Kasse klingelt immer seltener Mobile Payment: Was Sie bei der Umstellung auf bargeldloses Zahlen beachten müssen

Zugehörige Themenseiten:
Bäcker und Konditoren, Digitale Belege, Digitalisierung, Europapolitik, Kassensysteme und Smartphone

Da immer mehr Kunden mit Karte, Smartphone oder Wearable zahlen wollen, setzen Händler zunehmend auf digitale Bezahlverfahren. Komplett bargeldfreie Standorte sind im Handwerk aktuell jedoch nur im Ausnahmefall sinnvoll.

Thomas Göing, Bäckermeister in Hannover, konnte die veganen Kunden mit seiner neuen Bargeldlos-Filiale überzeugen.
Thomas Göing, Bäckermeister in Hannover, konnte die veganen Kunden mit seiner neuen Bargeldlos-Filiale überzeugen. - © Bäckerei Göing

Wer im gutbürgerlichen Stadtteil List in Hannover wohnt und Veganer ist, wird gerne die neue Filiale der Bäckerei Göing aufsuchen. Egal ob Brot, Cookies, Croissants, Kebabs, Kuchen oder belegte „Stullen“: Inhaber Thomas Göing verkauft hier ausschließlich Backwaren, die völlig ohne Kuhmilch hergestellt worden sind. An die Kunden hat er jedoch einen Wunsch. Sie sollen ausschließlich bargeldlos zahlen. „Mein Personal akzeptiert Kredit- und Debitkarten“, sagt Göing. „Und natürlich kann der Kunde auch mit Smartphone, Smartwatch und anderen Payment-Geräten zahlen.“ Rund 80 Prozent aller Backwaren, die Göing in seinen 30 Filialen verkauft, sind inzwischen vegan. „Weil gerade diese Produkte besonders nachgefragt werden, wollte ich eine völlig bargeldlose Filiale wagen.“ Am Lister Platz verkauft er Exklusiv-Produkte, die andere Filialen nicht anbieten. Wer weiterhin mit Scheinen und Münzen zahlen will, sucht eine zweite Filiale auf der anderen Straßenseite auf und kann eine aufladbare Kundenkarte erwerben. Sie macht ebenfalls bargeldlose Zahlungen möglich und honoriert regelmäßige Einkäufe mit Gratisprodukten.

Kundenwünsche berücksichtigen

Mit seiner im Februar eröffneten Bargeldlos-Filiale hat Bäcker Göing keine Stammkunden vergrault und bietet außerdem überzeugende Alleinstellungsmerkmale. Weil er darüber hinaus seine Pläne drei Monate vorab kommunizierte, hat er Erfolg. Andere Unternehmer mussten ihre Bargeldlos-Projekte mittlerweile beerdigen. Ein Beispiel ist der Düsseldorfer Michael Gauert, Inhaber der Bäckerei Bulle. „Weil Kunden dies ausdrücklich wünschten, können sie in allen Filialen weiterhin mit Bargeld zahlen“, sagt der Unternehmer. „Allerdings ziehen in den drei Innenstadtfilialen die meisten Besucher Karten oder Apps vor.“ An einem von Touristen besonders stark besuchten Standort zahlen an Wochenenden über 90 Prozent bargeldlos. „Für die nächsten fünf Jahre machen Bargeldlos-Filialen für kaum einen Einzelhändler Sinn“, urteilt Gauert.

