Arbeitgebermarke Weiterbildung: So schaffen Sie für Ihre Mitarbeiter eine "Karriere mit System"

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Ausbildung, Fachkräftemangel und Mitarbeitermotivation

Sie wollen gute Mitarbeiter langfristig im Betrieb ­halten? Neben Wertschätzung, Flexibilität und gutem Betriebs­klima wird auch Weiterbildung immer mehr zum ­Erfolgsfaktor fürs Bleiben. Das meinen 88 Prozent aller deutschen Personalverantwortlichen. So entwickeln Sie in Ihrem Betrieb eine Weiterbildungskultur.

Tatjana Lanvermann leitet gemeinsam mit ihrem Mann Dirk die Lanvermann GmbH
Tatjana Lanvermann(mitte) leitet gemeinsam mit ihrem Mann Dirk die Lanvermann GmbH, einen Sanitär Heizung Klimabetrieb mit 50 Mitarbeitern in Borken. - © Jens Nieth

Um stolze 600 Prozent ist die Anzahl der im Betrieb angebotenen Schulungen bei der Lanvermann GmbH in Borken in den letzten zehn Jahren angestiegen. „2010 hatten wir drei Veranstaltungen, für 2019 sind aktuell 18 betriebsinterne Schulungen geplant“, erklärt Tatjana Lanvermann. Gemeinsam mit Ehemann Dirk leitet sie in zweiter Generation den Sanitär-Heizung-Klimabetrieb mit 50 Mitarbeitern und acht Auszubildenden. Dass die Weiterbildungsaktivitäten im Familienbetrieb derart „explodiert“ sind, liegt nach Einschätzung der ehrenamtlich bei den „Unternehmerfrauen im Handwerk“ (UFH) aktiven Unternehmerin nicht nur an der Digitalisierung und den immer kürzeren Innovationszyklen, sondern vor allem auch an den Ansprüchen der Mitarbeiter: „Die jungen Menschen brennen darauf, etwas zu lernen und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln .

Warum Betriebe ihrem Team Weiterbildung anbieten

Warum Weiterbildung
Den Chefs in Kleinbetrieben geht es vor allem darum, Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter zu steigern. - © Quelle: IW-Weiterbildungs­erhebung 2017, Betriebe bis 50 Mitarbeiter

Den Chefs in Kleinbetrieben geht es vor allem darum, Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter zu steigern.

Rechtzeitig kümmern ist Pflicht

Entsprechend setzt das „Kümmern“ um die jeweiligen Entwicklungsmöglichkeiten bei Lanvermann bereits bei den Auszubildenden an. Und zwar, wie die Unternehmerfrau betont, „rechtzeitig, bevor die Jugendlichen schon einen anderen Weg eingeschlagen haben“. Will etwa ein Azubi nach der Prüfung erst einmal das Fachabitur machen, informieren ihn die Chefs gezielt darüber, welche Aufstiegsalternativen er im Betrieb hat. Das kann eine Karriere bis hin zum Kundendienstleiter genauso sein wie eine Weiterbildung zur Fachkraft für ein Spezialgebiet oder auch die klassische Meisterausbildung. Im kaufmännischen Bereich bietet die Weiterbildung zum „Betriebswirt des Handwerks“ eine gute Alternative zum Studium. „Wir zeigen den jungen Menschen, welche Perspektiven sie bei uns haben, und helfen dabei, den für sie passenden Weg einzuschlagen“, erklärt Tatjana Lanvermann das Konzept.

Dazu gehört auch, das jeweils passende Modell (Teilzeit, Vollzeit, Abendschule?) für Mitarbeiter und Betrieb zu finden und dem „Schüler“ bei Bedarf auch ein Firmenfahrzeug für den Weg zur Bildungseinrichtung zur Verfügung zu stellen. Von dem im Handwerk üblichen Prinzip, dem Mitarbeiter etwa die Meisterschule zu zahlen und ihn dafür ein paar Jahre im Betrieb „zwangszuverpflichten“, halten die Lanvermanns nichts. Ihre Devise: Die Mitarbeiter sollen nicht wegen des Geldes an den Betrieb gebunden sein, sondern weil sie sich im Familienbetrieb wohlfühlen und für sich gute Entwicklungsmöglichkeiten sehen.

