Buchhaltung Verschuldete Arbeitnehmer: Was Chefs über die erhöhten Pfändungsgrenzen wissen müssen

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Mitarbeiter können in Zeiten der Inflation schnell in finanzielle Schwierigkeiten kommen – so stark, dass Gläubiger Zugriff auf Teile des Gehalts nehmen. Welche Regelungen Arbeitgeber zu beachten haben.

Arbeitgeber, die Mitarbeiter mit Schulden beschäftigen, müssen die neuen Pfändungstabellen im Blick haben, die seit Juli 2023 gelten.
Arbeitgeber, die Mitarbeiter mit Schulden beschäftigen, müssen die neuen Pfändungstabellen im Blick haben, die seit Juli 2023 gelten. - © Gina Sanders - stock.adobe.com

Die Pfändungsgrenzen für Schuldner mit regelmäßigem Einkommen sind zum 1. Juli 2023 gestiegen. Das Plus beträgt diesmal 5,2 Prozent – immerhin in Zeiten der Inflation. Das Existenzminimum soll gewährt bleiben, deshalb muss Schuldnern nach Auffassung des Gesetzgebers jedes Jahr etwas mehr vom Gehalt übrigbleiben. Vor diesem Datum lag die Pfändungsfreigrenze bei 1.339,99 Euro monatlich netto pro Person. „Bis zu diesem Betrag war das Arbeitseinkommen unpfändbar“, so die Deutsche Rentenversicherung Bund in Berlin.

Inzwischen sind 1409,99 Euro das Minimum in der Haushaltskasse, wenn ein Schuldner keine Unterhaltspflichten hat. Soweit zum Beispiel Kinder mit zu finanzieren sind, dürfen mindestens 1940 Euro monatlich nicht abgegriffen werden. Wie hoch der Betrag genau ausfällt, lässt sich zum Beispiel im Bundesgesetzblatt nachlesen oder beim Bundesjustizministerium.

Neue Pfändungsgrenzen beachten

Arbeitgeber müssen die neuen Werte bei den Lohnabrechnungen seit Juli 2023 berücksichtigen – „und zwar bei allen Mitarbeitern, bei denen ein Pfändungsbeschluss vorliegt“, erklärt Steuerberater Thilo Söhngen in Wetter und Vizepräsident des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe. Damit profitieren auch jene Arbeitnehmer von den höheren Werten, die schon seit Jahren ihre Schulden abzahlen. Die Crux dabei: Die exakt auszuzahlende Höhe des Gehalts muss der Chef selbst ermitteln anhand der Tabelle des Paragrafen 850 c ZPO.

Wichtig: Falls Unternehmer irrtümlich zu viel an die Mitarbeitenden auszahlen, stehen sie vor einem Problem. Sie müssen die Gläubiger dennoch befriedigen – also möglicherweise doppelt zahlen. Im Umkehrschluss kann der betreffende Arbeitnehmer gegebenenfalls mehr Gehalt fordern, falls das Personalbüro die neuen Pfändungsgrenzen nicht automatisch beachtet. Deshalb ist es wichtig für Unternehmer, sich hier stets auf dem Laufenden zu halten.

Was nicht pfändbar ist

Das ist ziemlich kompliziert: Außer dem Lohn sind Sondervergütungen wie Feiertagszuschläge, Essenszulagen oder geldwerte Vorteile pfändbar. Allerdings ist die Hälfte der Vergütung von Überstunden, teilweise Weihnachtsgeld bis zu 705 Euro oder Heirats- und Geburtsbeihilfen sowie Erziehungsgelder, Studienbeihilfen oder Blindenzulagen nicht angreifbar – was genau, steht in Paragraf 850 a Zivilprozessordnung unter unpfändbare Bezüge. Nicht zuletzt sind die privaten Beiträge zur Altersvorsorge wie zur Riester-Rente tabu. Das Geld bleibt dem jeweiligen Mitarbeiter sicher. Zu beachten sind auch die nur bedingt pfändbaren Bezüge nach Paragraf 850 b Zivilprozessordnung, die etwa Renten oder Versicherungen betreffen.

Vorsicht Falle bei steuerfreien Extras

Wenn Firmenchefs bei steuerfreien Extras Fehler machen, kann das für den Unternehmer teuer werden, erklärt Steuerberater Thilo Söhngen: „Angenommen der Arbeitnehmer nutzt privat einen Firmenwagen, der mit der pauschalen Ein-Prozent-Methode versteuert wird. Angenommen weiter, aufgrund des Lohnsteuerabzugs auf den geldwerten Vorteil bleibt dem Arbeitnehmer netto am Ende ein Betrag unterhalb der Pfändungsgrenze. Dann wird der Unternehmer für den Mitarbeiter die Steuern und Sozialabgaben übernehmen müssen.“ Er rät daher dazu, sich im Zweifel vom Steuer- bzw. einem Rechtsexperten vorab beraten zu lassen, um Stress zu vermeiden.  

Schließlich haben Arbeitgeber ohnehin eine ganze Reihe Pflichten zu beachten, falls Mitarbeiter sich verschuldet haben:

  • Ab Zustellung des Pfändungsbeschlusses, den in der Regel ein Gerichtsvollzieher übergibt – darf der geschuldete Betrag nicht mehr überwiesen werden, sonst kann der Gläubiger den Betrieb verklagen.
  • Der Firmenchef wird in der Regel aufgefordert, eine so genannte Drittschuldnererklärung auszufüllen, zu unterschreiben und zurückzusenden. Es ist anzugeben, ob noch andere Ansprüche haben und inwieweit die Forderungen des Gläubigers befriedigt werden.
  • Die Unternehmen sind zum Datenschutz gegenüber dem Mitarbeitenden verpflichtet, müssen aber auch den Gläubigern Auskunft geben.
  • Falls mehrere Gläubiger die Hand aufhalten, gilt der Grundsatz: Wer zuerst kommt, wird zuerst bedient.