Trend zu Mobile Payment: Nur ein gutes Drittel zahlt im Handel noch bar

Solchen Aussagen stimmt Ulrich Binnebößel, Abteilungsleiter des Handelsverbands Deutschland (HDE), im Kern zu. „Heute kann kein Unternehmen mit Endkundenkontakt auf bargeldlose Angebote verzichten“, sagt der Payment-Experte. Wie die jüngste Studie der Bundesbank über das Zahlungsverhalten der Deutschen zeigt, haben rund 58 Prozent der Verbraucher ihre Einkäufe 2021 noch mit Scheinen und Münzen an der Ladenkasse beglichen (2017: 74 Prozent), insgesamt entfallen jedoch nur noch 36 Prozent (2017: 58 Prozent) des Handelsumsatzes auf die Barzahlung. Die Deutschen zücken immer häufiger auch für kleine Beträge Karte, Smartphone oder ein Wear­able mit Bezahlfunktion. Das EHI Retail Institute in Köln stellt in einer neuen Studie zusätzlich eine deutliche Zunahme des Mobile Payment fest. Jeder 20. Zahlungsvorgang am Point of Sale (PoS) wurde 2022 mit Smartphones, Smartwatches und anderen mobilen Geräten erledigt, 2021 waren es noch unter drei Prozent.

Push durch digitalen Euro erwartet

Für diesen Aufschwung gibt es mehrere Gründe: Während der Pandemie haben sich viele Deutsche an bargeldlose Bezahlungen gewöhnt. Außerdem sind diese infolge von Kontaktlostechnologien und anderen Innovationen immer einfacher geworden. „Eine Trendumkehr zu mehr Cash zeichnet sich auch nach der Pandemie nicht ab“, stellt Horst Röper, Mitglied der EHI-Geschäftsleitung, fest. Das Gegenteil ist zu erwarten. Wenn neuerdings einzelne Sparkassen sogar ihren Konto­inhabern Gebühren für Bargeldauszahlungen am Automaten berechnen, wird dies bargeldlosen Zahlungen weiterhin Auftrieb geben. Beim Mobile Payment dürften schon bald „Wearables“ wie Ringe, Armbänder oder Schlüsselanhänger kontaktloses Bezahlen ermöglichen. Und dann ist da noch der digitale Euro. Vo­raussichtlich in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts will die Europäische Zentralbank (EZB) dieses neue Zahlungsmittel einführen. Verbraucher können dann ihr Smartphone zur digitalen Geldbörse umwandeln und weiterhin offline zahlen. Vor allem für Personen, die ungern Daten preisgeben, ist der digitale Euro deshalb eine interessante Zahlungsalternative.

EU diskutiert Bargeldpflicht für Unternehmen

Trotzdem oder gerade deswegen warnen Marktkenner, Scheine und Münzen bereits jetzt aufzugeben. Ein Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission zur Einführung des digitalen Euro lässt aufhorchen. Die Kommission diskutiert eine Pflicht für Unternehmen, weiterhin Bargeld anzunehmen. Einzelne Mitgliedsländer wünschen dies jedenfalls. „Wir stellen die Interessen der Verbraucher in den Mittelpunkt“, sagt Mairead McGuinness, EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen. „Sie sollen die Kontrolle über ihre Zahlungen behalten und selbst entscheiden, an wen sie Daten weitergeben.“ Wer also weiterhin nicht mit Karten oder Apps zahlen will, kann dies tun und möglicherweise zwischen dem digitalen und analogen Euro wählen. Allerdings soll es zahlreiche Ausnahmeregeln zum Beispiel für sehr kleine Unternehmen geben.
Solche Ausnahmen sind schon deshalb angezeigt, weil auch das Handling von Bargeld Geld und Zeit kostet. Viele Finanzinstitute berechnen für das Einzahlen von Tageseinnahmen oder das Einlösen von Wechselgeld Gebühren. Die Terminalmieten und Transaktionsgebühren, die Sumup, Payone und andere Dienstleister fürs bargeldlose Zahlen berechnen, sind auf unter 20 Euro gesunken. Und dann gibt es inzwischen noch Apps, die betriebliche Smartphones in Bezahlterminals umwandeln und Hardware-Ausgaben völlig überflüssig machen.

