Gewerbeabfallverordnung Gewerbeabfälle: Rechtssicher entsorgen mit Konzept

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Verstöße gegen die Gewerbeabfallverordnung können teuer werden. Handwerksbetriebe benötigen daher ein Konzept, eine gute Dokumentation sowie verlässliche Partner für die Entsorgung. Eine Hamburger Tischlerei macht es vor.

Arne Paepcke mit Sohn Fabian
Arne Paepcke, hier mit Sohn Fabian (rechts), führt eine Tischlerei im Hamburger Stadtteil Billstedt. - © Jörg Brockstedt

Mit knapp 30 Mitarbeitern gehört die Tischlerei Paepcke im Hamburger Stadtteil Billstedt schon zu den größeren Handwerksbetrieben. Arne Paepcke (57) führt das 1956 gegründete Unternehmen in zweiter Generation. Mit seinem Sohn Fabian (25) steht ein Nachfolger bereits in den Startlöchern. Eine Tischlerlehre hat der Filius bereits absolviert, ebenso ein duales Studium in Betriebswirtschaftslehre. Jetzt fehlt nur noch die Meisterprüfung, die der angehende Firmenchef in diesem Sommer bestehen will. Dass er wie sein Vater und sein Großvater Tischler werden wollte, stand für Fabian Paepcke früh fest. Holz ist seine Leidenschaft. Wenn er auf einer Baustelle ein altes Fenster entdeckt, kann er ins Schwärmen kommen: „Teak oder Mahagoni sind sehr schöne und gute Hölzer. Solche Rahmen verwenden wir dann natürlich in unserer eigenen Möbelwerkstatt wieder“, verrät Paepcke. Die Realität auf den Baustellen sieht heute allerdings meistens anders aus. „Rund 80 Prozent der Fenster sind aus Kunststoff – Tendenz steigend“, hat der junge Handwerker beobachtet. Hier ist eine Wiederverwertung meist nicht möglich. Fachgerechte Entsorgung heißt dann die Lösung.

Entsorgung bedeutet Aufwand

Entsorgung ist für alle Handwerksbetriebe ein großes Thema, und das nicht erst seit der Novellierung der Gewerbeabfallverordnung vor drei Jahren. Der Trennung und Wiederverwendung von Abfällen räumt die Verordnung nun Priorität ein. „Das finden wir als Tischler auch gut und richtig“, unterstreicht Arne Paepcke. In der Praxis bedeutet dies für ihn allerdings einen erheblichen Mehraufwand. „Unser Kerngeschäft besteht im Bauen von Möbeln und dem Auswechseln und Erneuern von Fenstern – die Abfallbeseitigung kommt dann noch on top.“ On top heißt hier: zusätzlich zu den bis zu 70 Wochenstunden, die ein Handwerksmeister und Betriebschef wie Paepcke senior ohnehin schon leistet.

Zusätzliche Komplexität gewinnt das Thema für die Paepckes dadurch, dass ihr Unternehmen besonders breit aufgestellt ist: In der eigenen Möbelwerkstatt arbeiten fünf Gesellen und mehrere Lehrlinge an hochwertigen Einzelstücken. Eine neue Holztreppe wurde gerade lackiert und wartet jetzt auf ihren Einbau. Eine antike Holzkommode wird wieder auf Hochglanz getrimmt. Daneben schicken die Paepckes aber auch Trupps auf Montage, um auf Baustellen Fenster einzubauen oder zu reparieren. Für den gewerblichen Siedlungsabfall – so der Fachterminus – aus der Werkstatt gelten aber teilweise andere Regelungen als für den Bau- und Abbruchabfall, der auf Baustellen anfällt .

So sind Chefs auf der sicheren Seite

Die Entsorgung von Gewerbeabfällen stellt für Handwerksunternehmen eine logistische Herausforderung dar. Diese rechtlichen Vorgaben sollten Sie im Blick behalten.

