BdH-Brezelgespräch 2023 Kommentar von Heinz Weber: "Bei den jungen Leuten ist vor allem Chillen angesagt!"

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Arbeitszeit und Arbeitszeitmodelle, Ausbildung, Fachkräftemangel und Mitarbeitermotivation

Heinz Weber, Bundesvorsitzender der Betriebswirte des Handwerks (BdH), nahm das 28. Brezelgespräch in Stuttgart zum Anlass, um aktuelle Themen wie die 4-Tage-Woche für Gesellschaft und Handwerk einzuordnen. Ein Auszug aus seinem Grußwort.

Heinz Weber kritisiert: Eine flächendeckende 4-Tage-Woche käme jede Woche einem Lockdown für drei Tage gleich. - © Betriebswirte des Handwerks

"Liebe Freunde, was beschäftigt uns seit vielen, vielen Monaten?" Vergangene Woche hatten wir die jährliche Mitgliederversammlung meines BdH-Regionalvereines in Bremerhaven-Cuxland und in der anschließenden geselligen Runde und dem Erfahrungsaustausch habe ich genau diese Frage gestellt. Und immer wieder ist vom Fachkräftemangel die Rede, von der Generation Z und Alpha. Und vor allem von der 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich!

Work-Life-Balance wird inzwischen so verstanden, dass junge Leute bei vollem Lohnausgleich noch vier Tage die Woche arbeiten wollen. Dabei wird der fünfte Tag gar nicht genutzt, um in Schwarzarbeit mehr Geld zu verdienen. Nein, hier geht es den Menschen um ihre Netflix-Serien. Chillen ist angesagt!

Vermeintlich keine Zeit mehr für Freizeit

Jüngst wurde in den öffentlichen Medien von einer jungen Studienabsolventin berichtet, die ihren Unmut auf TikTok verbreitete und gar nicht verstehen konnte, dass sie als Berufsanfängerin nur 30.000 Euro brutto verdienen solle – bei 40 Stunden Arbeit und nur 30 Tagen Urlaub. Sie hätte dann doch gar keine Zeit mehr für ihre Freunde!

Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe könnte es daher schon sein, dass wir den jungen Leuten zuhören, aber auch deutlich machen, dass das Leben nicht ausschließlich aus Freizeit besteht. Und dass ich, wenn ich nicht immer wie der Durchschnitt verdiene, nicht einmal einen Rentenpunkt pro Jahr erwirtschafte und zum Renteneintritt mit leeren Taschen dastehe oder später vom Staat abhängig bin. Eine Abhängigkeit vom Bürgergeld kann doch nicht das Ziel sein!

Jede Woche ein Lockdown für drei Tage

Aber vielleicht müssen wir den jungen Menschen auch deutlich machen, dass, wenn wir alle so denken würden und wir alle nur noch vier Tage arbeiten wollten, dann aus Gründen der Gleichberechtigung alle frei haben: also keine Gastronomie, kein Kino, keine Freizeiteinrichtungen, kein Shopping, kein Arzt, keine Ärztin, keine Polizei, keine Pflegerin, keine Krankenschwester, kein Busfahrer. Also jede Woche ein Lockdown für drei Tage. Dieses Modell habe ich meinen Azubis erläutert und bekam nur große Augen als Antwort.

„Chef, ich habe ein Angebot. Entweder wir führen auch die 4-Tage-Woche ein – oder ich bin weg.“

Mitarbeiter einer Kfz-Werkstatt in Bremerhaven

Dramatisch wird es aus meiner Sicht, wenn wir uns als Arbeitgeber erpressen lassen, nur weil wir keine andere Alternative haben. Jüngst klagte mir ein Mitglied unseres Vereins in Bremerhaven sein Leid. Das Mitglied betreibt ein Autohaus mit einer Kfz-Werkstatt. Sein Meister machte ihm vor Kurzem klar: „Chef, ich habe ein Angebot. Entweder wir führen auch die 4-Tage-Woche ein – oder ich bin weg.“ So weit sind wir schon. Bei allem Respekt!

Wirtschaft gehört auf den Lehrplan

Dabei dürfen wir nicht alle jungen Leute über einen Kamm scheren! Aber ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir viel früher mit den jungen Leuten in den Schulen über das Funktionieren der sozialen Marktwirtschaft reden sollten – Wirtschaft gehört auf den Lehrplan! Nicht nur, um zu erklären wie der Generationenvertrag in unserem Sozialversicherungssystem funktioniert. Sondern auch, um wieder mehr Lust zu machen am Unternehmertum. Denn unserem Land gehen nicht nur die Fachkräfte aus. Sondern auch die Unternehmerinnen und Unternehmer.

Berufsorientierung darf nicht erst in der letzten Jahrgangsstufe vor dem Abschluss stattfinden. Praktika müssen vielmehr mehrere Jahre lang immer wieder angeboten und ermöglicht werden und wir müssen nach wie vor den jungen Leuten deutlich machen, dass man in dem Beruf, den man einst gelernt hat, nicht unbedingt in Rente gehen muss.

Noch häufiger in die Schulen gehen

Ich sehe es daher als unser aller Aufgabe an, viel stärker noch in die Schulen zu gehen, Werbung zu machen, aufzuklären und mit den jungen Leuten ins Gespräch zu kommen und vor allen Dingen im Gespräch zu bleiben.

Es nützt nichts, Fronten aufzubauen und nur auf die jungen Menschen zu schimpfen. Die Rente ab 63 als Geschenk an die „Boomer“-Generation ist unter dem Gesichtspunkt der sozialen Marktwirtschaft und der Generationengerechtigkeit auch keine Glanzleistung. Wir alle wissen, dass es nicht funktionieren kann, dass wir alle nur noch staatlichen Sozialleistungen leben und die EZB die Gelddruckmaschine anwirft. Unser Handwerk bietet so viele Möglichkeiten, Karriere zu machen – etwa als Betriebswirtin oder Betriebswirt im Handwerk. Und Arbeit kann auch Spaß machen. Beruf kommt von Berufung.

Info: Brezelgespräch der Betriebswirte des Handwerks (BdH)

Am 25. November 2023 hat in Stuttgart die Mitgliederversammlung der Betriebswirte des Handwerks (BdH) stattgefunden – mit dem traditionellen Brezelgespräch am Vorabend. Zur 28. Ausgabe des traditionsreichen Brezelgesprächs luden die Betriebswirte des Handwerks Stuttgart wieder die gut 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ins Forum der Handwerkskammer Region Stuttgart ein.

Der bekannte Redner, Coach und Malermeister Klaus Steinseifer verdeutlichte in seinem Vortrag „Kommunikation – die Macht des gesprochenen Wortes“ auf launige Art und Weise, warum Unternehmerinnen und Unternehmer das Thema Kommunikation nicht unterschätzen sollten und wie sie mit dem richtigen Know-how zu Kommunikationsprofis werden – zahlreiche Praxisbeispiele inklusive. Ein Abend mit vielen Impulsen und der einen oder anderen Diskussionsrunde an den Stehtischen.