Interview mit Dr. Uwe Schlegel Inflationsausgleichsprämie: Wie Sie Ihren Mitarbeitern das Geld steuerfrei und rechtssicher auszahlen

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Bis 31. Dezember 2024 können Betriebsinhaber ihren Mitarbeitern eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie bezahlen. Das ifo-Institut in München ermittelte im Dezember 2022, dass 42 Prozent der Betriebe zur Zahlung der Prämie bereit wären. Rechtsanwalt und Arbeitsrechtsexperte Dr. Uwe Schlegel, Geschäftsführer der ETL Rechtsanwälte GmbH in Köln, erklärt im Interview, wie Handwerkschefs vorgehen, ohne Fehler zu machen.

Inflationsausgleichsprämie
Die Inflationsausgleichsprämie muss zusätzlich zum geschuldeten Gehalt bezahlt werden. - © Vusal - stock.adobe.com
Herr Dr. Schlegel, wie genau lassen Betriebschefs ihren Mitarbeitern die Inflationsausgleichsprämie steuerfrei zukommen?

Nun, sie können theoretisch direkt loslegen. Die Prämie kann bis einschließlich 31. Dezember 2024 ausbezahlt werden – 3.000 Euro insgesamt. Wichtig zu wissen: Die Prämie muss zusätzlich zum geschuldeten Arbeitsentgelt bezahlt werden. Je nach Liquidität des Unternehmens könnten Sie den Betrag, der ja mit 3.000 Euro gedeckelt ist, auch in unterschiedlichen Tranchen auszahlen – sofern Sie den Maximalbetrag nicht überschreiten. Auch spricht nichts dagegen, dem Mitarbeiter einen Betrag unter 3.000 Euro auszuzahlen – wenn Chefs etwa gestaffelt nach dem jeweiligen Einkommen Ihrer Mitarbeiter vorgehen möchten. Wobei unterschiedlich hohe Zahlungen immer am allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen sind: Gleiches ist gleich zu behandeln, Ungleiches darf ungleich behandelt werden.

Das heißt, der Arbeitgeber hat an dieser Stelle weitgehend freie Hand? Und wenn es die wirtschaftlichen Umstände nicht zulassen, hat der Arbeitnehmer auch keinen Anspruch auf die Prämie?

Ganz richtig. Als Chef können Sie sich auch gegen das Ausbezahlen der Prämie entscheiden. Es handelt sich um eine freiwillige Leistung, die steuer- und sozialabgabenfrei ist. Der Mitarbeiter hat also nicht per se Anspruch darauf. Sie sollten aber bedenken, welches Signal Sie senden, wenn Sie die Inflationsausgleichsprämie als Arbeitgeber nicht gewähren. Denn normale Lohnsteigerungen können die aktuell stark gestiegenen Lebenshaltungskosten kaum ausgleichen. Und noch etwas muss Ihnen klar sein: In der Regel wissen die Mitarbeiter um die Möglichkeit eines solchen Zuschlags und fragen sich zu Recht, warum der Chef nicht bereit ist, sie zu gewähren. Das sind allerdings Überlegungen abseits rechtlicher Gesichtspunkte

Aber was tun Unternehmer, die tatsächlich klamm sind, weil sie mit Materialpreissteigerungen, Fachkräftemangel und Co. zu kämpfen haben?

Liegt es an der finanziellen Situation des Unternehmens würde ich Betriebsinhabern raten, das Thema anzusprechen. Denn in der aktuellen Situation, in der alle Preise deutlich höher sind als bislang, ob das Brötchen in der Bäckerei oder das Heizöl im Tank, ist die Ausschüttung der Inflationsausgleichsprämie für viele Arbeitnehmer ein Hoffnungsschimmer. Viele sehen die Auszahlung als Zeichen der Wertschätzung. Bedenken Sie: In unsicheren Zeiten wiegt Ihre Verantwortung als Chef schwer. Mit der Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie binden Sie das Team an den Betrieb und stärken den Teamspirit. Zufriedene Mitarbeiter kommen lieber in die Werkstatt und ins Büro. Die Zahlung der Prämie kann das Team motivieren, schwierige Zeiten gemeinsam so gut wie möglich zu bewältigen. Will und kann ich als Unternehmer die Prämie nicht auszahlen, muss ich um Verständnis bitten und Gründe vorbringen. Auch eine solche Botschaft kann das Vertrauen und den Zusammenhalt stärken. Auch das sollten Sie – abseits von rechtlichen Erwägungen – bedenken.

