Viele Gewerke werden weiblicher Digitalisierungsbarometer: Wie Frauen Handwerksbetriebe führen

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Büroorganisation, Digitalisierungsbarometer und Frauen im Handwerk

Die Arbeit auf der Baustelle verändert sich und wird damit auch für Frauen attraktiver: So stellt es das Digitalisierungsbarometer in einer Sonderauswertung für handwerk magazin in Aussicht. Weibliche Vorbilder im Handwerk sollen außerdem für Identifikation sorgen.

Digitalisierungsbarometer Frauen im Handwerk
Dass derzeit viele Tätigkeiten im Handwerk und am Bau durch die Digitalisierung leichter werden, macht Platz für neue Kreativität. - © JenkoAtaman - stock.adobe.com

Frauen führen anders – auch ihren Handwerksbetrieb. Um zu ergründen, wie weibliche Betriebsinha­berinnen handeln und welche Rollen sie im Unterschied zu männlichen Chefs ausfüllen, nimmt die Studie Digitalisierungsbarometer die Aussagen der befragten Handwerkschefinnen für handwerk magazin genauer unter die Lupe. „Mit dem einhergehenden Strukturwandel im Handwerk, bei dem viele Betriebe weiter wachsen und sich dadurch auch weiter professio­­nalisieren, steigt auch die Bedeutung von Frauen, die sich in vielfältigen Bereichen einbringen können: von Personalbeschaffung, Buchhaltung, IT über Einkauf und Verkauf bis hin zur Ausübung des jeweiligen Handwerks“, beobachtet Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz. Er ist Mitautor des Digitalisierungsbarometers, das den Grad der Digitalisierung im Bau- und Ausbauhandwerk misst und von der Empfehlungs- und Bewertungsplattform „Wirsindhandwerk.de“ herausgegeben wird.

Eine wichtige Erkenntnis vorab: Frauen sind nicht gleich Frauen, insbesondere im Handwerk nicht. In der Studie gibt es unter den elf Prozent weiblichen Teil­nehmern sowohl Unternehmerfrauen, die mit ihrem Ehemann gemeinsam den Betrieb leiten, als auch ausgebildete Handwerkerinnen – deren Anzahl steigt. Das prognostiziert Hiltner angesichts der zunehmenden Digitalisierung der Handwerksberufe, da sich die Arbeit auf den Baustellen stark verändert und dadurch insbesondere für Frauen attraktiver wird.

Der Einsatz digitaler Tools und Technologien ersetzt in vielen Berufen teilweise schwere Arbeiten. „Für das SHK-Handwerk sowie im Elektroniker-Beruf gibt es im Bereich Smart Home sehr viel Bedarf an Fachkräften, die über Smart-Home-Steuerung und die Elektronik dahinter Bescheid wissen und sie im intelligenten Gebäude verbauen können.“ Solche Tätigkeiten könnten künftig verstärkt von Frauen ausgeführt werden .

Der Malerberuf ist für Frauen besonders attraktiv

Doch bis Frauen in diesen Gewerken breiten Einzug halten, ist es noch ein weiter Weg. „Bisher finden sich in dieser traditionellen Männerdomäne noch vergleichsweise wenig Frauen“, stellt Wolfgang Plöger fest, der als Direktor Forschung und Beratung bei Lab4Innovations die empirische Studie angefertigt hat. Den Zahlen zufolge halten bisher nur elf Prozent der jungen Frauen den Elektroniker-Beruf für attraktiv, während es bei gleichaltrigen Männern 18 Prozent sind. Bei den jungen Frauen steht mit 16 Prozent dagegen der Beruf des Malers an erster Stelle bei einem Berufswunsch im Bau und Ausbau.

Die Digitalisierung könnte daran einiges ändern. Für die – tendenziell jüngeren – Frauen bieten die neuen Technologien große Chancen , sich verstärkt ins Handwerk einzubringen. Das sehen sie auch so: In der Studie stimmen 33 Prozent der Frauen in Berufen des Baus und Ausbaus deutlich bis überwiegend zu, dass sie mit der klassischen Handwerks­tradition nichts mehr zu tun haben . Im Vergleich sind nur 20 Prozent der Männer dieser Ansicht. Bei der Frage, ob die Digitalisierung das Handwerk positiv verändern werde, zeigen sich die Frauen im Vergleich zu den männlichen Kollegen jedoch eher zurückhaltend: Mit 74 Prozent bestätigt das nur knapp drei Viertel der Betriebschefinnen, während die Betriebschefs dies zu 84 Prozent bejahen.

