Zukunft-Handwerk-Speaker im Interview Cocrafter-Gründer Johannes Lutz: "Wir brauchen junge Leute, die etwas ausprobieren!"

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Auftragsabwicklung, Auftragsspitzen, Fachkräftemangel, Geschäftsideen und Plattform-Business

Mit Anfang 20 möchten drei Gründer aus München eine digitale Plattform zur Vernetzung von Auftraggebern und Nachunternehmern groß machen. Ein Gespräch mit Cocrafter-Chef Johannes Lutz über Risikobereitschaft, Pragmatismus und seinen Großvater, der als Handwerks­unternehmer für ihn ein großes Vorbild ist.

Johannes Lutz möchte in fünf Jahren die Vertrauensmarke für Aufträge sein.
Johannes Lutz möchte in fünf Jahren die Vertrauensmarke für Aufträge sein. - © Tanja Kernweiss
handwerk magazin: Herr Lutz, Unternehmerinnen und Unternehmer sehnen sich aktuell nach Halt und Orientierung. Sie haben Anfang 2023 gegründet und wollen mit Ihrem Start-up Co­crafter durchstarten. Sie sind nicht besonders risikoscheu, oder?

Johannes Lutz: Ich denke, als Unter­nehmer darf man generell nicht risikoscheu sein. Da meine Mitgründer und ich noch relativ jung sind, sind wir gerade im perfekten Alter, um zu gründen und ­Unternehmer zu werden. Die Gesellschaft braucht einfach junge Leute, die etwas probieren.

Haben Sie schon einmal gedacht, dass die Zeiten für die Gründung besser hätten sein können?

Natürlich haben wir im Handwerkermarkt gerade turbulente Zeiten – mit Fachkräftemangel, höheren Zinsen und schwächelnder Bauwirtschaft. Die Zeiten sind sicherlich nicht einfach, doch am Ende des Tages werden sich gute Ideen immer am Markt bewähren. Auch in der Vergangenheit hat es in schwierigen Markt­lagen erfolgreiche Gründungen gegeben.

Vielleicht ein kurzer Pitch: Wie bringt Cocrafter das Handwerk weiter?

Wir führen auf unserer digitalen Plattform Cocrafter Auftraggeber- und Auftragnehmer-Betriebe zusammen. Größere mittelständische Handwerksbetriebe vergeben dort Aufträge an kleinere Handwerksbetriebe – von der Neugründung bis zum Fünf-Mann-Betrieb. Diese agieren dann als Sub- oder Nachunternehmer.

Was macht Sie optimistisch, dass genau jetzt der richtige Zeitpunkt für dieses Geschäftsmodell ist?

Die zwei Markttrends, der Fachkräfte­mangel und die höheren Zinsen, spielen unserem Modell sogar sehr in die Karten. Zum einem haben die größeren Betriebe einfach genug damit zu kämpfen, eigene Fachkräfte zu finden. Bedeutet: Man muss mehr, besser und effizienter mit Partnern zusammenarbeiten. Zum anderen brechen gerade für die kleineren Betriebe die Privatkunden weg. Das heißt, es gibt hier wieder ein Interesse, Aufträge zu finden.

Cocrafter auf einen Blick

Direkt nach ihrem Studium an der TU München haben Annabell Vogelsang, 24, Johannes Lutz, 22, und Philipp Rollwage, 23, Anfang 2023 das Start-up Cocrafter gegründet. „Schon früh im Studium hat sich abgezeichnet, dass wir gründen wollen“, erinnert sich Johannes Lutz. „Aus meiner Sicht gibt es keine bessere Zeit dafür.“

Die gewerkeübergreifende Handwerksplattform bringt Auftraggeber- und Auftragnehmer-Betriebe zusammen und will die rechtliche Zusammenarbeit dieser Partner erleichtern. Eigenen Angaben zufolge sind mittlerweile Hunderte Handwerksfirmen auf der Plattform aktiv, vor allem aus den Ausbaugewerken.

Das Cocrafter-Team umfasst aktuell sieben Mitarbeiter.

Sie scheinen tief im Markt drin zu sein. Ihr Großvater war Handwerkschef. Wie stark hat Sie das beeinflusst?

Richtig, mein Großvater hatte einen Hoch-/Tiefbaubetrieb und der Großvater meines Mitgründers eine Schreinerei. Die Faszination fürs Handwerk haben wir somit ein bisschen in die Wiege gelegt bekommen. Und das braucht man auch – ganz ohne Bezug zum Handwerk wird es als Gründer in diesem Markt schwer. Diese Begeisterung fürs Handwerk ist entscheidend.

Ist Ihr Großvater ein Vorbild für Sie?

Auf alle Fälle! Ich orientiere mich jede Woche an meinem Großvater. Er hat sich im Handwerk selbstständig gemacht und etwas aufgebaut. Das motiviert mich ­definitiv.

Dinge, die Sie sich von ihm abgeguckt haben?

Den Pragmatismus, den man beim Gründen braucht. Man kann nicht jede Option bis ins letzte Detail durchdenken, sondern muss manche Sachen eben schnell umsetzen. Gerade im Handwerk gilt es, Dinge anzupacken und nicht zu kompliziert zu denken.

