Energieversorgung im Krisenmodus Energieverträge: Wie Betriebe zum Laufzeitende clever agieren und sich Anschlussverträge sichern

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Energieeffizienz und Liquiditätsmanagement

Betriebe, deren Energielieferverträge jüngst ausgelaufen sind, haben schon die Erfahrung machen müssen: Mit Anschlussverträgen sind Versorger aktuell ­zurückhaltend. Wie Chefs jetzt am besten vorgehen.

Christian Hanek, Geschäftsführer der C. Hanek Karosserie + Lackierzentrum GmbH & Co. KG im oberbayerischen Hebertshausen.
Christian Hanek, Geschäftsführer der C. Hanek Karosserie + Lackierzentrum GmbH & Co. KG im oberbayerischen Hebertshausen. - © Tanja Kernweiss

Christian Hanek führt die C. Hanek Karosserie + Lackierzentrum GmbH & CO KG, einen 15-Mann-Betrieb im oberbayerischen Hebertshausen, Landkreis Dachau. Den Betrieb, den er 2009 von seinem früheren Chef übernommen hat, lenkt er konsequent in die Zukunft: Fünf moderne Lackieranlagen und ein Blockheizkraftwerk beherbergt die neue Firmenzentrale, die er 2015 auf einem Grundstück in unmittelbarer Nachbarschaft zum früheren Gelände errichten ließ. Hanek betreibt zudem eine Kfz-Werkstatt mit den Schwerpunkten Kundendienst und Un­fallinstandsetzung.

In der Lackiererei erhalten Personen- und Lastkraftwagen, aber auch Industrieprodukte einen neuen Anstrich. „Für den Lackiervorgang erhöhen wir die Temperatur von Frischluft auf 23 Grad Celsius, die Trocknung von Industrielacken erfolgt über drei Stunden bei 60 bis 70 Grad“, sagt ­Hanek. Sein Energiebedarf ist stark witterungsabhängig. An warmen Tagen sei das Anwärmen der Luft für die Lackierung selbst nicht notwendig. „Im Winter dagegen heizen wir von Minusgraden auf Zimmertemperatur hoch“, erklärt er sein Geschäft. Sparen kann er aktuell nur, indem er die Trocknung bei niedrigeren Temperaturen verlängert und über Nacht vornimmt.

Erneuerbare Energien reichen nicht aus

„Unseren hohen Bedarf können wir nicht so einfach durch einen Umstieg auf Erneuerbare auffangen“, erklärt Hanek. 2021 verbrauchte sein Betrieb 875.015 Kilowattstunden (kWh) Gas und 129.806 kWh Strom. Umso erstaunter war Hanek, als im Juni sein alter Gaslieferungsvertrag endete: Der neue Anbieter – die SWP Energie Pforzheim – verlangt für die Kilowattstunde nun einen Arbeitspreis von 13,63 Cent netto. Zuvor waren es 1,57 Cent. Sein Stromvertrag mit den Stadtwerken Dachau läuft Ende 2022 aus, er rechnet künftig mit einem sechsfach erhöhten Arbeitspreis pro kWh. „Über 136.000 Euro Mehrkosten für Erdgas und Strom inklusive aller Netzentgelte im Jahr 2023 müssen natürlich irgendwo herkommen“, konstatiert Hanek.

Sukzessive den Druck erhöhen

Auf die Frage, wie er vorging, als das Auslaufen des Erdgas-Vertrags kurz bevorstand, sagt er: „Wir haben unseren Energiedienstleister bereits Anfang des Jahres um einen Anschlussvertrag gebeten.“ Haneks Partner, die Ampere AG in Berlin, bringt über Einkaufsgemeinschaften Versorger und Betriebe zusammen. Hanek führt weiter aus: „Da man dort zurückhaltend war, haben wir zwei Monate vor Vertragsende sukzessive den Druck erhöht.“ Wenige Tage bevor die alte Kooperation mit der GGEW AG auslief, hielt er den neuen Vertrag in Händen.

