E-Rechnung, degressive Afa & Co. Wachstumschancengesetz verabschiedet: Endlich Klarheit für Handwerksbetriebe

Das sogenannte Wachstumschancengesetz wurde vom Bundestag bereits Mitte November vorigen Jahres beschlossen. Allgemein wurden die dort vorgesehenen Gesetzesänderungen von der Wirtschaft begrüßt. Dennoch übten die Bundesländer Kritik an dem Gesetzespaket und riefen den Vermittlungsausschuss an. Die CDU-regierten Länder machten ihre Zustimmung unter anderem von der Wiedereinführung der Dieselsubvention für die Landwirtschaft abhängig.

Das Wachstumschancengesetz bietet immerhin einzelne Wachstumsimpulse. Den aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen allerdings werde es nicht gerecht, stellte der Zentralverband des Deutschen Handwerks klar.
Das Wachstumschancengesetz bietet immerhin einzelne Wachstumsimpulse. Den aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen allerdings werde es nicht gerecht, stellte der Zentralverband des Deutschen Handwerks klar. - © Pakin-stock.adobe.com

Es dauerte bis zum Februar dieses Jahres, bis sich der Ausschuss mit dem Gesetz befasste und einen Kompromissvorschlag präsentierte, der vom Bundestag am 23. Februar gebilligt wurde. Am 22. März 2024 kam es zur entscheidenden Abstimmung im Bundesrat. Das vom Vermittlungsausschuss stark gestutzte Gesetz wurde nun auch hier verabschiedet.

Im B2B-Bereich ab 2025 nur noch E-Rechnungen

Ab 2025 werden Unternehmen verpflichtet, elektronische Rechnungen auszustellen, wenn es sich bei dem Abnehmer ebenfalls um ein Unternehmen handelt. In welchem Format die elektronischen Rechnungen erstellt werden müssen, muss noch endgültig von den Finanzbehörden geregelt werden. Die Formate ZuGFeRD und XRechnung werden aller Wahrscheinlichkeit nach den Anforderungen entsprechen. Für andere Modelle, wie das EDI-Verfahren, ist noch offen, ob diese den Anforderungen entsprechen werden. Nicht zulässig werden auf jeden Fall PDF-Dokumente sein.

Degressive Abschreibung als Alternative

Die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ist für Wirtschaftsgüter erlaubt, die zwischen dem 01.04.2024 bis Ende 2024 angeschafft oder hergestellt wurden. Der hierbei angewandte Prozentsatz darf aber das Zweifache des bei einer linearen Abschreibung angewandten Satzes nicht überschreiten. Außerdem wurde der Satz auf 20 Prozent gedeckelt.

Sonderabschreibung

Die Sonderabschreibung für abnutzbare, bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach Paragraph 7g Absatz 5 EstG wurde von 20 Prozent der Investitionskosten rückwirkend zum 01.01.2024 auf 40 Prozent angehoben. Sie kann nur von Betrieben genutzt werden, die im Jahr vor der Investition einen Gewinn von maximal 200.000 Euro erwirtschafteten. Die Neuregelung gilt für Wirtschaftsgüter, die ab dem 1. Januar 2024 angeschafft wurden oder werden.

Geänderter Verlustvortrag in den Jahren 2024 bis 2027

Der Verlustvortrag in den Steuerjahren 2024 bis 2027 ist möglich, wenn in den letzten drei Jahren vor der Verlustentstehung keine positiven Ergebnisse erwirtschaftet wurden. Der Verlustvortrag muss über eine Million (Ledige) beziehungsweise 2 Millionen Euro (Zusammenveranlagte) liegen. Er kann dann nach dem Wachstumschancengesetz in einer Höhe von maximal 70 Prozent (statt bisher 60 Prozent) der Gesamteinkünfte abgezogen werden. Ab 2028 gilt dann wieder die Grenze von 60 Prozent.

Einnahmen-Überschussrechnung-Grenzen angehoben

Die Grenzen, bis zu denen die Einnahmen-Überschussrechnung erlaubt war, wurden angehoben:

UmsatzGewinn
Bisherige Grenze600.000,00 €60.000,00 €
Neue Grenze800.000,00 €80.000,00 €

Weiterhin gilt, dass schon das Überschreiten einer der beiden Grenzen ausreicht, um bilanzieren zu müssen.