Praxistipp: Sofort-Inkasso beim Kunden vor Ort nutzen

Sicher und smart beim Kunden vor Ort kassieren, statt umständlich Rechnungen zu verschicken? Was sich vor allem bei Reparaturen und Instandhaltungsarbeiten anbietet, ist über spezielle Apps, die das Smartphone als Kartenlesegerät nutzen, ohne zusätzliche Hardware problemlos möglich. Der Kunde legt seine Karte mit NFC-Chip oder auch sein Smartphone auf die Rückseite des Händlergeräts und gibt seine Geheimzahl ein. Der Händler übermittelt die Zahlungsbestätigung digital oder druckt diese – falls es der Kunde wünscht – via Bluetooth auf einem externen Drucker (Geräte kosten rund 250 Euro) aus.

Neben einzelnen Finanzdienstleistern bieten auch unabhängige Plattformen wie MyPOS solche Lösungen an. Deren Spielräume werden immer größer. Eine neue Applikation des Payment-Spezialisten CCV macht Girocard-Zahlungen über 50 Euro möglich und ist in die Sparkassen-App S-POS integriert. Bleibt die Herausforderung, dass manche Endkunden wegen möglicher Reklamationen nicht zu Sofortzahlungen bereit sind. Um die Motivation zu steigern, rät Ulrich Binnebößel vom Handelsverband Deutschland dazu, Sofortzahlungen mit einem geringfügigen Rabatt zu belohnen.

Die Notfallkasse: Plan B für Technikpannen bereit haben

An den Details der neuen Verordnung wird die EU-Kommission wohl erst nach den Europawahlen 2024 arbeiten. Und möglicherweise gibt es weitere nationale oder europäischen Anforderungen beispielsweise an die Barrierefreiheit von Terminals. „Wer hierauf schnell reagieren will, sollte Mietlösungen mit möglichst kurzen Laufzeiten von nur einem Jahr wählen“, empfiehlt Binnebößel. Und natürlich braucht jeder Unternehmer einen Plan B für den Fall, dass das Terminal einmal ausfällt. Den hat auch Göing. „In der neuen Filiale habe ich für Notfälle ein Kästchen mit Wechselgeld hinterlegt“, sagt der Bäckermeister.

Bargeldlos zahlen: Die Alternativen im Überblick

Egal ob direkte Zahlung per Karte, über die Bezahlapps auf dem Smartphone oder über ein Wearable: Die Kosten für den Händler hängen vor allem von der Art der jeweils eingesetzten beziehungsweise in der App hinterlegten Karte ab. Klassische Debitkarten sind dabei etwas günstiger als Kreditkarten.

NameVerifizierungKostenBesonderheiten
Debitkarte (frühere EC-Karte)Pin (bevorzugt) oder Unterschrift. Bei Zahlungen bis 25 Euro
keine Verifizierung.
Anbieterabhängig 0,07 bis 0,12 Euro pro Transaktion. Außerdem Umsatzgebühren bis 1,4 Prozent.Sehr populäres Standardzahlungsmittel. Sofortabbuchung, Prepaid-Variante und Cashback möglich.
Kreditkarte (vor allem Mastercard
Visa
)
Pin hat Unterschrift als Standard abgelöst. Bei Zahlungen bis 25 Euro kann auf Verifizierung verzichtet werden.Im Schnitt 1,5 Prozent der Rechnungssumme.Zweitzahlungsmittel, verbreitet vor allem bei mobilen oder internationalen Kunden. Monatliche Abrechnung, Prepaid-Variante oder Cashback möglich.
GeldkartePin, Unterschrift, ohne Verifizierung (bis 25 Euro).Anbieterabhängig, meist 0,3 Prozent des Umsatzes.Ausschließlich Prepaid mit oder ohne Kontoanbindung („white card“). Wenig verbreitet, vor allem bei Kleinbeträgen vorteilhaft.
Mobile ­Payment
(vor allem Apple Pay und ­Google Pay)
Pin, biometrische Merkmale wie Fingerabdruck. Bei kleineren Zahlungen kann auf
die Verifizierung verzichtet werden.
Abhängig von der jeweils hinterlegten Debit- oder Kreditkarte.Smartphone oder Smartwatch der neuesten Generation erforderlich. Mittlerweile von allen größeren Banken angeboten.