Bei digitalen Plattformen ist das ständige Feedback der Nutzerinnen und Nutzer extrem wichtig. Was hören Sie diesbezüglich aus dem Markt?

Grundsätzlich ist uns Feedback total wichtig. Wir sprechen jede Woche mit unseren Nutzern. Denn nur so kann man ein digitales Produkt wie unsere Plattform weiterentwickeln. Schließlich wollen wir nicht nur unsere eigenen Ideen verwirklichen, sondern sehr nah an den Nutzern dran sein, die ja auch tatsächlich mit der Plattform arbeiten. Neben standardisierten Feedbackgesprächen rufen wir unsere User auch ad hoc an. Das Feedback der Nutzer, das wir bekommen, ist sehr positiv, die Idee trifft auf große Resonanz. Natürlich stehen wir noch am ­Anfang unserer Reise. Jetzt gilt es, die Plattform technisch weiterzuentwickeln und inhaltlich gute Aufträge für die Auftragnehmer auf die Plattform zu bekommen. Zudem ist es wichtig für die Auftraggeber, dass wir die Qualität und die rechtliche ­Sicherheit so garantieren, dass sich beide Seiten wohlfühlen und wir dadurch eine Vertrauensmarke schaffen.

Was macht so eine Vertrauensmarke Ihrer Meinung nach aus?

Die Zuverlässigkeit auf beiden Seiten. So weiß ich als kleinerer Betrieb, dass es hier relevante und interessante Aufträge für mich gibt, die zu meinem Fokus passen. Und als Auftraggeber weiß ich, dass ich professionelle Handwerksbetriebe mit den rechtlich relevanten Qualifikationen finde.

Welche Lernkurven haben Sie seit der Gründung gemacht?

Gründen in einem jungen Alter ist super spannend! Denn man kann in allen möglichen Bereichen dazulernen. Sei es bei rechtlichen Themen, sei es bei der wirtschaftlichen Planung, sei es beim Thema Recruiting. Aber auch bei der Frage­stellung: Wie baue ich eigentlich ein digitales Produkt, das die Handwerker in ihrer Sprache abholt? Wir haben eine super steile Lernkurve – und das ist richtig cool. Man kann hier so viel lernen wie in keinem anderen Job!

Wer hat Sie beim Gründen an die Hand genommen?

Sehr viel war schon ‚Trial and Error‘. Aber während unseres Studiums an der Technischen Universität München hatten wir Gründungs­programme, Vorlesungsreihen und ­Mentoren. Letztere haben uns vor ­Fehlern bewahrt, die sie selber gemacht haben.

Ein Start-up fürs Handwerk: Wie schnell haben Sie potenzielle Mitar­beiter für Ihre Idee begeistert?

Wir stellen schon fest, dass gerade unter jungen Leuten die Begeisterung fürs Handwerk größer wird. Immer mehr begeistern sich dafür, weil es eine große, spannende Branche ist – mit viel Potenzial. Am Ende geht es darum, als Arbeitgeber den Mitarbeitern eine große Vision zu vermitteln. Unsere Mitarbeiter können selbst Teil von etwas Größerem sein. Zudem ist es für sie spannend, von Tag eins dabei zu sein, also ganz am Anfang der Reise. Unsere Grund-Message ist: Wir wollen junge Menschen fürs Handwerk begeistern.

Auf dem Kongress Zukunft Handwerk 2024 stehen Sie als Speaker für die neue Gründergeneration. Ihre Erwartungen an dieses Event?

Meine Erwartung ist, dass es sehr viele Gespräche von Handwerker zu Handwerker gibt und dass die relevanten Personen aus dem Handwerk an einem Ort zusammengebracht werden. München als Event-Standort eignet sich dafür übrigens sehr gut: Wir merken, dass es hier viele coole Handwerksunternehmer gibt.

Machen wir ein kleines Gedankenspiel: Wenn wir uns in fünf Jahren wieder unterhalten, dann ist Cocrafter …

… in Deutschland die führende Plattform für alle Handwerksbetriebe, die im gewerblichen Bereich unterwegs sind. Vom Ein-Mann-Betrieb, der über uns seine Auftragsbücher füllt, bis zum 500-Mann-Betrieb, der über uns seine Partnerbetriebe rechtlich verwaltet, bezahlt und neue Partner findet. Also wir sind dann die Vertrauensmarke für Aufträge.

Zukunft Handwerk: Kongress in München

Der Messeveranstalter GHM bringt auf der Zukunft Handwerk, die vom 28. Februar bis 1. März 2024 im ICM – Internationales Congress Center München ihre Pforten öffnet, das gesamte Handwerk zusammen. Ein Kongress, auf dem sich die Branche trifft – so lautet das Motto der Messemacher. Aussteller und Teilnehmer können sich demnach über Neuigkeiten und Innovationen vom Handwerk für das Handwerk freuen. Im Fokus stehen Themen wie Gründung und Übergabe im Handwerksbetrieb, Gesundheit in handwerklichen Berufen sowie Fortschritt durch Digitalisierung.

  • Wann: 28.2. bis 1.3.2024
  • Wo: ICM – Internationales Congress Center München
  • Tickets: Tagesticket (129 Euro), Zweitagesticket (199 Euro) und Dreitagesticket (269 Euro). Jedes Ticket ist auch reduziert erhältlich.
  • Infos: zukunfthandwerk.com