Interview mit Günther Ohland Smart City Ahaus: Westfälische Modellstadt zeigt, wie vernetzte Lösungen viel Energie einsparen

Zugehörige Themenseiten:
Energieeffizienz, Energiesparen, IT-Trends und Smart Home

Klimawandel, Energieverknappung, Leerstände bei Handel und Gastronomie sowie wachsende Aufgabenflut in der Verwaltung: Um diese Herausforderungen zu bewältigen, versammelt Günther Ohland, Vorstandsvorsitzender der Smarthome Initiative Deutschland, Smart Building Planer und Realisierer ins westfälische Ahaus als der smartesten Kleinstadt Deutschlands.

Smarte Städte müssen nicht groß, aber gut vernetzt sein. - © jamesteohart - stock.adobe.com
Herr Ohland, für die nächste Konferenz der Smarthome Initiative Deutschland haben Sie Ahaus als Veranstaltungsort und Schauplatz für intelligente Anwendungen ausgewählt. Was qualifiziert die Kleinstadt zu einer Smart City – und was gibt es dort zu lernen?

Bei großen Erhebungen zur smartesten Stadt in Deutschland gelangen meist Hamburg oder München aufs Podest. Kleinere Städte stehen offenbar gar nicht im Fokus der Analysten. Dabei wird in Ahaus sehr viel ausprobiert: Die Software-Firma Tobit findet gemeinsam mit der Stadt innovative Anwendungsszenarien. Ein Beispiel ist das Hotel Smartel das zunächst keinen Nachfolger gefunden hat, und durch Tobit nun weitergeführt wird – ganz ohne viel Aufwand und Personal. Anstatt für das Hotel ein eigenes Frühstücksbuffet anzubieten, das Zeit und Fachkräfte beansprucht, stammt das Frühstück zum Beispiel vom Bäcker um die Ecke. Die Hotelgäste ordern ihr Frühstück für den nächsten Tag am Vorabend an der Hotelrezeption und erhalten die bestellten Waren dann direkt im Café beim Bäcker.

Smart bedeutet in Ahaus vor allem die geschickte Vernetzung von Angebot und Nachfrage?

Dafür gibt es etliche Beispiele in der Stadt, die wir auf der Konferenz zeigen. Eines davon ist eine Pizzeria: Ihre Besonderheit ist, dass sie ganz ohne Küche auskommt. Der Wirt ist ein sehr guter Verkäufer, der sich gerne persönlich um seine Gäste kümmert. Die Pizza jedoch lässt er für seine Gäste vom Restaurant nebenan backen. Als Nachspeise gibt es dann eine Auswahl an Eisbechern von der Eisdiele, die sich 25 Meter entfernt befindet. So lassen sich Ressourcen sparen, indem die vorhandene Infrastruktur smart genutzt wird. Es gibt aber noch andere Beispiele, von denen sich viele Städte beim Thema Energiesparen inspirieren lassen können. In der Schule sorgt zum Beispiel ein intelligentes Heizsystem dafür, dass die Räume im Vergleich zu anderen Schulen mit 30 Prozent weniger Gas auskommen. Einfach indem nur dann geheizt wird, wenn die Schüler auch in den Räumen sind. Gelüftet wird zudem über intelligente Lüftungssysteme, die belüften, wenn keiner mehr im Raum ist.

Wie reagieren die Einwohner auf die Angebote?

Alle Bewohner von Ahaus können bei den Projekten partizipieren. Wer zum Beispiel Obst oder Gemüse verkauft, kann sie in der Stadt auslegen und anbieten. Der Käufer kann die ausgewählten Waren dann einscannen und per App beim Anbieter bezahlen. Die App ist übrigens ein Angebot der Stadt, über die sich alle Produkte oder Dienstleistungen bezahlen lassen. Dazu gehören auch Heizpilze vor den Gaststätten, die gerne von Rauchern beansprucht werden – ganz nach dem Prinzip, wer Energieverbrauch verursacht, zahlt auch dafür. Indem sie den Pilz aktivieren, bezahlen sie jede beanspruchte Minute per App. Über solche kleinen Aktionen und Installationen entsteht viel Energieersparnis und Nachhaltigkeit.

Was kann das Handwerk daraus lernen?

Handwerker können dasselbe in ihrer Stadt voranbringen, indem sie Verwaltung, Handel, Hotels und Gastronomie ins Boot holen, und einzelne Services miteinander vernetzen und smart machen. Das Beispiel Ahaus zeigt: Um Gebäude und Städte smart zu machen, benötigen wir keine Professoren, sondern experimentierfreudige Praktiker.