Fachkräfte gewinnen Flexible Arbeitszeit: Wie Handwerker das Top-Thema angehen können

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Zwei Drittel aller Mitarbeiter würden laut Gallup-Studie für flexible Arbeitszeiten den Arbeitgeber wechseln. Laut Auswertung des Bewertungsportals kununu.de hinkt das Handwerk jedoch gerade bei der Flexibilität deutlich hinterher. Wie Betriebe das ändern können, erklärt Experte Daniel Dirkes an drei konkreten Beispielen.

Daniel Dirkes
Handwerksexperte Daniel Dirkes zeigt im handwerk magazin-Seminar, wie Unternehmer im Alltag zu mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten kommen. - © Daniel Dirkes

Wenn es um die Frage der Prioritäten im Job geht, unterscheidet sich die Generation Z (geboren zwischen 1995 bis 2010) deutlich von der Vorgängergeneration Y: Ist für 45 Prozent der Y-Vertreter ein hohes Einkommen noch sehr wichtig, trifft das laut Generation-Thinking-Studie des Psychologen Rüdiger Maas nur noch auf ein Drittel der Zler zu. Von denen wünschen sich jedoch fast zwei Drittel einen Beruf, der genügend Freiraum für Privates und die Familie lässt, bei der Generation Y ist das für jeden zweiten sehr wichtig. Die vom Handwerk laut kununu-Auswertung überwiegend gebotenen starren Arbeitszeitkonzepte passen also so gar nicht zu den Wünschen der jungen Fachkräfte, was die Akquise nicht gerade erleichtert. Doch wie können Arbeitgeber im Handwerk das ändern? Daniel Dirkes, Geschäftsführer der Auf Kurs GmbH in Merzen und Experte zu den Themen Strategie, Positionierung und Mitarbeitergewinnung, zeigt im handwerk magzin-Seminar, wie Betriebe im Alltag zu mehr Flexiblität kommen.

Chance für das Handwerk: latent Suchende mit Flexibilität locken

Wo erreichen Sie heute gut ausgebildete, motivierte Fachkräfte? Auf der Straße sicher nicht. Die so genannten A-Mitarbeiter stehen allesamt in Lohn und Brot. Darum sollte sich die Mitarbeitersuche im Handwerk gezielt an die „latent Suchenden“ richten. Diese Zielgruppe ist größer, als man denken mag: Etwa 15 Prozen Arbeitsbevölkerung gilt als latent suchen. Soll heißen: Jede(r) Achte könnte sich einen Arbeitgeberwechsel vorstellen – wenn das Gesamtpaket stimmt.

Die psychologische Hürde ist enorm. Ein Stellenwechsel bedeutet für die Person immer hohe Unsicherheit – auf deren Minimierung unser Gehirn trainiert ist. Die Erfahrung in den Handwerksbetrieben zeigt aber: Gerade das Thema flexible Arbeitszeit ist ein Eisbrecher. Für große Teile der Arbeitsbevölkerung ist der Reiz so groß, dass die Gesprächsbereitschaft sofort schlagartig zunimmt. Das haben wir bei unseren Kunden etwa an den steigenden Zahlen von Initiativbewerbungen messen können.

Flexibilität heißt nicht Kommen und Gehen nach Wunsch

Dennoch bleibt die große Frage: Wie soll das Thema im Handwerk umgesetzt werden? Die Monteure können ja nicht einfach so erst um 11 Uhr auf der Baustelle aufkreuzen, statt um 8 Uhr. Und wenn die Bäckerin morgens mal ausschlafen will, würde die Bevölkerung ganz sicher nicht mehr nach Flexibilität am Arbeitsplatz schreien. Hier gilt es aufzuklären und das Konzept „flexible Arbeitszeit“ in einem anderen Licht zu betrachten. Denn Flexibilität heißt nämlich keineswegs, dass jeder kommen und gehen kann wie er will. Je nach Branche und Arbeitsinhalt gibt es zahlreiche unterschiedliche Lösungen, für Handwerksbetriebe bieten sich die drei folgenden Varianten an:

Variante 1: Die 4-Tage-Woche

Als besonders praktikabel und beliebt erweist sich gerade im Bauhandwerk die 4-Tage-Woche. Viele Facharbeiter freuen sich über drei Tage Wochenende und sind dafür bereit, mehr Stunden in den ersten vier Wochentagen zu leisten. Ganz wichtig: Setzen Sie ein solches Konzept nie alleine durch! Befragen Sie ausführlich und wertneutral Ihr Team. Die 4-Tage-Woche ist nicht für jeden etwas. Für viele Fachkräfte ist sie aber ein wichtiges Argument! Das sehen wir an den Ergebnissen in der Mitarbeitergewinnung eindeutig.