  1. Keine rechtssichere Entsorgung ohne Dokumentation
    Unterschiedliche Abfallsorten („Fraktionen“) müssen in der Regel getrennt gesammelt werden. Mit diesen und ähnlichen Dokumenten können Sie dies belegen:

    - Lagepläne, Fotos, Liefer- oder Wiegescheine
    - Erklärung des übernehmenden Entsorgers
    - Wenn eine getrennte Sammlung nicht möglich ist: Darlegung der technischen Unmöglichkeit oder wirtschaftlichen Unzumutbarkeit

    Achtung: Die Unterlagen müssen für die zurückliegenden drei Jahre aufbewahrt und auf Aufforderung der Behörde vorgelegt werden. Die zuständige Behörde kann dabei auf einer elektronischen Vorlage bestehen.
  2. Abfallfraktionen
    Die unterschiedlichen Abfallarten müssen in der Regel getrennt gesammelt und entsorgt werden. Für Glas, Bio- und Krankenhausabfälle gibt es keine Ausnahmen – sie müssen immer getrennt gesammelt werden. Auf diese Unterscheidungen sollten Sie achten:

    - Abfälle aus Bau- und Abbruchmaßnahmen Glas, Kunststoff, Metalle, Holz, Dämmmaterial, Bitumengemische, Baustoffe auf Gipsbasis, Beton, Ziegel, Fliesen und Keramik
    - Gewerbliche Siedlungsabfälle Papier, Pappe, Karton, Glas, Kunststoffe, Metalle, Holz, Textilien, Bioabfälle
  3. Geringe Mengen
    (Faustformel: bis zu zehn Kilogramm je Fraktion und Woche) gewerblicher Siedlungsabfälle dürfen unter bestimmten Umständen gemeinsam mit dem Müll privater Haushalte auf dem gleichen Grundstück in den dafür vorgesehenen Abfallbehältern entsorgt werden. Voraussetzungen:

    - Der Platz zum Aufstellen der Sammelbehälter reicht nicht aus.
    - Eine getrennte Sammlung ist nicht möglich, weil öffentlich zugängliche Abfallbehälter von einer Vielzahl von Erzeugern befüllt werden.
    - Eine Trennung ist wirtschaftlich nicht zumutbar.

    Achtung: Abfallgemische sind grundsätzlich einer Vorbehandlungsanlage zuzuleiten. Nur wenn eine Vorbehandlung technisch nicht möglich oder unverhältnismäßig teuer ist, kann diese Pflicht entfallen. Auch wenn ein Betrieb nachweist, dass im vorigen Kalenderjahr mindestens 90 Prozent seiner gewerblichen Siedlungsabfälle getrennt gesammelt wurden, dürfen Gemische unmittelbar einer thermischen Verwertung zugeführt werden.
Um nicht die Übersicht zu verlieren – und um sich gegen kostspielige Ordnungswidrigkeiten abzusichern, setzen die Paepckes auch auf externen Sachverstand. „Das würden wir auch jedem anderen Handwerksbetrieb empfehlen“, bekräftigen beide unisono. In ihrem Fall ist das Sven Saborosch vom ENH Entsorgungsverband des Norddeutschen Handwerks e.V. Der Verband entstand vor rund 20 Jahren aus einer Initiative der Kammern und einiger regionaler Entsorgungsunternehmen. „Unser Zweck besteht darin, die Abfallströme der vielen kleinen und mittleren Handwerksunternehmen zu bündeln“, erläutert Saborosch. Durch diese quasi genossenschaftliche Lösung erhielten die rund 1.400 Mitgliedsunternehmen nicht nur günstige Konditionen bei den Entsorgern. Wichtiger: „Wir schaffen Rechtssicherheit bei der Entsorgung ihrer Abfälle und nehmen ihnen damit eine große Sorge.“

Dokumentation muss sein

Bei den Paepckes, die Sven Saborosch an diesem Morgen besucht, läuft vieles schon sehr gut. Getrennte und farblich kenntlich gemachte Container für Glas, Kunststoff, Papier und anderes stehen auf dem Hof. Die Holzspäne aus der Werkstatt werden automatisch abgesaugt und landen in einem Spänebunker. Alle Abfälle holt das Entsorgungsunternehmen regelmäßig ab. Auf den externen Baustellen lassen Paepckes alte Fenster, die nicht wiederverwertet werden können, ebenfalls durch Spezialisten abholen.