Hanek bezahlt zwar nun deutlich mehr für Gas, aber immerhin hat er einen Vertrag erhalten. Rechtsanwältin Leonora Holling, Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher, vertritt mit ihrem Verband 10.000 Mitglieder, darunter etwa 500 Handwerkschefs. „Über die Sommermonate hatten wir bereits diverse Anfragen von Unternehmern“, sagt Holling, vor allem energieintensive Betriebe hätten sich bei ihr gemeldet. Sie beobachtet, dass sich Energieversorger gegenüber Gewerbekunden in der aktuellen Situation nicht immer erwartungsgemäß verhalten. „Im Kern haben wir es mit zwei Varianten zu tun: Einmal winden sich Versorgungsunternehmen mittels einer Kündigung aus festen Verträgen mit der Begründung ‚Wegfall der Geschäftsgrundlage‘, zum anderen versuchen sie, vertraglich fixierte Preise über fragwürdige Klauseln oder Umlagen zu erhöhen.“

Kündigungsgründe prüfen

Beide Vorgehensweisen sieht die Juristin kritisch: Die einseitige Willenserklärung, aufgrund gestiegener Beschaffungskosten bestehende Verträge aufzukündigen, sei vor dem Hintergrund aktuell wieder sinkender Preise schwer nach­­vollziehbar. Energieversorger kämen mit der Botschaft, sie müssten eben langfristig planen, vor Gericht kaum durch, meint die Juristin. Preiserhöhungen in laufenden Verträgen seien kritisch zu hinterfragen. Ungünstig indes sei, wenn Betriebe ihre Energierechnungen nicht bezahlen würden. „Wer Liquiditäts-Engpässe erwartet, bittet seinen Versorger besser um ein Moratorium – einen Zahlungsaufschub über sechs, acht oder 24 Monate –, statt eine Kündigung zu riskieren“, rät Holling.

Rechtsanwalt Dr. Hans-Christoph Thomale, Partner der Mazars Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Frankfurt, dort zuständig für Energierecht, weiß, dass Energieversorger auf solche Bitten häufig eingehen: „Das ist für die Unternehmen allemal besser, als im worst case ohne Geld dazustehen.“ Er rät Handwerkschefs: „Aktuell sollte dem Energiemanagement beziehungsweise der Energiebeschaffung im Betrieb Vorrang eingeräumt werden.“

Mit der Grund- und Ersatzversorgung gebe es zwar eine Fallback-Lösung, die der Betrieb aber in aller Regel teuer bezahle. „Grundversorger sind verpflichtet, in ihrem Netzgebiet jeden Haushaltskunden zu beliefern“, betont Thomale. Darunter fielen neben Haushaltskunden auch Gewerbekunden mit einem Jahresverbrauch bis 10.000 kWh. Betriebe mit einer Abnahme darüber hinaus kämen automatisch in die Ersatzversorgung, wenn kein aktueller Liefervertrag mehr vorliegt und eine Belieferung in Niederspannung oder Niederdruck erfolgt. Thomale: „Innerhalb von drei Monaten sollte ein neuer Vertrag vorliegen, sonst droht tatsächlich die Aussetzung der Lieferung.“

Energielieferverträge: Darauf kommt es jetzt an

Aktuell haben Sie Ihre Energielieferverträge im Blick für den Fall, dass der aktuelle Versorger Ihnen keinen Folgevertrag anbietet. Nehmen Sie frühzeitig, lange vor Auslaufen des Vertrags, Gespräche auf. Zudem haben Sie diese Optionen:

Wenn der Energieversorger den ­Vertrag unerwartet kündigt
  • Prüfen Sie in den AGBs, ob die Kündigung fristgemäß und ordentlich erfolgte (etwa zum Laufzeitende oder aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage), wurden die Kündigungsgründe erläutert?

