Fahrbericht Mobilize Bento: Günstiger Mikro-Lieferwagen mit viel Kunststoff und wenig Komfort

Nur zum Knuddeln oder doch zum ­Ernst­nehmen? Mit seinem Kofferaufbau nehmen Renault und seine Tochter ­Mobilize mit dem Lieferzwerg Mobilize Bento das Handwerk in den Blick.

Bitte einsteigen: Die Flügeltüren öffnen scherenartig nach vorne wie bei einem Lambo-Supersportwagen.
Bitte einsteigen: Die Flügeltüren des Mobilize Bento öffnen scherenartig nach vorne wie bei einem Lambo-Supersportwagen. - © Mobilize

Munter wieselt der Zwerg durch die City. Wirft sich in die Kurven. Wechselt flott die Fahr­spuren, von denen er ohnehin nur die Hälfte beansprucht. Sticht im Großstadtverkehr wie ein Insekt zu. Die große Show folgt dann beim Stopp: Die Türen schwenken spektakulär wie bei einem Lamborghini-Supersportwagen nach vorne auf. Spätestens dann entwickelt sich der Zwerg mit Rucksack zum Publikumsliebling, verwandeln sich Neugier, Überraschung oder vielleicht auch etwas Mitleid der Passanten in Anerkennung.

Die Rede ist vom neuen Mobilize Bento, einem elektrisch angetriebenen Mikro-Lieferwagen aus dem Renault-Kosmos. Mobilize ist neben allerhand E-Themen für den automobilen Nachwuchs im Konzern zuständig, für Leichtfahrzeuge der Klasse L7e wie den Bento. Mit deutlich niedrigeren Zulassungsvorschriften, etwa für Assistenzsysteme. Eine junge Marke, so unkonventionell wie ihre Autos. ­Verzichten andere große Hersteller auf automobile Babys oder haben sie aus dem ­Programm genommen, so legt die ­Renault-Tochtermarke damit jetzt richtig los. Für Pkw-Fahrer gibt es den Mobilize Duo mit zwei Sitzen hintereinander, für Handwerk und Gewerbe den Einsitzer Mobilize Bento mit einer Art Koffer­aufbau. Seine Bezeichnung dürfte auf die japanischen Bento-Boxen zurückgehen.

Laderaum des Mobilize Bento schluckt 650 Liter

Mit lediglich 2,54 Metern Länge findet der Kleine immer eine Lücke, parkt bei Bedarf auch mal quer ein. Und siehe da, er steckt was weg: Rund 650 Liter misst der Stauraum im Heck. Das genügt für einen kompakten Werkzeugsatz, der bis zu 60 Kilogramm wiegen darf. Oder in Verbindung mit einer isolierten Auskleidung für temperaturempfindliches Gut. Und falls der Platz nicht reicht, gibt es einen weiteren Stauraum links und rechts vom Fahrersitz sowie ein großes Fach dahinter. Für weitere 20 Kilo Fracht.

E-Motor mobilisiert 17 kw

Wer an flinke und winzige Stromer aus der Renault-Welt denkt, dem fällt der freche Twizy ein. Auch ihn gab es als Cargo mit Rucksack für Ladung. Indes erreicht der Bento ein ganz anderes Niveau, kann alles besser als sein Vorgänger. Er verfügt über eine komplette lichtdurchflutete Karosserie mit richtigen Radhäusern, über Klappfenster wie einst die Ente, über eine Sitzheizung und eine beheizte Windschutzscheibe sowie einen Front-Airbag. Auf Wunsch kühlt eine Klimaanlage die üppig verglaste Raumkapsel. Im Sockel unter dem Einzelsitz steckt eine Batterie mit 10,3 kWh nutzbarer Kapazität. Sie speist einen Elektromotor mit einer Leistung von 17 kW im Bereich der Hinterachse – ein flotter Feger.

Die Verpackung besteht aus Kunststoff, geschickt und kostengünstig gelöst. So sind die Stoßfänger sowie Radläufe vorne wie hinten identisch und durchweg in unempfindlichem Schwarz gehalten. Für Elemente des Karosseriekörpers sowie die Radabdeckungen stehen fünf Farben zur Wahl. Der stets graue Koffer im Heck besteht aus Polyethylen. Fast die Hälfte der Bento-Teile sind aus recyceltem Material und 95 Prozent der Teile sollen wiederverwendet werden. Wer weiß, vielleicht war der französische Neuling einst eine geschredderte Gartenbank und verwandelt sich im nächsten Leben wieder in eine.

Fahrkomfort des Mobilize Bento ist überschaubar

Unter der eigenwilligen Karosserie steckt recht anspruchsvolle Technik. Der Bento verzögert mit Scheibenbremsen rundum. Er rollt auf 13-Zoll-Rädern. Und das Fahrwerk basiert vorne wie hinten auf Federbeinen. Was indes nicht zum Trugschluss verführen sollte, der Lieferzwerg hätte auch nur die Andeutung von Fahrkomfort. Der Bento hoppelt nahezu ungefiltert über Bodenunebenheiten aller Art, entpuppt sich als Schlagloch-Suchgerät, schüttelt seinen Fahrer ordentlich durch. Der hat nach dem Einfädeln auf einer Sitzschale mit zurückhaltender Polsterung Platz genommen. Viel mehr als eins achtzig sollte er nicht messen, sonst gibt’s Kontakt mit dem – zum Glück gepolsterten – Dach. Und auch die Längsverstellung ist eingeschränkt. Ergibt insgesamt eine Art formschlüssige Ladungssicherung.

Vor sich hat der Bento-Steuermann einen kompakten Armaturenklotz in ­Wagenfarbe. Linker Hand reiht sich eine Handvoll großer Schalter auf, bedienbar zur Not auch mit Fausthandschuhen, falls es in der kalten Jahreszeit an Bord allzu frisch zugehen sollte. Dazu kommen ebenfalls große Digitalanzeigen für alle relevanten Funktionen. Automobilen Feinschliff wird man vergebens suchen, die Materialien sind einfach, der Antrieb pfeift kräftig, der weit vorn angesiedelte Handbremshebel rechter Hand wirkt vorgestrig. Und schlicht untauglich sind die mickrigen Fühler-Außenspiegel.

Aber verflixt, das Fahrzeug erhebt keinen Anspruch auf automobile Feinkost. Er ist klein, mit einem Wendekreis von 6,8 Metern extrem handlich, verblüffend nützlich. Fährt in jeder Beziehung Elektro-­Lastenrädern davon. Und er ist günstig: Zum Redaktionsschluss war der Preis für Deutschland noch nicht bekannt, doch in Frankreich geht der Mobilize Bento für netto 10.000 Euro über die Ladentheke. Oder er flutscht einfach ­unter ihr hindurch.

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