„Die Entsorgung läuft im Handwerk insgesamt schon sehr ordentlich“, stellt Saborosch fest. In einem Punkt allerdings hapert es nach seiner Beobachtung noch häufig: der ungeliebten Dokumentationspflicht, die sich aus der Gewerbeabfallverordnung ergibt. „Dabei ist die Dokumentation der Entsorgung extrem wichtig . Ohne sie gibt es keine Rechtssicherheit“, betont der Experte. Die Dokumentationspflichten sind umfassend. Sie bilden die Entsorgungssituation vor Ort mithilfe von Fotos oder Zeichnungen ab. Wo Abfälle gemischt gesammelt werden, muss der Unternehmer das begründen. Auch die Anlieferung an eine genehmigte Sortieranlage muss er belegen.

Zwar bieten die Entsorger eine solche Dokumentation in der Regel an. Die Verantwortung dafür bleibt aber letztlich beim Handwerker, der die Belege sammeln und bei Anforderung durch die Behörde vorlegen muss. Keine kleine Aufgabe: „Ein Handwerksmeister, der seine Mitarbeiter auf viele unterschiedliche Baustellen schickt und mit mehreren Entsorgern zusammenarbeitet, kann da schnell die Übersicht verlieren, was bei einer Kontrolle zu schmerzhaften Folgen führen kann“, so Saborosch.

Solide Partner für die Entsorgung

Apropos Entsorger – „hier sollten Handwerksbetriebe unbedingt auf solide Unternehmen achten, die den weiteren Weg des Abfalls sauber dokumentieren können“, warnt Saborosch vor einem weiteren potenziellen Stolperstein. Wer hier auf den „billigsten Anbieter mit dem rostigen Pritschenwagen“ setze, könne bei einer Kontrolle durch die Behörde eine böse Überraschung erleben. Wie oft Behörden Betriebe tatsächlich überprüfen, ist nach Saboroschs Beobachtung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. „Selbst wenn eine Behörde bislang noch nicht aktiv wurde, kann sich das schnell ändern, und dann müssen Dokumente für die zurückliegenden drei Jahre nachgewiesen werden“, warnt der Experte.

Management in der Hosentasche

Um den Handwerksbetrieben bei der Erfüllung dieser ungeliebten Pflicht zu helfen, setzt der ENH nun verstärkt auf Digitalisierung. In anderthalbjähriger Ent-
wicklungsarbeit hat der Verband gerade die webbasierte Plattform EasyVO.de entwickelt, mit deren Hilfe auch kleine Unternehmen ihr gesamtes Abfallmanagement online übersichtlich bündeln und per Handy oder Tablet pflegen können. Mit einer Zugangskarte mit QR-Code können sich alle berechtigten Mitarbeiter unkompliziert einloggen. „Auf diese Benutzerfreundlichkeit haben wir viel Wert gelegt“, unterstreicht Saborosch. Hat ein Unternehmen den Verband bevollmächtigt, tritt dieser mit den aktuellen Entsorgungsdienstleistern in Kontakt und übernimmt die notwendigen Daten, sodass eine umfassende Dokumentation gemäß GewAbfV bereitgestellt werden kann. Die Inhalte werden laufend aktualisiert und der sich ständig ändernden Rechtslage angepasst. „Der Handwerker kann sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren und hat die Gewissheit, rechtlich immer auf der sicheren Seite zu stehen.“ Die Plattform EasyVO.de kann von Betrieben genutzt werden, egal, mit welchen Entsorgern sie zusammenarbeiten.

In aller Munde ist derzeit auch der „Green Deal“ von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, mit dem die Kreislaufwirtschaft gestärkt werden soll. Welche Folgen das für das Recycling von Gewerbemüll aus handwerklichen Betrieben haben wird, ist noch unklar.

Interview: Komplex und hoher bürokratischer Aufwand

Melanie Becker, Referatsleiterin Umweltpolitik und Nachhaltigkeit beim ZDH
Melanie Becker, Referatsleiterin Umweltpolitik und Nachhaltigkeit beim ZDH - © ZDH

Melanie Becker, Referatsleiterin Umweltpolitik und Nachhaltigkeit beim ZDH, im Gespräch mit handwerk magazin.