Diese Diskrepanz führt Hiltner auf den hohen Anteil der Unternehmer­frauen in der Befragung zurück, die ihren Ehemann bei der Betriebsführung unterstützen und eher der Meinung sind: „Schuster, bleib bei deinem Leisten.“ Zu diesem Leitsatz bekennen sich der Studie zufolge 62 Prozent der Frauen, aber nur 54 Prozent der Männer. In der Regel sind die Unternehmerfrauen mit den klassischen Verwaltungsaufgaben im Büro betraut. Überwiegend beschreiben sie sich in ihrer Rolle als Betriebschefin als pragmatisch und bodenständig. Das äußert sich auch darin, wie sie die langfristige Entwicklung ihrer Firma sehen. Der Geschlechtervergleich zeigt, dass 59 Prozent der Frauen genau wissen, wie sie die Nachfolge regeln möchten. Bei den Männern sind es lediglich 45 Prozent. „ Frauen schauen häufig weiter in die Zukunft und haben daher eine klarere Vorstellung davon, wie der nächste Lebensabschnitt aussehen soll“, erläutert Plöger.

Tschüss, Handwerkstradition!

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Dem tradierten Handwerksberuf erteilen mehr Frauen als Männer eine Absage. - © Quelle: Digibarometer-handwerk.de

Dem tradierten Handwerksberuf erteilen mehr Frauen als Männer eine Absage, sie sagen: „Mit der klassischen Handwerkstradition habe ich nichts mehr zu tun.“ Das liegt auch an den neuen Technologien, die in den Betrieben allmählich Einzug halten.

Gründerinnen im Handwerk: modern und erfolgsorientiert

Interessant dabei ist, dass die weiblichen Betriebsinhaber im Vergleich zu ihren männlichen Pendants eher bereit sind, das Unternehmen zu schließen oder auf dem Markt zu verkaufen. Hiltner hat dafür eine Erklärung parat: „Die ältere Generation an Unternehmerfrauen ist in ihrer Doppelrolle als Betriebsmanagerin und Mutter, die für die Kindererziehung zuständig ist, häufig überlastet. Für das Rentenalter will sie daher mit diesen vielen Aufgaben abschließen und einen entspannten Alltag genießen.“ Bei beiden, männlichen wie weiblichen Betriebschefs, bleibt allerdings die Weitergabe an Sohn, Tochter oder an weitere Verwandte die erste Wahl.

Dass derzeit viele Tätigkeiten im Handwerk und am Bau durch die Digitalisierung leichter werden und Büro-Aufgaben sukzessive von Software und Technologien erledigt werden, macht Platz für neue Kreativität . Für Frauen sieht Hiltner großes Potenzial: „In unserer Handwerkskammer betreuen wir junge Gründerinnen im Handwerk, die ihren Betrieb sehr modern und erfolgsorientiert führen und dabei außerdem für ein sehr gutes Betriebsklima sorgen.“ Solche Rollenbilder sind wichtig, um nachfolgenden Frauen-Generationen noch mehr Perspektiven im Handwerk aufzuzeigen.

Der Steckbrief zur Studie

Das Digitalisierungsbarometer ist ein empirisch-fundiertes Forschungskonzept, um ein ganzheitliches Bild der Digitalisierung im Handwerk in ausgewählten Gewerken des Baus und Ausbaus zu zeichnen. Initiator der Studie ist die Empfehlungs- und Bewertungsplattform „Wirsindhandwerk.de“ in Zusammenarbeit mit Lab4Innovations und mit Unterstützung des Baden-Württembergischen Handwerkstags (BWHT) und des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau sowie der Deutschen Bank und Signal Iduna. Im Zeitraum November 2019 bis Oktober 2020 wurden 1.800 Handwerker, 1.000 Endkunden, 900 Jugendliche und 44 Experten befragt. Hinzu kamen 24 offene Interviews mit Handwerkern und Betriebsinhabern sowie drei Gruppendiskussionen mit Endkunden.
digibarometer-handwerk.de.