Umsatzsteuererklärung bei Kleinunternehmern

Nach dem Wachstumschancengesetz können Kleinunternehmer nach Paragraf 19 UStG vom zuständigen Finanzamt von der Umsatzsteuervoranmeldung und -vorauszahlung befreit werden, wenn die zu zahlende Umsatzsteuer im Vorjahr maximal 2.000,00 Euro betrug.  Die Regelung gilt ab 01.01.2024

Ist-Besteuerung

Die Ist-Besteuerung, nach der der Steuerzahler die Umsatzsteuer erst nach Geldeingang begleichen muss, soll nach dem Wachstumschancengesetz möglich sein, wenn der Vorjahresumsatz 800.000 Euro im Jahr (statt 600.000 Euro) nicht überschreitet.

Haftungsrisiko bei Anwendung der Fünftel-Regelung

Die sogenannte Fünftel-Regelung ist für den Mitarbeiter interessant, wenn er zur Beendigung seiner Beschäftigung eine Abfindung erhält oder in einem Jahr Gehaltsbestandteile ausgezahlt werden, die sich in mehreren Jahren ergeben haben. Die ermäßigte Besteuerung wurde meist bei Ermittlung der Lohnsteuer berücksichtigt. Häufig kam es jedoch vor, dass die Regel angewandt wurde, ohne dass dafür die Voraussetzungen erfüllt waren. Im Ergebnis haftete nun der Arbeitgeber für die nicht abgerechnete Lohnsteuer. Ab 2025 wird die fünftel Regel beim Lohnsteuerabzug nicht mehr angewandt. Damit endet die Haftung des Arbeitgebers. Der Mitarbeiter kann die Anwendung der Regel jedoch beim Finanzamt im Rahmen seiner Steuererklärung beantragen.

Private Nutzung von Firmenfahrzeugen

Bei der sogenannten 1-Prozent-Regel, die bei der privaten Nutzung eines betrieblichen Kfz und bei der Überlassung von Firmenfahrzeuge an die Mitarbeiter zugrunde gelegt wird, galt bisher, dass bei Elektrofahrzeugen nur ein Viertel des Bruttolistenpreises zugrunde gelegt wird, wenn der Bruttopreis 60.000 Euro nicht übersteigt. Nach dem Wachstumschancengesetz wird dieser Grenzwert auf 70.000 Euro angehoben. Er gilt dann auch bei der Anwendung der Fahrtenbuchregelung. Diese Regelung gilt für alle Fahrzeuge, die seit dem 01.01.2024 angeschafft wurden.

Bewertung „junger Wirtschaftsgüter“

Die Einlagen „junger Wirtschaftsgüter“ (Wirtschaftsgüter, die höchstens zwei Jahre vor dem Bewertungsstichtag dem Unternehmen zugeführt wurden) werden nur noch mit den Anschaffungs- beziehungsweise Herstellungskosten bewertet, wenn sie aus dem Privatvermögen stammen. 

Degressive Abschreibung bei Immobilien

Für Wohn-Immobilien wird eine degressive Abschreibung in Höhe von 5 % ermöglicht. Allerdings gilt die Regel nur für Wohnhäuser, die vom Steuerpflichtigen entweder gebaut oder bis deren Fertigstellung gekauft wurden. Beim Immobilienbau muss der Bau zwischen dem 1.Oktober 2023 und dem 30. September 2029 erfolgen. Beim Kauf muss der Vertrag in diesem Zeitraum abgeschlossen sein.

Miet-Immobilien-Sonderabschreibung

Die Sonderabschreibung nach Paragraf 7b EstG für Mietimmobilien kann in Anspruch genommen werden, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt werden:

  • Bauantrag wurde zwischen 1. September 2018 und 31. Dezember 2021 oder
  • zwischen 1. Januar 2023 und 30. September 2029 gestellt.
  • Es muss durch die Maßnahme neuer Wohnraum geschaffen werden.
  • Die Anschaffungs- und Herstellungskosten dürfen 5.200 Euro pro Quadratmeter nicht überschreiten.

Die Bemessungsgrundlage je Quadratmeter Wohnfläche wurde von 2.500 Euro auf 4.000 Euro angehoben.

Freigrenzen für Geschenke

Nach dem Wachstumschancengesetz soll die Grenze für Geschenke an Kunden, Geschäftspartner und deren Mitarbeiter von 35 Euro auf 50 Euro angehoben werden. Die Anhebung gilt ab den Wirtschaftsjahren, die am 1. Januar 2024 oder später beginnen.

