Interview zum Award Prof. Dr. Michael Auer über den "Seifriz" 2024: "Ich traue dem Handwerk eine Menge zu"

Zugehörige Themenseiten:
Geschäftsideen, Kooperationen und Technologietransfer

Als Vorstand der Steinbeis-Stiftung ist Professor Michael Auer der ideale Gesprächspartner, wenn es um das Thema Wissenstransfer geht. Der promovierte Ingenieur verrät im Gespräch, warum das Handwerk eine wichtige Rolle beim Problemlösen spielt, wieso Betriebschefs und Wissenschaftler zusammenarbeiten sollten und was der Reiz des „Seifriz“ ist.

Prof. Dr. Michael Auer ist Vorstands­vorsitzender der Steinbeis-Stiftung und Jurymitglied des „Seifriz“.
Prof. Dr. Michael Auer ist Vorstands­vorsitzender der Steinbeis-Stiftung und Jurymitglied des „Seifriz“. - © Steinbeis
handwerk magazin: Herr Professor Auer, Handwerkschefs können sich jetzt gemeinsam mit ihrem Wissenschaftspartner für die Auszeichnung „der Seifriz“ bewerben. Wie groß ist Ihre Neugierde auf die eingereichten Projekte.

Prof. Dr. Auer: Die Neugierde ist natürlich sehr groß! Erstens, weil ich sehr positiv zur Innovationskraft des Handwerks eingestellt bin. Zweitens: Seit ich als Jurymitglied den „Seifriz“ begleiten darf, wurde mir auch immer wieder bestätigt, dass Wissenschaft und Handwerk durchaus zusammengehören können. Voraussetzung: Die Wissenschaft muss sich auf die spezifischen Kriterien des Handwerks einstellen – und umgekehrt.

Macht das den besonderen Reiz dieses Awards aus, dass sich diese beiden Partner aufeinander einstellen?

Auf jeden Fall! Weil man vermeintlich eben meint: Die gehören ja gar nicht zusammen. Vermeintlich könnte man denken, dass Handwerk nichts mit dem Kopf zu tun hat und Wissenschaft nichts mit der Hand. Das ist natürlich nicht der Fall! Wenn ich heute sehe, wie auch die Konvergenz der Technologien das Handwerk erreicht, sage ich, dass ist hochkomplex – es gibt eine hohe Bereitschaft im Handwerk, diese Komplexität aufzunehmen und in eine sehr anwendungsbezogene Umsetzung zu bringen. Zum Teil eben mit Losgröße eins, also mit Einzelstücken oder Einzelprojekten. Das finde ich sehr faszinierend.

Warum ist der Transfer von der Wissenschaft ins Handwerk und umgekehrt so wichtig?

Am Ende des Tages müssen Ideen und Forschungen in das tägliche Leben einfließen. Denken Sie nur an die Wärmewende. Wie kann eine Transformation in diesem Bereich ohne das Handwerk stattfinden? Das geht nur mit dem Handwerk, also müssen die Innovationen auch im Handwerk ankommen. Dafür braucht es adaptionsfähige Handwerker, die sagen: „Jawoll, ich verstehe das!“ Es bedarf aber auch einer Wissenschaft, die die Innovationen so transferiert, dass es zur Adap­tion im Handwerk kommt.

Beim „Seifriz“ werden ja genau diese Tandems ausgezeichnet. Wie offen sind in diesen Projekten die Wissenschaftler fürs Handwerk?

In der Juryarbeit und bei den Preisverleihungen spürt man ein deutliches Miteinander. Aber klar, das Handwerk steht vielleicht in der Wissenschaft noch nicht so im Fokus, weil es hier nicht die ganz so großen Fördersummen gibt. Ob das Handwerk eine primäre Forschung stemmen kann, weiß ich nicht so genau. Bedeutet: Es muss also schon eine gewisse Vor-Forschung vorhanden sein, die dann im Handwerk in die Anwendung kommt. Ein kleines Handicap ist heute vielleicht immer noch, dass sich die beiden Partner nicht systematisch finden. Gelingt es aber, einen transferfähigen Wissenschaftler und einen adaptionsfähigen Handwerker zusammenzubringen und einen gewissen Vertrauensraum zu schaffen, dann kommen gute, faszinierende Projekte heraus. Übrigens machen hier die Innovationsberater der Kammern einen guten Job, als Kümmerer bringen sie beide ins Gespräch.

Wäre das ein Tipp von Ihnen, bei der Suche nach dem passenden Wissenschaftspartner diesen Kümmerer anzusprechen?

Wenn ich Handwerker wäre, wäre das immer mein erster Ansprechpartner.

Schauen Sie eigentlich als Seifriz-Jurymitglied mit einem besonderen Wissenschaftsblick auf die Bewerberinnen und Bewerber? Mit Ihrer Vita wäre das ja naheliegend.

Ja, wobei zur Vita auch mein Vater gehört, der einen Meisterbrief im Handwerk hat und der mir als Ingenieur immer wieder sagte: „Denke bitte daran, wer das später umsetzen muss.“ Ich schaue eher mit einem gewissen Anliegen auf die Bewerbungen: Innovationen im Handwerk und fürs Handwerk sind immer ganz direkte, ganz lebensnahe Anwendungen. Kontext Handwerk – das ist immer mein Maßstab.

