Fahrzeugtest Ford E-Transit: Elektrotransporter-Elefant mit Mustang-Genen

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Die Statur und die Optik eines Elefanten, gepaart mit der Technik und dem Temperament eines Mustangs – das Ergebnis ist eine geradezu tierische Performance.

Ford E-Transit
Großer grauer Elefant mit Rüssel: der E-Transit an der Ladesäule. - © Randolf Unruh

Sieh mal Kian, der Transporter sieht aus wie ein dicker großer und grauer Elefant.“ Schlaue Antwort des Vierjährigen: „Das ist kein Elefant, der hat keinen Rüssel.“ Richtig, und doch falsch: Ab und zu trägt der Ford E-Transit Rüssel. Dann, wenn er an der Ladesäule steht und vorne das Kabel angedockt ist. Hier im Ladepark wirkt der wuchtige Transporter zwischen all den schicken E-Limousinen und E-SUV tatsächlich ein ­wenig wie ein Elefant im Porzellanladen.

Er lädt mit maximal 115 kW zunächst recht flott, bei den letzten zehn, zwanzig Prozent wird’s zäh. Also besser nach einer guten halben Stunde weiterziehen, sofern nicht die maximale Reichweite notwendig ist. Die ist für einen Transporter seines Schlags recht üppig. Brutto 77 kWh Batteriekapazität, davon nutzbar 68 kWh, das bedeutet auf Kurz- und Überlandstrecken, mal voll beladen und mal leer und ge­messenen Schritts bewegt – Elefant! – rund 300 Kilometer Reichweite.

Auf der Autobahn schmilzt die Reichweite

Wer sich auf die Autobahn begibt, stößt an Grenzen: Die üppige Statur, das Gewicht von beladen 3,5 Tonnen und die hier spärliche Rekuperation durch Brems- und Schiebebetrieb fordern ihren Tribut. Der Verbrauch klettert bei gemütlichen 100 Sachen auf etwa 28 kWh. In vollem Galopp mit abgeregelt 130 km/h steigt er je nach Verkehrslage auf 40 kWh und mehr. Entsprechend schmilzt die Reichweite. Wer sie maximieren will und überwiegend Kurzstrecken schrubbt, wählt daher die optionale Begrenzung auf Tempo 90. Die Messergebnisse decken sich mit den Angaben der WLTP-Norm, dort liegt der Ford zwischen 17,6 und 43,6 kWh und erreicht einen Schnitt von 30,6 kWh. Die Testdaten: 19 bis 42 kWh, Durchschnitt 27,8 kWh/100 km.

Temperamentvoller E-Antrieb

Sowohl die Batterie- als auch die Antriebstechnik des neuen E-Transit haben keine Elefanten-, sondern feurige Mustang-Gene: Aus dem Ford Mustang E-Tech stammt der Akku, ebenso der starke E-Motor mit 135 kW Leistung und einem Drehmoment von 430 Nm. Alternativ geht es sogar mit 198 kW zur Sache, aber das ist zu viel des Guten. Die Maschine dockt wie im Mustang an der Hinterachse an, eine Technik, die sich allmählich durchsetzt. Zu Recht: Ohne Krawall wie durchdrehende Räder, ohne Sing- und Pfeifgeräusche prescht der wuchtige Ford – Leergewicht 2,68 Tonnen – in nur elf Sekunden aus dem Stand auf 100 Sachen. Damit entpuppt sich der E-Transit als der wahre Sprinter unter seinesgleichen. Er mag es indes auch gemächlich: Rangiermanöver laufen ruckfrei ab. Auch das Blending der Bremsen, der Übergang von der elektrischen Rekuperation zur Reibbremse, geschieht unmerklich.

Die Richtung wählt der Fahrer an einem praktischen Drehregler. Per Druck auf die integrierte Taste lässt sich die Rekuperation verstärken – leicht rollen oder kräftig bremsen, eine Sache des persön­lichen Fahrstils. Die Instrumente sind bestens ablesbar, den Ladestand in Prozent muss der Fahrer im großen Monitor abrufen. Dort findet er ebenfalls verspielte Anzeigen für die drei Fahrmodi. Angesichts der bulligen E-Maschine genügt dem Ford selbst beladen meist der E-Modus.