Um die Kosten für die zahlreichen Weiterbildungen in Grenzen zu halten, nutzen die Lanvermanns die von den Herstellern im Sanitär- und Heizungsbereich angebotenen Produkt- und Fachschulungen. Darüber hinaus gibt es Pflichtveranstaltungen in den Bereichen Arbeits- und Brandschutz, auch die Ersthelfer-Ausbildung ist nach Aussage der Unternehmerfrau für alle Mitarbeiter obligatorisch: „Wir finden es wichtig, dass bei Unfällen auf der Baustelle jeder Mitarbeiter weiß, wie er helfen kann.“

Alternativen zu Seminaren & Co.

Welche Schulungen über das Pflichtprogramm hinaus für den jeweiligen Mitarbeiter sinnvoll sind, entscheiden bei Lanvermann die Abteilungsleiter in Absprache mit dem Team. Neben wissbegierigen Charakteren, die ihrem Chef selbstständig Weiterbildungen vorschlagen, gibt es auch im Borkener Betrieb „Weiterbildungsmuffel“, die sich nur schwer für Neues begeistern können. Hier lohnt nach Erfahrung von Tatjana Lanvermann oft ein Blick hinter die Kulissen, sprich: ein individuelles Eingehen auf den Mitarbeiter: „Jeder hat mal Phasen, in denen es privat schlecht läuft und der Kopf einfach nicht frei ist für Neues, das muss man akzeptieren.“ In solchen Fällen heißt es dranbleiben und gezielt später einen neuen Versuch starten . Dabei muss es nicht immer gleich das klassische Eintagesseminar sein, bei Lanvermann nutzen die Mitarbeiter inzwischen auch gerne niederschwellige Angebote wie Video-Tutorials. Da jeder Mitarbeiter mit seinem Firmenhandy oder Tablet online gehen kann, gibt es hier auch keine Ausreden für Weiterbildungsmuffel!

Mit ihrem Ansatz, den Mitarbeitern vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten zu bieten, liegt die Lanvermann GmbH voll im Trend der deutschen Unternehmen. Wie die vom „Institut der Deutschen Wirtschaft“ (IW) in Köln durchgeführte IW-Weiterbildungserhebung zu den Kosten und Nutzen betrieblicher Weiterbildung zeigt, nutzen die Betriebe heute ein deutlich breiteres Spektrum an Weiterbildungsformen, um die Qualifikationsbedarfe zu decken. Bei den Kleinbetrieben bis 49 Mitarbeiter setzen 78 beziehungsweise 79 Prozent auf Lehr- und Informationsveranstaltungen, 77 Prozent wenden Lernen im Prozess der Arbeit an, 76 Prozent verwenden das selbstgesteuerte Lernen mit Medien wie etwa Video-Tutorials. „Vor allem bei den Kleinbetrieben hat das informelle Lernen am Arbeitsplatz deutlich zugenommen“, erklärt Susanne Seyda, Senior Economist für Fachkräftesicherung und Weiterbildung beim IW Köln. Die Gründe liegen nach Aussage der Expertin auf der Hand: Diese Form des Lernens lässt sich sofort umsetzen und ist – bei vorhandener IT-Infrastruktur – relativ kostengünstig.

