Kolumne "Professioneller Bauablauf" von Andreas Scheibe, 34. Folge VOB: Mit den richtigen Bieterfragen den Auftraggeber zur Pflichterfüllung bewegen

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Auftragsabwicklung, Baurecht, Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe und Vergaberecht

Wer an Vergabeverfahren im öffentlichen Bereich teilnimmt, sollte wissen, dass es eine Pflicht zu Hinweisen gibt. Hier kommt das vorvertragliche Vertrauensverhältnis ins Spiel. Dies gilt vom Zeitpunkt des Downloads der GAEB-Datei bis hin zur Submission. Das bedeutet, dass ein Bieter die Pflicht hat, auf offensichtliche Fehler in der Leistungsbeschreibung hinzuweisen. Solche Bieterfragen sind da, um Planungsfehler etc. noch vor Baubeginn auszuräumen. Im Folgenden stellt Andreas Scheibe in seiner Kolumne „Professioneller Bauablauf“ drei der elf wichtigsten Bieterfragen vor, die umgehend zu Tempo und Klarheit in der Vergabephase führen und das Projekt von Tag eins an auf eine solide Basis stellen.

In der 34. Folge von „Professioneller Bauablauf" stellt Kolumnist Andreas Scheibe die richtigen Bieterfragen an den Auftraggeber zur Pflichterfüllung vor
Um transparent, zielorientiert und mit allen wichtigen Informationen versorgt in ein Bauprojekt zu starten, gilt es vorher die richtigen Bieterfragen an den Auftraggeber zu stellen. - © auremar - stock.adobe.com

Unser Ziel sind Transparenz und Vollständigkeit sämtlicher Unterlagen während eines VOB-Projekts. Mit nur wenigen Rückfragen ist dieser Status quo ganz einfach zu erreichen, denn es zieht die Vergabestelle rund um den Bauherren direkt in die Verantwortung.

Bieterfrage 1

Frage 1 für maximale Planqualität in der TGA lautet: „Wir gehen davon aus, dass wir die Ausführungsunterlagen gemäß den Vorlagen der VDI 6026 und der VOB/C erhalten. Ist diese Annahme korrekt?“

Was genau bringt uns diese Frage? Es häufen sich die Projekte, in denen die Ausführungsunterlagen unvollständig sind. Und das wiederum bedeutet, dass die Leistungsverzeichnisse (LV) später nicht zu den Plänen passen. Leider kommt es sogar immer öfter vor, dass es gar keine Pläne gibt. Das alles führt zu viel Durcheinander und Ineffizienz auf der Baustelle. Ein „Ja“ vom Auftraggeber ist natürlich eine gute Sache! Ihr wisst genau, womit ihr rechnen und worauf ihr euch berufen könnt, wenn am Ende dann doch wieder nur Schrottpläne vor euch liegen.

Bieterfrage 2

Kommen wir zu Frage 2: „Dürfen wir davon ausgehen, dass die Ausführungsunterlagen vor Erstellung der Leistungsverzeichnisse vom Auftraggeber freigegeben wurden?“

Um eine Vergabe VOB-konform durchzuführen, gibt das Vergabehandbuch dem Auftraggeber recht klare Vorgaben darüber, wie das Ganze auszusehen hat, welche Reihenfolge es also gibt. Konkret heißt das: Zunächst sollte alles super geplant sein und dann erst wird ein Handwerker gesucht. Kein Auftraggeber (AG) würde auf diese Frage mit „Nein“ antworten. So oder so ist der Auftraggeber also gezwungen seine Planung in Ordnung zu bringen, bevor die Bauphase überhaupt beginnt. Sonst begeht er laut Vergabehandbuch eine Pflichtverletzung. Und Pflichtverletzungen bedeuten für uns auch immer Geld verdienen und zwar durch leicht durchsetzbare Nachträge. Diese Frage ist also ein zweiter großer Hebel beim Thema mangelfreie und vollständige Ausführungsunterlagen.