  • Haben Sie berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kündigung, legen Sie Widerspruch ein. Holen Sie vorab anwaltlichen Rat ein.
Wenn der Energieversorger den vertraglich fixierten Preis erhöht

Wurde in Ihrem Liefervertrag der Energiepreis durch eine mathematische Formel bestimmt und Sie haben dies akzeptiert, können Sie sich gegen diesen Preis nicht wehren. Andernfalls

  • teilen Sie dem Versorger schriftlich mit, dass Sie seine Berechtigung zur Preis­fest­setzung infrage stellen und der Preis­­erhöhung widersprechen.

  • In einem weiteren Schreiben erklären Sie den aktuellen Preis für unbillig überhöht.

  • Legen Sie bei künftigen Zahlungen fest, wofür Sie zahlen – zum Beispiel „Abschlag Gas Monat Dezember.“

  • Ziehen Sie das Sepa-Lastschrift-Mandat zurück und überweisen Sie stattdessen die Abschlagszahlungen monatlich – eventuell per Dauerauftrag.

  • Leisten Sie Zahlungen bei Indifferenzen mit Ihrem Versorgungsunternehmen nur unter Vorbehalt, statt Zahlungen ganz einzustellen. Damit vermeiden Sie zusätzliche Konflikte.

Mit Versorger vor Ort im Vorteil

Yannic Schmitt, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Aachen, beschreibt die Situation für kleine Betriebe als sehr herausfordernd – vor allem für Betriebe wie Friseure, kleine Bäckereien und Metzgereien. Hier kratzen neben gestiegenen Energiekosten höhere Lohnkosten an der Marge. Allerdings gibt es im Raum Aachen eine örtliche Besonderheit: Ein Rahmenvertrag mit den Stadtwerken Aachen AG (STAWAG) besagt, dass Innungsbetriebe, die über eine Mitgliedschaft der Kreishandwerkerschaft verfügen, zu günstigen Preisen Strom und Gas beziehen. „Die Verträge laufen auch aktuell unbefristet weiter, nach einer turnusgemäßen Tarifanpassung zu Beginn des Jahres“, berichtet Schmitt.

Mitgliedsbetriebe könnten sogar aus anderen Verträgen in die günstigere STAWAG-Grundversorgung wechseln, unabhängig von ihrer Abnahmemenge. Das regionale Beispiel zeige, wie lohnend der gute Kontakt zum örtlichen Versorger in krisenhaften Zeiten sein könne. Thomale unterstützt Schmitts These: „Dem Versorger vor Ort geht es auch um das Fortkommen der Wirtschaft in der Region – das gibt einer Partnerschaft Sicherheit und Verträgen Solidität.“ Viele Energieversorger hätten überdies die Belieferung außerhalb ihres Gebiets längst eingestellt. Im Zweifel sollten Chefs ­Sicherheiten, etwa Bankbürgschaften vorlegen, die im Vorfeld eines Vertragsschlusses verlangt werden, oder gegebenenfalls Bonitätsabfragen zustimmen. Energielieferungen über einen Dienstleister ab­wickeln zu lassen, wie es auch Hanek tat, hält Schmitt im Moment nicht für den goldenen Weg. Solche Unternehmen ­böten zwar solide Vertragspartner an, aber ohne regionalen Bezug.

Rechtsanwältin Holling plädiert dafür, bestehende Verträge jetzt keinesfalls zu kündigen, in der Hoffnung, man komme an anderer Stelle günstiger an Energie. „Das ist ein Irrglaube“, betont sie und berichtet von Betrieben, die schon den vermeintlich günstigeren Anschluss-Versorger in petto hatten, dann aber feststellten, dass der neue Vertrag deutlich teurer war als der des bisherigen Anbieters. Thomale ergänzt: „Der Trend, aus überteuerten Verträgen in die Grundversorgung zu wechseln, ist Ursache dafür, dass regionale Versorger allein 2022 schon mehrmals die Preise anpassen mussten – zu Lasten von Bestandskunden.“ Man werde ohnehin erst sehen, wie sich die Lage 2023 und 2024 darstelle. Denn Versorger planten in der Regel lange im Voraus.