Ein Beispiel: Sascha Rathje, Inhaber einer Dachdeckerei & Zimmerei in Hamburg , hat etwa sein Team einberufen und ihnen den Vorschlag einer 4-Tage-Woche unterbreitet. Etwa 80 Prozent der Belegschaft war sofort begeistert. Der Rest wollte lieber im gewohnten 5-Tages-Rhythmus bleiben. Das Ergebnis: Die 4-Tage-Woche wird als Standard in den „hellen“ Monaten eingeführt. Wer aber 5-Tage arbeiten möchte, darf das ohne Extra-Genehmigung tun. Somit hat die Firma Rathje im umkämpften Hamburger Markt ein echtes Alleinstellungsmerkmal, das künftig in der Mitarbeitergewinnung in den Fokus gesetzt wird.

Variante 2: Sonderurlaube & Stundenverrechnungskonten

Gerade im Handwerk ist es nicht leicht, Flexibilität im Alltag zu gewährleisten. Kleinere Betriebe haben es da ungemein schwer. In vielen Gewerken ist es kaum darstellbar. Aber auch diese Betriebe können einen Schritt zu mehr Flexibilität für ihre Arbeitnehmer machen, etwa durch mehrwöchige Sonderurlaube oder Arbeitszeitkonten. Die Möglichkeiten sind vielfältig – aber zugegeben auch komplex umzusetzen, um allen steuerlichen und rechtlichen Fragen gerecht zu werden. Doch oft sind es schon die kleinen Schritte, die einen Effekt erzielen. Viele Handwerksbetriebe ermöglichen ihren Mitarbeitern längst zu Hause zu bleiben, wenn es Privat mal drückt. Damit das auch einen Effekt hat: Halten Sie das Ganze schriftlich fest! Kommunizieren Sie es in Ihrem Team. Und vor allem: Schreiben Sie es in Ihre Stellenanzeigen!

Variante 3: Das Team entscheidet

Kennen Sie das Elfenbeinturm-Prinzip? Der Chef sitzt in seinem Turm und überlegt, was seine Herde denn wohl gebrauchen könnte. Gerade beim Thema flexible Arbeitszeit ist aber die sinnvollste Entscheidung seine Mannschaft mit einzubeziehen! Fragen Sie Ihre Mitarbeiter doch einfach, was sie sich überhaupt wünschen. Unsere Erfahrung ist, dass viele Chefs sich gute Gedanken machen. Diese werden dann voller Euphorie und Stolz dem Team präsentiert – und keiner will es. Das ist natürlich enorm enttäuschend und für viele so frustrierend, dass sie das Thema ganz aufgeben. Doch das wäre fatal!

Deshalb: Fragen Sie Ihre Mitarbeiter nach ihren Wünschen. Beraumen Sie dazu ruhig eine intensive Besprechung an. Bestehen Sie darauf, dass nicht nur Wünsche geäußert werden, sondern sich die Mitarbeiter auch Gedanken zur Umsetzung machen. Die Erfahrung zeigt, dass daraus erstens wirklich gute Ansätze resultieren. Denn Sie binden Ihr Team emotional so tief in die Entscheidung ein, dass eine echte Verbundenheit zur Firma entstehen kann. Auch unzufriedene Mitarbeiter werden so auf ein Minimum reduziert. Finden Sie keinen neuen Ansatz, hat Ihr Team wenigstens gesehen, das Sie sich Gedanken um attraktivere Arbeitsplätze machen, was ebenfalls zur Mitarbeiterbindung beitragen kann.

Wichtig: Gehen Sie Ihren Weg

Im Handwerk sind derzeit zwei Gruppen zu beobachten: Eine noch kleine (aber wachsende) Gruppe von Handwerksunternehmern, die sich gedanklich bereits sehr aktiv mit dem Thema auseinandersetzt, und eine größere (aber schrumpfende) Gruppe, die das Thema nicht auf dem Radar hat. An die erste Gruppe gerichtet gilt der Rat: Lassen Sie sich nicht verrückt machen! Es gibt viele „New Work“ Trends, die sich schnell wieder erledigen. Versuchen Sie nicht herauszufinden, was nun die allerbeste 1A Lösung für flexible Arbeitszeiten is t. Gehen Sie vielmehr Ihren eigenen Weg!

Wichtig: Das Thema steht und fällt mit Ihnen und Ihrer Haltung dazu! Sie müssen es vorleben, Sie müssen es ernst meinen. Sonst werden Ihre Mitarbeiter schnell merken, dass da nur Augenwischerei betrieben wird. Die Folge: Keiner nutzt die Möglichkeiten und es ist nichts gewonnen .

An die Betriebsinhaber gerichtet, die sich noch nicht mit dem Thema auseinandersetzt haben: Natürlich muss nicht jeder flexible Arbeitszeiten anbieten. Differenzieren kann man sich als Arbeitgeber auch über andere Themen. Aber binden Sie in Ihre strategischen Überlegungen auch die Frage ein: Kann ich es mir auf Dauer leisten ein Thema nicht anzubieten, das für die Arbeitsbevölkerung von so großer Bedeutung ist?

Warum die 4-Tage-Woche auch Ihrem Gewinn auf die Sprünge hilft und wie weitere Praxiserlebnisse mit dem Modell aussehen, erfahren Sie auf dem handwerk magazin Seminar mit Referent Daniel Dirkes : „So gewinnen und halten Sie Top-Mitarbeiter"

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