Private Geschäfte

Private Veräußerungsgeschäfte bleiben steuerfrei, wenn sie insgesamt in einem Kalenderjahr einen Gewinn von maximal 1.000 Euro nicht überschreiten. Hierbei handelt es sich um eine Freigrenze – bei Überschreiten muss also der gesamte Betrag versteuert werden.

Versorgungsfreibetrag

Rückwirkend ab 2023 wird der anzuwendende Prozentwert zur Bemessung des Versorgungsfreibetrages nach Paragraf 19 Absatz 2 Satz 3 EStG nicht mehr in jährlichen Schritten von 0,8 Prozentpunkten, sondern nur noch in jährlichen Schritten von 0,4 Prozentpunkten verringert. Der Höchstbetrag sinkt ab dem Jahr 2023 um jährlich 30 Euro und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag um jährlich 9 Euro.

Versteuerung von Renten

Mit Wirkung des Jahres 2023 wird für jeden Rentenjahrgang der zu versteuernde Rentenanteil um 0,5 Prozent gesenkt. Dadurch verschiebt sich der Zeitpunkt, ab dem eine Rente komplett versteuert werden muss, vom Renteneintritt im Jahr 2040 auf das Jahr 2058.

Gleichzeitig wird ab 2023 der Altersentlastungsbetrag (Paragraf 24a Satz 5 EstG) angepasst, indem der jährlich anzuwendende Prozentsatz von 0,8 auf 0,4 Prozentpunkte verringert. Auch der Höchstbetrag wird halbiert.

Ausgelagerte Regeln

Bereits am 15.Dezember 2023 wurde das „Kreditzweitmarktförderungsgesetz“ verabschiedet. Damit einige für das Wachstumschancengesetz geplante Regelungen doch noch zum Jahreswechsel umgesetzt werden konnten, wurden einige Bestimmungen in das Kreditzweitmarktförderungsgesetz ausgelagert:

  • „Dezemberhilfe“ von 300 Euro wird nicht versteuert.
  • Voraussetzungen, damit das MoPeG (Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts) in Kraft treten konnte.
  • „Zinsschranke“ im Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz.
  •  Termin des Datenaustausches zwischen Unternehmen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung, der Finanzverwaltung und den Arbeitgebern wird vom  1. Januar 2024 auf 1. Januar 2026 verschoben.
  •  Berücksichtigung von Beitragsermäßigungen in der sozialen Pflegeversicherung für Kinder im Lohnsteuerabzugsverfahren.

Auf Druck der Länder gestrichen

Das ursprünglich vorgelegte Wachstumschancengesetz umfasste eine ganze Reihe weiterer Neuregelungen, die dem Vermittlungsausschuss zum Opfer fielen.

  • Die Anhebung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter wurde gestrichen, sodass es bei 800,00 Euro bleibt.
  • Die Grenze für bewegliche Anlagegüter, die in einem Sammelpool über fünf Jahre abgeschrieben werden, wurde nicht von 1.000 auf 5.000 Euro angehoben. Auch der Abschreibungszeitraum bleibt bei drei Jahren und wird nicht – wie geplant – auf fünf Jahre angehoben.
  • Der Freibetrag für Betriebsveranstaltungen wird nicht von 110 Euro auf 150 Euro angehoben.
  • Die Sätze für den Verpflegungsmehraufwand bei beruflichen Auswärtstätigkeiten bleiben ebenfalls unverändert.

Die Richtung stimmt – das Tempo nicht

Seitens der Wirtschaft wird das Gesetz grundsätzlich begrüßt. Der Kurs sei richtig, aber man gehe zu langsam voran. Nachdem das Entlastungsvolumen im Vermittlungsausschuss nahezu halbiert wurde, zeigen sich viele Vertreter von Industrie und Mittelstand doch enttäuscht. "Den wirtschaftlichen Herausforderungen wird es nicht gerecht," stellt Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks klar und führt weiter aus: "Aus diesem Grund braucht es ein neues, mittelstandsorientiertes Wachstumspaket, das statt halbherziger Weichenstellungen wirklich einen klaren Wachstumspfad einschlägt." Auch die Bundesregierung scheint mit dem Erreichten nicht gerade glücklich zu sein und kündigt weitere Maßnahmen an. Auf X (Twitter) räumte Wirtschaftsminister Christian Lindner (FDP) ein, dass das Volumen wesentlich kleiner ist, als ursprünglich geplant. Weitere Schritte müssten nun folgen. Er versprach „Wir arbeiten daran“,