Handwerkschef Hanek hofft, dass sein Gaspreis 2023 gedeckelt wird. In der Tat soll das dritte Entlastungspaket laut Bundeswirtschaftsministerium noch dieses Jahr beschlossen werden.

Know-how: Grund- und Ersatzversorgung im Überblick

Endet der Energieliefervertrag für Ihren Handwerksbetrieb in Niederspannung oder Niederdruck und Sie haben noch keinen neuen Anbieter, landen Sie meist in der Grund- oder Ersatzversorgung. Es kommt dadurch nicht zu Versorgungsunterbrechungen.

Die Grundversorgung
Energieversorgungsunternehmen sind verpflichtet, in ihrem Netzgebiet jeden Haushaltskunden auch ohne Vertrag in Niederspannung oder Niederdruck zu beliefern. Grundversorger ist der Energieversorger mit den meisten Haushalts­kunden im Netzgebiet. Unter die Grundver­sorgung fallen Sie in der Regel

  • als privater Verbraucher.

  • als Gewerbebetrieb mit einem Strom- und Erdgasverbrauch von je nicht mehr als 10.000 Kilowattstunden pro Jahr.

Die Ersatzversorgung
Für höhere Spannungs- und Druckstufen treffen Sie Individualvereinbarungen. Die kurzfristige Energielieferung stellt der Netzbetreiber dann in der Regel im Anschlussnutzungsvertrag in Rechnung. In die Ersatzversorgung des Grundversorgers fallen Sie als Bezieher von Energie in Niederspannung und Niederdruck, wenn

  • der Netzbetreiber Ihren Betrieb dem Grundversorger zur Ersatzversorgung zuordnet. Darüber muss er Sie schriftlich informieren.

  • ein Anbieterwechsel aufgrund der aktuellen Lage adhoc scheitert und Sie keinen gültigen Energieliefervertrag haben.

  • Ihr Betrieb durch die Insolvenz eines Energieversorgers ungeplant keine Energie mehr erhält.

Was zu tun ist, wenn Sie in die Ersatzversorgung geraten
Der Versorger ist dazu angehalten, Ihnen als Kunde unverzüglich den Zeitpunkt des Beginns und des Endes der Ersatzversorgung mitzuteilen. Es ist kein Vertragsabschluss notwendig. In der Ersatzversorgung dürfen Versorger die Preise häufiger ändern – zum Ersten und Fünfzehnten des Monats. Sie bleiben maximal drei Monate in der Ersatzversorgung, aus welchen Gründen auch immer Sie aktuell keinen Vertrag haben (Ende der Vertragslaufzeit, Kündigung, Insolvenz des bisherigen Versorgers). Das ist jetzt zu tun:

  • Begeben Sie sich auf die Suche nach einem anderen Energieanbieter, der womöglich deutlich günstigere Preise anbietet, als die, die Sie in der Ersatzversorgung bezahlen.
  • Wenn Sie in der teureren Ersatzversorgung gelandet sind, fragen Sie nach, ob Sie als Berechtigter auch Grundversorgung beziehen können, da die meist günstiger ist.
  • Schließen Sie einen Vertrag mit einem anderen Anbieter ab, haben Sie jederzeit die Möglichkeit, die Ersatzversorgung wieder zu verlassen. Der neue Lieferant teilt dem Ersatzversorger dann das Ende mit.
  • Haben Sie nach drei Monaten keinen neuen Vertrag abgeschlossen, kann der Netzbetreiber Ihre Entnahmestelle sperren. Haushaltskunden werden in die Grundversorgung überführt.