Fahrbericht Ford Transit Custom: Ein zweiter Transporter-Vater namens VW?

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Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe: Ford und VW machen bei Transportern gemeinsame Sache – ­profitiert davon der neue Transit Custom?

Evolution statt Revolution: Der Ford Transit Custom tritt sichtlich in die Fußstapfen seines Vorgängers.
Evolution statt Revolution: Der Ford Transit Custom tritt sichtlich in die Fußstapfen seines Vorgängers. - © Randolf Unruh

Plötzlich schaut Ali Hunt ernst drein: „Das ist zu 100 Prozent ein Ford.“ Der britische Entwicklungsleiter reklamiert nachdrücklich für seine Marke die technische Hoheit über den neuen Ford Transit Custom. Vorausgegangen war die Frage, inwiefern VW Einfluss auf den neuen Transporter genommen hat. Es ist kein Geheimnis: Die Branchen­größen haben sich für neue Fahrzeugprojekte unter wechselnder Führung zusammengeschlossen. Ford hat sie beim neuen Kompakt-Transporter inne.

Äußerlich ist der neue Transit Custom ein echter Ford, mehr Evolution als Revolution. Die Linienführung ist schnittig, mit keilförmiger Gürtellinie wie eh und je. Die Designer beider Fabrikate durften zugunsten der Markenidentität wechselweise keinen Blick auf die Arbeit der Kooperationskollegen werfen. Klare Sache also, der Transit Custom sieht aus wie ein Ford.

VW-Gene unterm Blech

Unter dem Blech lassen sich indes einige VW-Gene vermuten. Da wäre die schraubengefederte Schräglenker-Hinterachse, bisher teilte sich der Transit Custom mit seinem großen Bruder eine schlichte blattgefederte Starrachse. Und wie ist das im Cockpit mit den Bedienungselementen der Klimatisierung mit Tastenfeld und Signets im Monitor? Sieht nach VW aus, ist aber längst nicht so verschwurbelt, die Direktwahltasten kennt man aus dem E-Transit.

Die Sucherei nach Einflüssen des Kollegen führt nicht weiter. Zäumen wir das Pferd, also den Transit Custom, von hinten auf. Die kräftigen Türgriffe für Nutzer mit ebenso kräftigen Pranken sind bekannt. Der zweite Flügel der Hecktür öffnet jetzt auf Tastendruck, Feststeller für die 90-Grad-Öffnung gibt es nicht mehr. Zwar streckt sich der Transporter nun bereits in der Kurzausgabe auf knapp über fünf Meter Länge. Das Frachtabteil aber ähnelt mit 2,4 Meter Ladelänge und 5,8 Kubikmeter Volumen dem Vorgänger.

Respektabel: 1,25 Tonnen Nutzlast

Die seitliche Schiebetür gibt wie gehabt eine Ladeluke von knapp mehr als einem Meter frei, ist nun aber kerzen­gerade dank des üppigen Radstands von 3.100 Millimetern. Prima: Die Ausbuchtung der Trennwand zum Fahrerhaus ragt im oberen Bereich nur wenige ­Millimeter hinein – ran mit Stapler und beladenen Paletten. Ali Hunt erläutert, dass der Transporter um rund 100 Kilogramm abgenommen habe. Die Diät ergibt bei maximal 3,2 Tonnen zulässiger Gesamtmasse bis zu 1,25 Tonnen Nutzlast, Respekt.

Wegen der üppigen Karosseriebreite von knapp über zwei Metern genießt der Fahrer viel Platz. Auch stören die Radhäuser nun weit weniger. Der Schlüssel bleibt in der Hosentasche, ein Tastendruck oben in der Instrumententafel weckt die Maschine. Und die komplett digitalisierten Instrumente, bei denen der ungebremste Spieltrieb der Designer deutlich wird. Neben dem Digitaltacho recken sich als Säulen Kühlwasser­thermometer, Tankanzeige und vor allem der fast ungenießbare Drehzahlmesser. In der Mitte dockt ein weiterer üppiger Monitor im Format 12,9 Zoll an: für die Navigation und diverse Einstellungen ebenso diverser Assistenzsysteme.

Überraschend: Die Cockpit-Features

Gewöhnungsbedürftig ist das fast viereckige Lenkrad, es liegt aber verblüffend gut in der Hand. Lässt sich für die Brotzeit flachlegen und mit einem Teller versehen. Eine weitere Überraschung im Cockpit ist das sehr tiefe geschlossene Laptopabteil oberhalb des Handschuhfachs. Der Kniff: Die Entwickler platzierten den Beifahrer-Kopfairbag oben in die Dachverkleidung. Und wer einen Blick in den Maschinenraum werfen will, zieht zweimal am Hebel links im Fußraum, das Fingern unter der Motorhaube entfällt.

Beim Anfahren fallen typische Transit-Merkmale auf: Nach einer spürbaren Anfahrschwäche setzt das wuchtige Drehmoment ein. Hier, bei der Variante mit 110 kW/150 PS Leistung, sind es 360 Nm. Auch Drehfreude zählt nicht zu den Stärken des Zweiliter-Vierzylinder-Selbst­zünders, seine Stärken liegen bei mittleren Tourenzahlen.

Aufwendige Hinterachse tut dem Transporter gut

Portioniert wird dies alles durch ein Sechsgang-Schaltgetriebe, gekennzeichnet von kurzen Wegen und einer gewissen Knochigkeit. Im Unterschied zu früher verzichtet Ford auf eine ellenlange Übersetzung. Bei Tempo 100 dreht der Diesel rund 2.000 Touren im höchsten Gang. Ein Leisetreter ist der Ford nicht, dies betrifft den Motor, leichte Dröhn- und deutliche Windgeräusche. Ein etwas rauer Transit eben, der auf die letzte Feinheit in der Abstimmung verzichtet – 100 Prozent Ford.

Anders beim Fahrwerk. Die aufwendige Hinterachse tut dem Transporter spürbar gut. Beladen mit knapp einer halben Tonne federt er verbindlich, vermeidet jede Härte und entpuppt sich als kurvenfest. Die Lenkung arbeitet präzise und nicht zu leichtgängig. Fahrwerke können sie bei Ford eben richtig gut. Zu 100 Prozent Ford? Wer weiß das schon so genau. Egal, jedenfalls ein guter Start für den Neuling.