Was ist aber nun, wenn ich ein ganzes Team habe, davon einigen lieber mehr bezahle, andere aber nicht so großzügig bedenken möchte?

In der Tat sollten Betriebschefs unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung Vorsicht walten lassen. Prinzipiell ist es möglich, den Mitarbeitern Prämien in unterschiedlicher Höhe zu bezahlen. Es müssen jedoch sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung vorliegen. Als Betriebschef könnten Sie sich etwa dafür entscheiden, die Prämie nur Mitarbeitern bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe auszubezahlen. Oder Sie bezahlen Teilzeitkräfte nur anteilig im Vergleich zu Vollzeitkräften.

Und wäre es legitim, wenn ich Mitarbeitern mit höherem Einsatz für den Betrieb auch einen höheren Betrag überweise, als denen, deren Einsatz eher durchschnittlich oder sogar unterdurchschnittlich ist?

Eine Staffelung nach den jeweiligen Arbeitsergebnissen der Mitarbeiter empfiehlt sich eher nicht. Denn natürlich würde sich die Frage stellen, ob eine unterschiedlich hohe Zahlung der Inflationsausgleichsprämie tatsächlich sachlich begründet werden kann. Das dürfte schwierig werden, denn bei der steuer- und abgabenfreien Prämie geht es ja in erster Linie – wie der Name schon sagt – um einen Ausgleich für inflationsbedingt gestiegene Lebenshaltungskosten. Und davon sind schließlich alle Teamkollegen gleichermaßen betroffen, unabhängig von ihrem Arbeitseinsatz fürs Unternehmen.

Kann ich auch einzelne Mitarbeiter von der Inflationsausgleichsprämie ausschließen? Und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

Das Arbeitsgericht Paderborn urteilte (Aktenzeichen 1 Ca 54/23) gerade in einem Fall: Chefs sind nicht verpflichtet, die Inflationsausgleichprämie allen Angestellten auszubezahlen, wenn es für die unterschiedliche Behandlung einen sachlichen Grund gibt. In dem Fall hatte ein Unternehmen Mitarbeitern die Inflationsausgleichprämie bezahlt, die während der Corona-Krise veränderte Arbeitsverträge akzeptiert hatten. Diese enthielten nicht mehr vormals zugesagte Sonderzahlungen. Eine Mitarbeiterin, die den veränderten Vertrag nicht akzeptiert und weiter die vertraglich zugesicherte Summe in Höhe von 3.700 Euro brutto für 2020 und 2021 erhalten hatte, wurde nicht mit der Prämie bedacht. Sie zog vor Gericht und forderte mit Verweis auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz anteilig 666 Euro Inflationsausgleich für ihre Teilzeitstelle. Zu Unrecht, so die Richter. Das Unternehmen könne Mitarbeiter bedenken, die auf die Sonderzahlung verzichtet hatten. Dass die Angestellte leer ausging, sei eine sachlich begründete Ungleichbehandlung.

Könnte die Inflationsausgleichprämie anstatt einer Gehaltserhöhung bezahlt werden?

Dies geht nur, wenn sie vom Arbeitgeber nicht ohnehin geschuldet wird. Und Sie müssen als Chef sicherstellen, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass die Prämie vorübergehend eine spätere Gehaltserhöhung ersetzt. In dem Moment, in dem Sie das Gehalt um den zuvor monatlich abgabefrei bezahlten Betrag aufstocken, handelt es sich um eine rechtlich nicht zulässige Konstruktion. Denn die Prämie soll zusätzlich zum Gehalt ausbezahlt werden. Schwierig würde es übrigens auch in diesem Fall: Wenn der Chef dem Mitarbeiter etwa schon im Oktober 2023 eine Gehaltserhöhung zusagt, dann aber stattdessen erst einmal die Inflationsausgleichsprämie in Teilbeträgen überweist. Ist aufgrund einer tariflichen Regelung eine Gehaltsanpassung nach oben fällig, dürfen Sie die Prämie ebenfalls nicht auf den Lohn anrechnen. Auch kann sie nicht das arbeitsvertraglich vereinbarte Weihnachts- oder Urlaubsgeld ersetzen.