Souveräne Performance

Seine üppige Leistung bringt der Test­wagen souverän auf die Straße, brilliert er doch mit einer aufwendigen schraubengefederten Schräglenker-Hinterachse. Ein Novum in dieser Liga und eine weitere Verwandtschaft zum Mustang. Im Ergebnis liegt der E-Transit enorm sicher auf der Straße und der Fahrkomfort ist leer wie beladen höchst beachtlich. Dies alles im Zusammenspiel mit einer angenehm straffen elektrischen Lenkung, die allenfalls um die Mittellage etwas teigig wirkt.

Vom Komfort profitiert auch die Fracht, die indes überschaubar ausfällt. Die üppige Batterie treibt das Leergewicht, es verbleiben nur gut 800 Kilo Nutzlast für Fracht und Fahrer. Einen gewissen Ausgleich bietet die Anhängelast von 750 Kilo. Dank reichlich Achslastreserven und entsprechend starken Federn steht der E-Transit auch bepackt kerzengerade und mit ungebeugtem Rücken auf der Straße – der große Graue ist ein wahrer Arbeitselefant.

Auch im Detail: Auf Wunsch steckt rechts im Heck ein Paket mit zwei 230-Volt-Steckdosen. Hier lassen sich Geräte bis 2,3 kW Leistung betreiben. Eine Anzeige der Rest­reichweite im Monitor verhindert, dass dabei die Batterie über Gebühr leergelutscht wird. Die Arbeitsleuchte über dem Heck setzt alles ins rechte Licht.

Batteriekühlung brummt wie ein Kühlschrank

Weiter vorn profitiert der Fahrer von einem angenehm gepolsterten Sitz, viel Platz, zahlreichen Ablagen und einer angemessenen Materialqualität. In der geräumigen Truhe des Beifahrer-Doppelsitzes findet das Ladekabel Platz. Da vom weit entfernten E-Motor nichts zu hören ist, ­rücken bei hohem Tempo Windgeräusche in den Vordergrund, bei niedrigen Geschwindigkeiten einige Poltergeräusche des Fahrwerks. Bei großer Hitze brummt zum Start sowie beim Laden die Batteriekühlung wie ein entfesselter Kühlschrank.

Mit einer üppigen Serienausstattung macht’s der E-Transit seinem Steuermann angenehm. Ob schlüsselloses ­Starten oder elektronische Feststell­bremse, ob Heizung für Außenspiegel, Frontscheibe und Sitze, Klimatisierungs­­­automatik oder ein Audiosystem plus Navi und der Monitor im Format zwölf Zoll mit allerhand Anzeigen für die Feinheiten des elektrischen Fahrens – alles an Bord. Das mindert Schmerzen beim Erwerb: Ford hält die Basisvariante des Kastenwagens netto knapp unter 60.000 Euro, das sichert die aktuelle Förderung. Schmackhaft macht Ford den Schritt zur Elektromobilität zusätzlich mit einer reichhaltigen Auswahl. Den E-Transit gibt es als Kastenwagen in vier Längen und zwei Höhen, mit einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 bis 4,25 Tonnen, als Kastenwagen-Doppelkabine sowie als Fahrgestell in mehreren Längen und Gewichten.

Eine ganze Elefantenherde, mal mit und mal ohne Rüssel? „Er hat aber keine Stoßzähne“, fügt der kleine Kian ent­waffnend an. Stimmt.

Daten: Ford E-Transit Kastenwagen 350 L3H2

  • Abmessungen (L/B/H): 5.981/2.059/2.552 mm
  • Radstand: 3.750 mm
  • Wendekreis: 13.800 mm
  • Laderaum (L/B/H): 3.396/1.784/1.718 mm
  • Breite zw. den Radkästen: 1.392 mm
  • Ladevolumen: 11,0 m³
  • Nutzlast: 820 kg
  • Zulässiges Gesamtgewicht: 3.500 kg
  • Anhängelast bei 12 % Steigung: 750 kg
  • Zul. Zuggesamtgewicht: 4.250 kg
  • Motor: quer eingebauter Synchron-Elektromotor
  • Leistung: 135 kW
  • Drehmoment: 430 Nm
  • Batterie: Lithium-Ionen
  • Batteriekapazität: brutto 77 kWh, nutzbar 68 kWh Nennspannung 400 Volt
  • Aufladung: dreiphasig mit 11 kW, schnell-ladefähig mit max. 115 kW
  • Höchstgeschwindigkeit: 133 km/h
  • Verbrauch Teststrecke beladen: 27,8 kWh/100 km
  • Testwagenpreis: 60.490 Euro netto