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Welche wesentlichen Gesetze und Verordnungen muss ein Handwerksbetrieb kennen und beachten?
Zu den zentralen Richtlinien im Bereich der Abfallwirtschaft zählt auf europäischer Ebene die Abfallrahmenrichtlinie (Richtlinie 2008/98/EG). Sie definiert wesentliche Begrifflichkeiten und legt eine fünfstufige Abfallhierarchie fest:
  1. Vermeidung
  2. Vorbereitung zur Wiederverwendung
  3. Recycling
  4. Sonstige Verwertung, insbesondere energetische Verwertung und Verfüllung
  5. Beseitigung

In Deutschland ist das Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen ( Kreislaufwirtschaftsgesetz, KrWG ) die Kernregelung zu abfallrechtlichen Vorschriften. Das KrWG behält als Nachfolgeregelung die wesentlichen Strukturelemente des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) bei.

Regelungen für spezifische (Produkt-)Abfälle finden sich im Verpackungsgesetz (VerpackG), im Batteriegesetz (BatterieG), im Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) sowie in der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV). Welche Gesetze und Verordnungen ein Handwerksbetrieb im Regelwerk der Abfallentsorgung kennen muss, hängt also maßgeblich davon ab, welche spezifischen Produktabfälle anfallen.

Alle Handwerksbetriebe, die Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen und/oder von Bau- und Abbruchabfällen sind, unterliegen den Regelungen der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV). Als Orientierungshilfe für die Behörden zum bundeseinheitlichen Vollzug sollen Vollzugshinweise für die Gewerbeabfallverordnung M34 der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) vom 11. Februar 2019 beitragen. Sie sind nicht rechtsverbindlich, es empfiehlt sich dennoch, sich daran zu orientieren.

Welche Schwierigkeiten ergeben sich durch das rechtliche Regelwerk der Abfallentsorgung für Handwerksbetriebe?

Die Komplexität des Regelwerks macht es Handwerksbetrieben schwer, die für sie zutreffenden Regeln zu identifizieren. Abhilfe schaffen etwa die Handwerkskammern und Fachverbände vor Ort. Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks bietet Hilfestellungen unter www.zdh.de und www.zdh.de/gewerbeabfallverordnung. Die Umsetzung bleibt mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden, besonders für kleine Betriebe.

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen die Gewerbeabfallverordnung?

Eine Verletzung des Gebots zur Getrenntsammlung von gewerblichen Siedlungsabfällen und von Bau- und Abbruchabfällen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Die kann mit einer Geldbuße bis zu 100.000 Euro und mit einem Eintrag ins Gewerbezentralregister geahndet werden. Halten Betriebe die Dokumentationspflichten nicht ein, kann das ebenfalls ein Bußgeld nach sich ziehen.

Die EU Verpackungsrichtlinie von 1994 wurde 2018 novelliert. Die Änderungen müssen bis 5. Juli 2020 in deutsches Recht umgesetzt sein. In welchem Umfang ist dies schon geschehen?
Die EU hat ein ganzes EU-Kreislaufwirtschaftspaket auf den Weg gebracht. Dieses sieht Änderungen an folgenden Richtlinien (RL) vor:
  • der Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle (VerpackungsRL, 94/62/EG)
  • der Richtlinie über Abfälle (AbfallrahmenRL, 2008/98/EG)
  • der Richtlinie über Abfalldeponien (DeponieRL, 1999/53/EG)
  • der Richtlinie über Altfahrzeuge (2000/19/EU)
  • der Richtlinie über Batterien, Akkumulatoren, Altbatterien und -akkumulatoren (2006/66/EG)
  • der Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (2012/19/EU).

Einige Änderungen wurden bereits umgesetzt, 2020 erwarten wir weitere Novellierungen: etwa des übergeordneten Kreislaufwirtschaftsgesetzes, des Batteriegesetzes sowie des ersten Gesetzes zur Änderung des Verpackungsgesetzes. Ebenso steht eine Novellierung des Elektronik- und Elektrogesetzes bevor.

Müllaufkommen in Deutschland

Die Behörden verlangen auch von kleinen Handwerksbetrieben Dokumentationen – etwa von Bau- und Abbruch- oder Siedlungsabfällen für die zurückliegenden drei Jahre. Hier eine kleine Übersicht zur Verteilung des Müllaufkommens in Deutschland:

AbfallartProzent
Bau- und Abbruchabfälle53 %
Abfälle aus Abfallbehandlungsanlagen13 %
Siedlungsabfälle13 %
Abfälle aus der Gewinnung und Behandlung von Bodenschätzen8 %
übrige Abfälle 1)14 %

Quelle: Statistisches Bundesamt; 1) insbesondere aus Produktion und Gewerbe