Wie die IW-Studie zeigt, bieten Kleinbetriebe zwar seltener Weiterbildungen an als Großbetriebe, doch wenn sie welche durchführen, geben sie dafür pro Jahr und Mitarbeiter mit 643 Euro deutlich mehr aus als Großbetriebe (515 Euro). Wie Expertin Seyda bestätigt, ist die fehlende Zeit für die Freistellung der Mitarbeiter inzwischen bei den Kleinbetrieben ein größeres Hindernis als das Geld: „ Je voller die Auftragsbücher, desto weniger Zeit gibt es für die Weiterbildung, in konjunkturell schwächeren Phasen fehlt dagegen oft das Geld.“ Ein Teufelskreis, der sich jedoch durch digitale Angebote und informelle Weiterbildungsformen durchbrechen lasse. Seyda: „Um eine Lernkultur im Betrieb zu entwickeln, muss der Chef seinem Team klarmachen, wie wichtig und wertvoll die Weiterbildung für beide Seiten ist.“

Karrierechancen gezielt aufzeigen

Was die Motive für eine systematische Weiterbildungskultur angeht, zeigt die IW-Studie (siehe Chart 36) ein klares Bild: Über 85 Prozent der Arbeitgeber wollen damit vor allem die Motivation und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter erhöhen. „Der Aspekt der Steigerung der Arbeitgebermarke ist bei Kleinbetrieben noch nicht so im Fokus, hier gibt es noch viel Potenzial“, fordert Expertin Seyda die Betriebe zu einer aktiveren Vermarktung ihrer Karrierechancen auf. Wie gut das auch im Handwerk funktionieren kann, zeigt das Beispiel der Lanvermann GmbH. Obwohl kein Bewerber oder Mitarbeiter nach Aussage von Tatjana Lanvermann einen ausgeklügelten Weiterbildungsplan für alle Positionen erwartet, bringt es bei der Azubi- und Fachkräftegewinnung Vorteile „wenn man als Betrieb ein Konzept und eine Idee zur Weiterbildung hat“.

Fahrplan: Die wichtigsten Schritte für eine systematische Laufbahnplanung

Auf Knopfdruck mal eben das Führungsverhalten zu ändern kann auch bei bester Absicht des Chefs nicht gelingen. Einerseits steckt dahinter ein oft langwieriger Prozess, der Zeit braucht. Andererseits lassen sich Vertrauen und Eigenverantwortung nur dann nachhaltig entwickeln, wenn die Mitarbeiter einbezogen werden.

  1. Maßnahmen analysieren Welche Mitarbeiter haben im vergangenen Jahr Weiterbildungen besucht? Wie viel Zeit wurde dafür aufgewandt? Was waren die wesentlichen Themen? Bevor Sie neue Wege gehen, sollten Sie zunächst die bereits vorhandenen Erfahrungen auswerten. Listen Sie die Weiterbildungstage und Themen pro Mitarbeiter, so erhalten Sie einen guten Überblick über Inhalte und die Weiterbildungsbereitschaft des Teams.
  2. Bedarf ermitteln Je technologie- und serviceorientierter sich eine Branche am Markt darstellt, desto größer ist in der Regel der Weiterbildungsbedarf der im Markt tätigen Anbieter. Nutzen Sie die Checkliste (siehe rechte Seite), um mögliche Themen zu identifizieren, und sprechen Sie zunächst mit den weiterbildungserfahrenen Mitarbeitern, welchen Bedarf Sie sehen und welche der bereits vorhandenen Maßnahmen sich bewährt haben.
  3. Mitarbeiter und Inhalte auswählen Starten Sie mit den Themen, bei denen Sie aktuell den dringendsten Bedarf sehen. Hapert es beispielsweise bei der Abwicklung im Kundendienst, könnte etwa eine Service- und/oder Knigge-Schulung für die Mitarbeiter sinnvoll sein. Besprechen Sie wenn möglich mit jedem Mitarbeiter individuell, wie er sich weiterentwickeln kann und möchte. Dabei sind Sozial- und Methodenkompetenz genauso wichtig wie das für die jeweilige Branche notwendige Fachwissen.
  4. Standards entwickeln Dokumentieren Sie übers Jahr, welche Mitarbeiter mit welchen Ergebnissen und Erfahrungen an Weiterbildungen teilgenommen haben. Dazu gehören nicht nur klassische Seminare, Vorträge oder der Meisterschulkurs, sondern auch der gemeinsame Besuch einer Fach- oder Hausmesse. Entwickeln Sie aus den erfolgversprechendsten Maßnahmen ein festes Angebot für jeden Mitarbeiter oder ausgewählte Mitarbeitergruppen (Kundendienst, Azubis, Werkstatt, Büro etc.).
  5. Team und Öffentlichkeit informieren Erstellen Sie aus den möglichen Maßnahmen für jedes Jahr einen Weiterbildungskalender. Informieren Sie alle Mitarbeiter generell über das Angebot, und legen Sie individuell fest, wer welche Qualifizierung absolvieren soll. Ganz wichtig: Informieren Sie bei Stellenausschreibungen auf der Website, in sozialen Medien oder anderen Kanälen über Ihr Konzept. Ideal ist es, wenn Sie den Karriereweg eines oder mehrerer Mitarbeiter vorstellen. Etwa den des Auszubildenden mit einem mäßigen Schulabschluss, der es durch kontinuierliche Förderung zum Kundendienstleiter geschafft hat.

