Kolumne "Professioneller Bauablauf" von Andreas Scheibe, 30. Folge VOB: Wenn sich Handwerker unter Druck setzen lassen, werden Projekte zu "Spendenaktionen" für Bauherren

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Auftragsabwicklung, Baurecht und Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe

Das ganze Jahr über bekommen laut Andreas Scheibe öffentliche Bauherren von Handwerksbetrieben Milliarden von Euro geschenkt – einfach so! Als Spende, Obolus oder aber für den Frieden. Fast wie eine Art Belohnung. Und zwar dafür, dass sie es immer wieder erfolgreich schaffen, Handwerkern einzureden, dass diesen während eines Projekts nicht so viel zusteht wie es eigentlich der Fall ist. Oder aber, dass die zusätzlich gewünschten Leistungen bereits inklusive sind. Und weil Handwerker sich unter Druck setzen lassen und dieser Handhabung nicht widersetzen – auch aus Angst Auftraggeber zu verlieren – werde weiterhin geleistet ohne rechtmäßig zustehende Vergütung. "Da muss sich etwas ändern!", meint der Experte und erklärt in der 30. Folge von „Professioneller Bauablauf“, wo Betriebe ansetzen können.

In der 30. Folge von „Professioneller Bauablauf" schreibt Kolumnist Andreas Scheibe darüber, was es für einen Handwerksbetrieb zu tun gilt, wenn ein Projekt zur Spendenaktion für den Bauherren wird
Wenn sich ein Projekt zur Spendenaktion für den Bauherren entwickelt, muss ein Betrieb schnell handeln. Wie? Das verrät Kolumnist Andreas Scheibe in der 30. Folge von „Professioneller Bauablauf“. - © Ideenkoch – stock.adobe.com

Die Planung ist zwar noch unvollständig, doch deine Bauarbeiten haben bereits begonnen. Gemeinsam mit dem Architekten hast du auch Planungslücken per Zeichnung an der Wand auf der Baustelle geschlossen und dennoch will sich jetzt am Ende keiner mehr daran erinnern, was exakt besprochen wurde. Typisch! Ursprünglich waren nur 3.000 Stunden kalkuliert, doch mittlerweile stehen schon 6.000 auf der Uhr, die natürlich keiner bezahlen will. In unangenehmen Telefonaten mit Architekten und Bauherrenvertretern heißt es nur, dass du schnellstmöglich mit mehr Manpower das Projekt fertigstellen sollst.

Dein Problem ist aber das Chaos sowie der massive Druck, der auf dich und deinen Projektleiter ausgeübt wird, ihr als Deppen dasteht und schließlich das gesamte Bauprojekt vermasselt haben sollt. Und natürlich ist am Ende nichts wirklich zufriedenstellend abgeschlossen, das Projekt schreibt rote Zahlen und bereitet dir und deinem Team permanente Bauchschmerzen – und zwar auch noch Monate nach dem eigentlichen Bauende!

Ein Nachtrag ist wie ein heißes Eisen

Nachträge bedeuten für viele Handwerker Folgendes: Es ist zwar eine Möglichkeit Kosten auszugleichen, aber keine Angelegenheit, die gern erledigt wird. Nachträge fühlen sich an wie heiße Eisen. Daran verbrennt man sich nicht nur die Finger, sondern meist auch die gute Zusammenarbeit. Hat man als Handwerker mal den einen oder anderen Nachtrag geschrieben, hat man mit Sicherheit schnell gemerkt, dass man sich mit diesem Schreiben alles andere als Freunde gemacht hat. Eine Ablehnung nach der anderen trudelt ein und wenn irgendwann auch ein Rechtsanwaltsschreiben reinflattert, knickt das Rückgrat ganz durch. Technische Nachträge sind dabei nicht das Problem, wovon ich hier spreche, vielmehr sind es zum Beispiel Nachträge für Bauzeitverlängerung.