Und wie gehen Arbeitgeber vor, die ihren Mitarbeitern in den vergangenen Jahren eine Jahresendprämie haben zukommen lassen, diese nun durch eine Inflationsausgleichsprämie ersetzen möchten?

Das ist in der Tat schwierig. Wichtig ist zunächst einmal, dass Chefs ihren Mitarbeitern die Jahresendprämie in der Vergangenheit unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt ausbezahlt haben und dies auch nachweisbar ist. Streng genommen muss man die Inflationsausgleichsprämie unabhängig von der Jahresendprämie sehen können. Im rechtlich besten Fall zahlt der Chef sogar beides, also die Jahresendprämie und die Inflationsausgleichsprämie. Denn die Inflationsausgleichsprämie ist ja dazu da, die Belastungen durch gestiegene Preise auszugleichen.

Was passiert, wenn ich mich als Arbeitgeber nicht an die gesetzlichen Vorgaben halte oder Fehler passieren?

Dann werden auf die Zahlungen in der Regel Lohnsteuer fällig und ebenso Sozialversicherungsbeiträge. Das sollten Sie als Chef jedoch nicht riskieren, denn oft fallen den Finanzämtern und Sozialversicherungsträgern solche Verstöße erst sehr viel später auf – meist im Zuge einer Betriebsprüfung. Die Rückforderungen werden Arbeitgeber über Gebühr belasten, weil sie den Arbeitnehmeranteil nicht mehr vom Mitarbeiter zurückfordern dürfen. Sie sind vielmehr dazu verpflichtet, die vollständigen Sozialversicherungsbeiträge – also Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil – zu tragen. Das kann vor allem für kleine Betriebe sehr belastend sein. Hinzu kommen strafrechtliche Risiken.

Und was wäre ein rechtlich korrektes Konstrukt für die Prämie?

Nun, Sie könnten etwa ab sofort, also ab November 2023, für die verbleibenden 14 Monate 214 Euro monatlich Inflationsausgleichsprämie bezahlen - zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn, steuer- und abgabenfrei.

Kann die Prämie auch an Minijobber oder Arbeitnehmer in einem Zweitjob ausbezahlt werden?

Ja, das geht, denn das Gesetz sieht keine Begrenzung auf das erste Dienstverhältnis oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen vor. Damit steht der Auszahlung an Minijobber, Teilzeitbeschäftigte und an Arbeitnehmer im zweiten Beschäftigungsverhältnis nichts im Weg.

Und wie sieht es mit der Zahlung der Prämie an Gesellschafter-Geschäftsführer von UG oder GmbH aus oder an Ehepartner oder Kindern des Gesellschafters?

Das kann im Einzelfall schwierig werden. In jedem Fall müssen diese Zahlungen einem sogenannten Fremdvergleich standhalten. Das heißt, dass die Zahlung – und sei es auch nur hypothetisch – dem Grunde und der Höhe nach an einen fremden Dritten ausgezahlt wurde bzw. ausgezahlt worden wäre.

Könnte ich als Chef die Inflationsausgleichsprämie auch in Form von Sachleistungen überweisen? Wie würde das in der Praxis ablaufen?

Der Arbeitgeber kann auch Gutscheine ausgeben, etwa für Restaurant, Tankstelle, Fitnessstudio oder zum Einkaufen. Theoretisch kann er auch die Heizkosten seiner Mitarbeiter damit bezahlen. Darin sieht der Gesetzgeber keinen Verstoß.

Vita: Dr. Uwe Schlegel

Dr. Uwe Schlegel, ETL-Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH
© Dr. Uwe Schlegel, ETL-Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH

Dr. Uwe Schlegel ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer der ETL-Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH in Köln.

Er ist unter anderem spezialisiert auf Arbeitsrecht, Arbeitsstrafrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Allgemeines Vertragsrecht. Er gibt sein Wissen als Dozent für allgemeines Zivilrecht, Wirtschaftsrecht und Arbeitsrecht weiter.