Was zeichnet für Sie als Wissenstransfer-Experte ein Gewinnerprojekt aus?

Am Ende des Tages spiegelt sich der erfolgreiche Transfer in einer wirtschaftlichen Anerkennung wider. Beim „Seifriz“ haben wir ja auch die Kriterien erweitert, es muss ja nicht immer ein Produkt herauskommen, sondern auch ein effizienterer Prozess kann ausgezeichnet werden. Diese wirtschaftliche Anerkennung braucht der Handwerker übrigens auch. Just for fun – das wird für ihn nicht möglich sein, er hat ja in der Regel keine Innovationsabteilung und kein Innovationsbudget.

Warum ist ein Preis wie „der Seifriz“ gerade in der heutigen Zeit so wichtig?

Weil der Preis positive Beispiele auszeichnet – die investieren und ein Risiko eingehen. Habe ich die Gewissheit, kann es jeder machen. Und dieses Risiko wird belohnt. Zudem finde ich es wichtig zu zeigen, dass man heute Zukunft denkt, vorbereitet und realisiert.

Gab es in Ihrer Juryarbeit schon Innovationen, die Sie dem Handwerk gar nicht zugetraut hätten?

Da muss ich ganz klar sagen: nein! Ich gehe immer mit einer positiven Erwartung rein, ich traue dem Handwerk eine Menge zu. Beim „Seifriz“ kommt dann nur die Bestätigung, nicht die Überraschung.

Ein kleines Gedankenspiel zum Schluss: Die 2024er-Gewinnerprojekte werden auf jeden Fall zwei Dinge mitbringen …

Meine Erwartungshaltung Nummer eins ist: Werthaltigkeit. Also, dass ich mit meinem Projekt nicht nur nachhaltig bin, sondern werthaltig. Und zweitens er­warte ich das, was ich vorhin mit der Konvergenz der Technologien beschrieben habe. Dass wir mindestens ein Projekt dabeihaben werden, das gewerk- und technologieübergreifend ein gutes Beispiel dafür ist, wie das Handwerk zusammen mit der Wissenschaft komplexe Problemstellungen löst.

Zur Person Prof. Dr. Michael Auer

Problemlöser für die Wirtschaft – nach dieser Maxime führt Prof. Dr. Michael Auer, Jahrgang 1961, den Wissens- und Technologietransfer-Dienstleister Steinbeis. Das wesentliche Transferinstrument dieses dezentralen Verbunds seien die rund 1.100 Transferunternehmen, so der Vorstandsvorsitzende der Steinbeis-Stiftung. „Rund 5.500 Personen bringen aktuell ihr Know-how in unseren Verbund ein.“ Der studierte Elektrotechniker und Wirtschaftsingenieur beschäftigte sich schon früh in seiner beruf­lichen Karriere mit dem Thema Transfer. Der Titel seiner Dissertation im Bereich der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Karlsruhe lautet: „Transferunternehmertum – Erfolgreiche Organisation des Technologietransfers“.

Bewerbungsphase gestartet: Jetzt mitmachen

Technische Innovation, neues Geschäftsmodell oder effiziente Organisation: Beim bundesweiten Wettbewerb „der Seifriz“ winken Preise im Gesamtwert von 25.000 Euro. So kann das Tandem aus Handwerk und Wissenschaft teilnehmen.

Hintergrund: Der Preis auf einen Blick

Die Auszeichnung „der Seifriz“ wird seit mehr als 30 Jahren als Wettbewerb für Wissenstransfer unter der Federführung von Handwerk BW durch den Verein Technologietransfer Handwerk e.V. und in Zusammenarbeit mit handwerk magazin veranstaltet. Partner des Preises sind die Holzmann Medien Gruppe, die Signal Iduna Gruppe für Versicherungen und Finanzen, die IKK classic und das neuen Branchenevent „Zukunft Handwerk“. Weitere Unterstützer sind der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), die Steinbeis-Stiftung, das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg sowie Sponsoren aus der Wirtschaft. Der Preis wird ermöglicht durch eine bundesweite Jury und das Engagement einer Vielzahl von Beratern in den Kammern und Fachverbänden. Benannt ist der Preis nach dem baden-württembergischen Politiker Adalbert Seifriz, der die Wirtschaftspolitik des Landes in der Nachkriegszeit wesentlich prägte.

Die fünf Kriterien des Innovationspreises

  • Handwerksbetrieb
  • Transfer zwischen Handwerk und Wissenschaft
  • Beispielhaftigkeit
  • Neuheit
  • Wirtschaftlicher Nutzen

Schritt für Schritt zum „Seifriz“

  1. Erste Anlaufstelle: Besuchen Sie die Website unter: seifriz-preis.de
  2. Inputgeber: Ihre zuständigen Beraterinnen und Berater sowie das Seifriz-Team helfen Ihnen bei Fragen gerne weiter.
  3. Den Bewerbungsschluss im Blick halten: 31. Oktober 2023 ist die Deadline.
  4. Im November Daumen drücken: Auf einen Platz in der Nominierungsliste hoffen.
  5. Die Champions stehen fest: Preisträgerinnen und Preisträger werden im Januar 2024 informiert.