Kolumne "Professioneller Bauablauf" von Andreas Scheibe, 22. Folge VOB: Bei Bauzeitverlängerungen professionell und transparent beim Bauherrn um Verständnis werben!

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Auftragsabwicklung, Baurecht, Kundenbindung und Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe

Als Handwerker auf seinen Auftraggeber zuzugehen und einen Nachtrag auf Bauzeitverlängerung zu stellen kann zur unangenehmen Angelegenheit werden. Klar, keiner mag Mehrkosten! Sind diese allerdings berechtigt und der Umgang damit professionell, ist das Vertragsverhältnis auch nicht gefährdet. Kolumnist Andreas Scheibe verrät in der 22. Folge von "Professioneller Bauablauf", wie Handwerker bei einer Bauzeitverschiebung am besten vorgehen sollten.

Kolumnist Andreas Scheibe berichtet in der 22. Folge von "Professioneller Bauablauf“ wie man mit Bauzeitverlängerungen umgeht
Bauzeitverschiebungen sind meist mit Mehrkosten verbunden. Für ein gutes Geschäftsverhältnis braucht es hier einen professionellen Umgang. - © mrmohock – stock.adobe.com

Vor gar nicht allzu langer Zeit erzählte mir ein Klient eine witzige Geschichte. Es war – wie so oft im VOB-Projektgeschäft – zu einer Bauzeitverlängerung gekommen. Das heißt: Der Handwerker sollte länger arbeiten als vertraglich vereinbart war. Er stellte dem Auftraggeber also einen Nachtrag für Bauzeitverlängerung aus und lies ihm diesen zukommen. Nach einigen Tagen bekam der Handwerker dann einen Anruf, in dem ihm der Auftraggeber geradezu freudig mitteilte, dass er die entstandenen Kosten ohne Wenn und Aber umgehend erstatten würde.

Völlig perplex bedankte sich der Handwerker und meldete sich daraufhin mit der freudigen Nachricht bei mir. Im Telefonat hatte der Auftraggeber einen ganz entscheidenden Satz gesagt: Der Nachtrag sei so einfach, aber doch detailliert genug aufgestellt gewesen, dass es sonnenklar sei, dass dem Handwerker jetzt eine Mehrvergütung zustünde. Es gäbe keinen Zweifel, sondern schlichtweg pures Verständnis für den Handwerker und dessen Arbeitsweise.

Sicher(er) Arbeiten mit einem Profi

Ich habe eine Weile darüber nachgedacht und ich denke, eine Erklärung für diese Reaktion gefunden zu haben. Wenn man eine Dienstleistung einkauft und im Prozess der Zusammenarbeit merkt, dass man es auf der anderen Seite mit einem Profi zu tun hat, dann stellt sich auch ein Vertrauensverhältnis ein. Dann wird verständlich, dass für eine gute Dienstleistung auch ein entsprechender Gegenwert existieren muss.

Wenn sich ein Projekt in guten Händen befindet, freut man sich über Sicherheit, entwickelt allmählich Vertrauen sowie Zuversicht. Und man hat weniger Bauchschmerzen, wenn es dann auch mal zu berechtigten Zusatzkosten kommt. Wer mit einem Profi zusammenarbeitet, freut sich schließlich zu wissen, dass alles Nötige getan wird, um eben jenes Projekt zu schützen.

Für mehr Verständnis werben

Zudem ist der Nachtrag auch richtig kommuniziert worden. Der Handwerker hatte dem Auftraggeber keineswegs wortlos den Nachtrag hingeknallt. Vielmehr wies er im Vorfeld offen und freundlich auf die Probleme hin, die eine solche Bauzeitverschiebung mit sich bringe, aber auch welche Lösungen es hierfür geben würde. Dass eine neue Lösung für das Problem mit Mehrkosten verbunden ist, wird durch diese Vorgehensweise sehr viel leichter verständlich für das Gegenüber. Im ersten Schritt geht es also darum für Verständnis zu werben. Wir Handwerker sind ja schließlich Lösungsanbieter und keine Problemverschlimmerer, nicht wahr?

Mit anderen Menschen richtig umgehen lernen

Wie oft höre ich, dass der Bauherr sich nicht mehr meldet, nirgends aufzuspüren ist, komplett abblockt oder sich verleugnen lässt. Natürlich gibt es schwierige Charaktere, deshalb gilt es auch immer die richtige Ansprache zu finden. Aber das ist ja leider ein Punkt, der nicht nur die Arbeitswelt betrifft. Ich denke, es ist durchaus richtig, wenn man behauptet: 80 Prozent des Lebens entscheiden sich dadurch, wie wir mit anderen Menschen umgehen können. Verprellen wir die anderen mit unseren und deren Rechten als auch Pflichten oder holen wir sie mit ins Boot?

Jetzt selbst zum Profi werden

Probleme auf Baustellen gibt es schon genug, also arbeiten Sie an Lösungen! Die Branche hat es immerhin schwer genug. Werden Sie zu Erklärern, zu Mit-ins-Boot-holern. Mehr noch: Werden Sie zu Profis.

Über Autor Andreas Scheibe:
Andreas Scheibe
© Continu-ING GmbH

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!

Mit der Continu-ING GmbH (lücken-im-lv.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.

"Stark im Handwerk – das Buch für Handwerker im VOB-Projektgeschäft"

Im August 2021 ist das erste Buch "Stark im Handwerk" von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die in der VOB viel Potenzial und auch viel Geld für Handwerker steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen. "Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht", erklärt Andreas Scheibe.

In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte und Pflichten eines Handwerkers als auch auf die Rechte und Pflichten der anderen Projektbeteiligten zu sprechen. Denn genau diese sind im Detail in der VOB geregelt. Die Formulierungen klingen jedoch oft kompliziert und die Anwendung ist daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Einfordern von Pflichten, sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen, gerecht bezahlt werden und zu alter Stärke zurückfinden.

stark-im-handwerk.de

Neues Buch: "Der professionelle Bauablauf – Das Schritt-für-Schritt System um deine Liquidität nachhaltig zu sichern"

Im August 2023 erschien das bereits dritte Buch von Andreas Scheibe „Der professionelle Bauablauf“. In diesem Buch sind viele Jahre Erfahrung in der Durchführung und auch Beratung von hunderten Handwerksunternehmen eingeflossen. Daraus entstanden ist ein praxiserprobtes und sofort umsetzbares Schritt-für-Schritt System welches mehr Klarheit und Sicherheit im Bauablauf für Handwerker verspricht. In diesem Buch geht es um notwendige Fähigkeiten um standardisierte Ablaufpläne zu erstellen, hochprofitable Nachträge durchzusetzen und berechtigte Forderungen darzulegen, zu begründen und zu verhandeln.

In seinem Buch geht Andreas Scheibe auch auf die 47 häufigsten und teuersten Fehler in VOB-Projekten ein, und wie sich diese verhindern lassen. Am Ende geht es darum, einen standardisierten Schriftverkehr einzuführen und Projekte strukturiert und profitabel abzuwickeln. Und das nach den Spielregeln der VOB.

der-professionelle-bauablauf .de