Bieterfrage 3

Weiter geht's mit Frage 3: „Wir gehen davon aus, dass uns die vollständigen Ausführungsunterlagen 21 Tage vor Ausführungsbeginn vorgelegt werden. Ist diese Annahme korrekt?“ Kein öffentlicher Auftraggeber will sich gerne dazu bewegen lassen einen Planliefertermin vertraglich festzulegen. Aber mit dieser Frage bekommen wir ihn trotzdem dazu eine konkrete Antwort zu liefern. Denn ein „Ja“ bedeutet die Bestätigung dieses Termins. Sagt er „Sie bekommen die Unterlagen rechtzeitig“ sind wir nach wie vor bei 21 Tagen, denn in der Rechtsprechung bedeutet „rechtzeitig“ immer 21 Tage.

Verstreicht dieser Termin also ohne Lieferung der Ausführungsunterlagen (AFU), könnt ihr direkt einen Nachtrag anbahnen. Viel wichtiger für euch ist jedoch, dass ihr dadurch Klarheit für eure Projektplanung und Disposition schafft. Denn ihr wollt ja effektiv und effizient arbeiten, aber auch euer Material rechtzeitig bestellen. All dies setzt voraus, dass der Bauablauf planbar ist, und planbar ist dieser nur, wenn die geforderte Ausführung klar ist.

Transparenz im Vergabeverfahren schaffen

Die Antworten auf eure Fragen müssen im Übrigen auch allen Bietern zur Verfügung gestellt werden. Damit schafft ihr also Transparenz im Vergabeverfahren und ermöglicht gleichzeitig eine bessere Vergleichbarkeit der abgegebenen Angebote, da jegliche Unklarheiten bereits vor Submission geklärt werden können.

Vom Finden aller Antworten

Und so nageln wir den AG immer weiter und weiter fest, sich an die Vorgaben der VOB und des Vergabehandbuchs zu halten. Natürlich gibt es noch weitere Antwortmöglichkeiten seitens der Vergabestelle. Aber auch hierfür gibt es adäquate Handlungswege in Form von Anschlussfragen. Und so beginnt das Schachspiel noch bevor der erste Bagger auf der Baustelle angerollt ist.

Über Autor Andreas Scheibe:
Andreas Scheibe
© Continu-ING GmbH

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!

Mit der Continu-ING GmbH (lücken-im-lv.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.

"Stark im Handwerk – das Buch für Handwerker im VOB-Projektgeschäft"

Im August 2021 ist das erste Buch "Stark im Handwerk" von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die in der VOB viel Potenzial und auch viel Geld für Handwerker steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen. "Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht", erklärt Andreas Scheibe.

In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte und Pflichten eines Handwerkers als auch auf die Rechte und Pflichten der anderen Projektbeteiligten zu sprechen. Denn genau diese sind im Detail in der VOB geregelt. Die Formulierungen klingen jedoch oft kompliziert und die Anwendung ist daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Einfordern von Pflichten, sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen, gerecht bezahlt werden und zu alter Stärke zurückfinden.

stark-im-handwerk.de

Neues Buch: "Der professionelle Bauablauf – Das Schritt-für-Schritt System um deine Liquidität nachhaltig zu sichern"

Im August 2023 erschien das bereits dritte Buch von Andreas Scheibe „Der professionelle Bauablauf“. In diesem Buch sind viele Jahre Erfahrung in der Durchführung und auch Beratung von hunderten Handwerksunternehmen eingeflossen. Daraus entstanden ist ein praxiserprobtes und sofort umsetzbares Schritt-für-Schritt System welches mehr Klarheit und Sicherheit im Bauablauf für Handwerker verspricht. In diesem Buch geht es um notwendige Fähigkeiten um standardisierte Ablaufpläne zu erstellen, hochprofitable Nachträge durchzusetzen und berechtigte Forderungen darzulegen, zu begründen und zu verhandeln.

In seinem Buch geht Andreas Scheibe auch auf die 47 häufigsten und teuersten Fehler in VOB-Projekten ein, und wie sich diese verhindern lassen. Am Ende geht es darum, einen standardisierten Schriftverkehr einzuführen und Projekte strukturiert und profitabel abzuwickeln. Und das nach den Spielregeln der VOB.

der-professionelle-bauablauf.de