregat elegant in die Aufbaurundung integriert – das sieht gut aus und die günstige Aerodynamik spart Strom und bringt somit Reichweite.

Deutlich kantiger tritt der Sommer TGUL auf. Die Wände dieses neuen Kofferaufbaus bestehen aus Polypropylen-Hohlkammerplatten mit einem Wabenkern. Wände, Dach und Boden werden miteinander verschweißt. Im Ergebnis wiegt ein 4,2 Meter langer Koffer nur 322 Kilogramm einschließlich Unterbau und Hecktüren. Mit Frontspoiler, Heckauftritt und Zurrleisten kommen zusammen kaum mehr als 40 Kilo hinzu. Ergebnis sind 3,5-Tonner mit einer sehr beacht­lichen Nutzlast von rund 1,5 Tonnen. Als Optionen gibt es außerdem branchenspezifische Ausstattungen und die Wahl zwischen Heckflügeltüren, Heckklappe oder Ladebordwand.

Mehr Attraktivität

Noch mehr Auswahl besteht bei einem rollenden Friseursalon, attraktiv und funktionell eingerichtet von Bott auf Basis des elektrisch angetriebenen MAN eTGE. Verblüffend, welche Lösungen sich mit den Regalsystemen der Ausstatter entwickeln lassen. Und welche Geschäftsmodelle daraus entstehen: Nun rollen die Friseurinnen zu den Kunden, gleich ob Land- oder Heimbewohner.

Das Kontrastprogramm dazu bilden Kipper, die ganz harten Jungs für raue Einsätze in Handwerk und Baugewerbe. Der italienische Hersteller Scattolini wagt den Schritt vom Kipper „Bison“ zum eBison, einem Dreiseitenkipper in Voll­aluminium-Bauweise. Das spart gegenüber dem gewohnten, rund 600 Kilogramm schweren stählernen Bison mit Alu-Bordwänden rund 35 Prozent Gewicht. Weitere Neuheit: Der Kippzylinder bleibt beim eBison in eingefahrenem Zustand oberhalb der Rahmenunterkante – weiter unten könnte er auf Batteriepakete stoßen. Da wird die neue schmucke Werkzeughalterung von Scattolini für die Stirnwand fast zum Nebenaspekt.

Leichtere Montage

Der Kipperspezialist schlechthin hieß und heißt Meiller. Indes waren die Aufbauten bisher zwar für Unverwüstlichkeit bekannt, aber nicht unbedingt als Fliegen­gewichte. Mit der komplett neu entwickelten Modellfamilie Meiller Trigenius dreht sich der Wind: Sie basiert auf hochfesten, per Laser verschweißten und mit KTL wie im Automobilbau grundierten Stahl­blechen. Gelochte Hilfsrahmen versprechen eine leichte Montage. Hinzu kommen zahlreiche neue Bedien-Features. So anspruchsvoll wie das Vorhaben der neuen Kipper ist ihre Bezeichnung: Trigenius steht für geniale Dreiseitenkipper. Und das heißt mit Blick auf Transporter: Der Trigenius D202 für 3,5-Tonner spart zum Vorgänger 16 Prozent Gewicht. Macht etwa 110 Kilo und je nach Fahrgestell rund eine Tonne Nutzlast. Weil die Bordwände um 50 auf 400 Millimeter Höhe gewachsen sind, passt mehr Schüttgut auf die 2,6 bis 4,0 Meter lange Kipp-Pritsche. Für den Kipperboden verwendet Meiller 1,5 Millimeter starken Hardox-Stahl. Optional findet für besonders anspruchsvolle Einsätze ein hochfester Verschleißstahl in 2,5 Millimeter Stärke Verwendung.

Egal ob Kipper, Koffer oder Kasten: Die neuen Auf- und Ausbauten für E-Transporter haben ein Doppelplus, denn von ihnen profitieren auch konventionell angetriebene Fahrzeuge – weniger Gewicht bedeutet auch bei ihnen mehr Nutzlast oder einen geringeren Spritverbrauch, das können alle vertragen.