Projekte sind keine Spendenaktion

Nehmen wir einmal Folgendes an: Ein Projekt mit einer Laufzeit von zwei Monaten für einen Auftragswert von ca. 200.000 Euro verschiebt sich um zwei bis vier Wochen. In dieser Zeit erleidet der Handwerker eine Unterdeckung von 30.000 bis 40.000 Euro. Aber weil sich der Handwerker dann NICHT dafür entscheidet, diese Kosten abzurechnen, spendet er dem Bauherren gewissermaßen dieses Geld. Mein Appell lautet also: Hört auf dem Auftraggeber diese Unterdeckungen zu spenden, nur weil ihr sie NICHT abrechnen wollt. Am Ende fehlt euch das Geld und dem Bauherren ist es komplett egal!

Aufklärung als Gebot der Stunde

Das ist aber nicht die einzige Sache, die sich wirklich drastisch ändern muss. Viel wichtiger ist es, mit dem Auftraggeber in eine gute Kommunikation zu kommen. Und zwar eine, die ihm hilft zu erkennen, wo genau sein Denkfehler liegt und dass er mit seinem Verhalten nicht zum Erfolg des Projekts beiträgt. Doch die Mitwirkungspflicht eines Bauherren ist genauso entscheidend wie das Hämmern, Schrauben und Bauen des Handwerkers. Aufklärung ist damit also das Gebot der Stunde. Wenn Handwerker nicht endlich damit anfangen, dann wird es weiterhin so laufen, dass Projektleiter, Obermonteure und Facharbeiter auf der Baustelle damit beschäftigt sind, Planungslücken zu schließen – für lau. Also Schluss mit dem Spenden!

Handwerker sollten also Folgendes verinnerlichen: Was sie wirklich leisten müssen, was in ihren Verträgen steht und was das Rechte- als auch Pflichtenverhältnis für alle Projektbeteiligten mit sich bringt. Aber auch welche Argumente sie anbringen können, wenn etwa schlechte Post kommt oder wieder das Telefon klingelt.

Über Autor Andreas Scheibe:
Andreas Scheibe
© Continu-ING GmbH

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!

Mit der Continu-ING GmbH (lücken-im-lv.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.

"Stark im Handwerk – das Buch für Handwerker im VOB-Projektgeschäft"

Im August 2021 ist das erste Buch "Stark im Handwerk" von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die in der VOB viel Potenzial und auch viel Geld für Handwerker steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen. "Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht", erklärt Andreas Scheibe.

In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte und Pflichten eines Handwerkers als auch auf die Rechte und Pflichten der anderen Projektbeteiligten zu sprechen. Denn genau diese sind im Detail in der VOB geregelt. Die Formulierungen klingen jedoch oft kompliziert und die Anwendung ist daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Einfordern von Pflichten, sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen, gerecht bezahlt werden und zu alter Stärke zurückfinden.

stark-im-handwerk.de

Neues Buch: "Der professionelle Bauablauf – Das Schritt-für-Schritt System um deine Liquidität nachhaltig zu sichern"

Im August 2023 erschien das bereits dritte Buch von Andreas Scheibe „Der professionelle Bauablauf“. In diesem Buch sind viele Jahre Erfahrung in der Durchführung und auch Beratung von hunderten Handwerksunternehmen eingeflossen. Daraus entstanden ist ein praxiserprobtes und sofort umsetzbares Schritt-für-Schritt System welches mehr Klarheit und Sicherheit im Bauablauf für Handwerker verspricht. In diesem Buch geht es um notwendige Fähigkeiten um standardisierte Ablaufpläne zu erstellen, hochprofitable Nachträge durchzusetzen und berechtigte Forderungen darzulegen, zu begründen und zu verhandeln.

In seinem Buch geht Andreas Scheibe auch auf die 47 häufigsten und teuersten Fehler in VOB-Projekten ein, und wie sich diese verhindern lassen. Am Ende geht es darum, einen standardisierten Schriftverkehr einzuführen und Projekte strukturiert und profitabel abzuwickeln. Und das nach den Spielregeln der VOB.

der-professionelle-bauablauf .de