Checkliste: So prüfen Sie Ihren Weiterbildungsbedarf

Bei Ihnen gibt es aktuell keinen Anlass für Weiterbildungsmaßnahmen? Die folgende Checkliste zeigt, ob Sie damit wirklich richtig liegen. Auch wenn nur ein Punkt auf Ihren Betrieb zutrifft, sollten Sie sich um die Qualifizierung Ihres Teams kümmern.
  • Wir können auf dem Arbeitsmarkt aufgrund von Engpässen keine geeigneten Arbeitskräfte finden.
  • Wir haben Rekrutierungsprobleme auch in solchen Berufen, die aktuell keine Engpässe aufweisen.
  • Viele Tätigkeiten werden sich in den nächsten Jahren weiter verändern, sodass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter andere Qualifikationen benötigen.
  • Wir wollen künftig die Potenziale der Digitalisierung und von Handwerk 4.0 für unser Unternehmen intensiver nutzen.
  • Wir führen neue Technologien oder neue Arbeitsprozesse ein, für die unser Personal noch keine ausreichende Qualifikation besitzt.
  • Wir haben unternehmensspezifische Kompetenzanforderungen, für die es keinen passenden Aus- oder Fortbildungsberuf gibt.
  • Wir wollen unsere Innovationsfähigkeit erhöhen.
  • Wir haben eine im Vergleich zu anderen Betrieben unserer Branche (zu) hohe Fluktuation der Mitarbeiter.
  • Es herrscht eine hohe Unzufriedenheit in der Belegschaft, die Arbeitsmotivation ist generell begrenzt.
  • Unser Unternehmensimage ist verbesserungswürdig.
  • Ältere Fachkräfte gehen in Ruhestand und nehmen ihr Erfahrungswissen mit.

Quelle: KOFA – Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung in Köln

Warum Mitarbeiter Neues lernen wollen

Es geht nicht nur um die Karriere: Viele Menschen haben heute einfach Spaß daran, ihren Horizont zu erweitern.

MotivationProzentzahl
Freude an persönlicher Weiterbildung78
Anschluss im Beruf behalten69
Beruflicher Aufstieg, höheres Gehalt38
Beitrag zum Erfolg des Arbeitgebers31
Arbeitgeber wünscht Weiterbildung29

Quelle: Studie „Wert der Weiterbildung“, Haufe/Forsa 2019

»Chefs sollten das informelle Lernen am Arbeitsplatz fördern, das spart Zeit und Geld.«

Susanne Seyda, Senior Economist für Fachkräftesicherung beim IW Köln.