Stiftung Wertebündnis Bayern Dr. Andrea Taubenböck zur Unternehmenskultur: "Chefs müssen wieder Werte ­vorleben!"

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Werte regeln in erster Linie unser gesellschaftliches ­Zusammenleben – schaffen aber auch ein Top-Betriebsklima. Dr. Andrea Taubenböck, Geschäftsführende Vorständin der ­Stiftung Wertebündnis Bayern, erklärt, warum Werte aktuell gefragter sind denn je und nicht mehr nur als „nice to have“ gelten.

Dr. Andrea Taubenböck
Dr. Andrea Taubenböck ist Ministerialrätin und Geschäftsführende Vorständin der Stiftung Werte­bündnis Bayern. - © Tanja Kernweiss
handwerk magazin: Frau Dr. Taubenböck, der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise und die düsteren Prognosen fürs Jahr 2023: Wollen sich viele Menschen aktuell mit Ihnen über Werte unter­halten?

Taubenböck: Definitiv. Der Bedarf nach Orientierung, Haltung oder einem Kompass ist besonders groß, wenn es schwierig wird. Dann kommen Wertefragen erst so richtig zum Tragen. Werte gelten ja oft in weniger krisenhaften Zeiten als alt­backen, als „nice to have“, aber nicht wirklich als wichtig. Und jetzt haben wir erkannt, dass man diesen großen Pro­blemlagen am besten begegnen kann, wenn man einen klaren Kompass hat.

Können Sie dieses Bedürfnis nachvollziehen?

Absolut! Ich habe dieses Bedürfnis ja auch. Offensichtlich sind wir an einem Wendepunkt angelangt, der viel zitierten Zeitenwende. Wir haben erkannt, dass wir nicht mehr so weitermachen können, wie wir es bisher getan haben – und dass sich in vielen Bereichen etwas ändern muss. Insbesondere im Bereich der Energiegewinnung, aber auch beim Klima- und Umweltschutz. Zudem zwingt der Krieg mitten in Europa die Menschen dazu, eine klare Haltung zu haben zu den Werten einer liberalen Demokratie – im Gegensatz zur Autokratie.

Wie erklären Sie in einem Satz, was für Sie persönlich Werte sind?

Für mich sind Werte Grundüberzeugungen, die mein Handeln leiten.

Warum sind Werte für unsere Gesellschaft so wichtig?

Werte sind der Kitt, der eine Gesellschaft zusammenhält. Natürlich gibt es in einer liberalen, pluralistischen Gesellschaft eine Vielzahl an Lebensmodellen, unterschiedlichen Einstellungen und Gepflogenheiten. Und das ist auch gut so. Jeder Mensch hat in der liberalen Demokratie das Recht, so zu leben, wie es ihm oder ihr gefällt, solange die Gesetze eingehalten und die Rechte der anderen nicht tangiert werden. Dennoch braucht eine Gesellschaft ein Mindestmaß an gemeinsamen Grundüberzeugungen, damit sie gut funktionieren kann.

Sie haben 2022 – zusammen mit Brunswick – eine Werte-Studie vorgelegt. Welche drei zentralen Ergebnisse waren dabei für Sie besonders überraschend?

Überrascht und auch erschreckt hat mich, dass das Vertrauen in Staat und Gesellschaft um 25 Prozent und das Vertrauen in unsere Demokratie um 23,2 Prozent seit der letzten Umfrage 2018 zurückgegangen ist. Eine kleine Anmerkung: Die zweite Erhebung wurde Ende 2021 gemacht, während einer coronabedingten negativen Stimmungslage in breiten Teilen der Gesellschaft. Insbesondere junge Menschen, die ja die Ziel­gruppe unserer Umfrage waren, mussten ja doch recht viele Einschränkungen hinnehmen. Ein zweiter wichtiger Befund: Werte werden von ganz vielen als notwendig für eine funktionierende Gesellschaft angesehen, der konkrete Einsatz dafür fällt aber eher gering aus.

Und drittens?

Die Rolle der Social-Media-Plattformen: Mich hat überrascht, dass man je nach Plattform extrem unterscheiden muss. Insgesamt wird die Rolle von Social Media bei der Wertebildung als negativ eingeschätzt. Aber: Youtube und Instagram schneiden deutlich positiver ab als Facebook, TikTok und Snapchat. Und zwar abhängig von der Fairness des Umgangs miteinander auf der Plattform.

Wie stark kann das Arbeitsumfeld die Wertebildung positiv beeinflussen?

Mich hat sehr überrascht, dass in unserer aktuellen Studie das Arbeitsumfeld ganz nahe an den innersten Kreis der wertebildenden Instanzen von Familie und Freunden gerückt ist. Das zeigt uns, dass zum einen Jugendliche den Arbeitgeber offensichtlich stärker anhand echter gelebter Werte aussuchen und zum anderen Unternehmen sich dieses Themas intensiver annehmen. Das merken wir auch im Wertebündnis Bayern: Arbeitgeber bieten ihren Auszubildenden und Mitarbeitern Projekte aus unserem Bündnis an. Sie packen also selbst mit an. Die Nachfrage ist so groß wie nie zuvor: So können wir einen Beitrag zu einem positiven Betriebsklima leisten, aber auch zu einem gesamtgesellschaftlich guten Miteinander.

Und wie sollten Chefinnen und Chefs am besten vorgehen, um bei ihren Teams mit dem Thema Werte durch­zudringen?

Allein schon der Begriff „Werte“ ist abstrakt und sperrig. Und man erwartet dann wahrscheinlich etwas schrecklich Langweiliges. Wir sind davon überzeugt, dass man Werte leben und erleben muss. Deshalb erschaffen wir Handlungs- und Erfahrungsräume, in denen man diese Werte selbst ausprobieren und dann da­rüber nachdenken kann. Wie geht das am besten? Mit Simulationen, Planspielen, erlebnispädagogischen Elementen – also immer durchs Ausprobieren. Auch für den Betrieb kann man konkrete ­Dilemma-Situationen aufzeigen, spielerisch angehen und das eigene Handeln in einer solchen Situation dann reflektieren. Ein Beispiel: Ich habe gerade Stress mit dem Chef und mein Kollege fällt ständig krank aus, dennoch muss ich zum Kunden freundlich sein.

Kann ich das als Betriebsinhaber alleine oder muss ich an die Hand genommen werden?

Natürlich stehen wir immer gerne als Partner zur Verfügung. (lacht) Ganz, ganz wichtig für Chefinnen und Chefs ist: die Werte, die für die Unternehmenskultur wichtig sind, selbst vorzuleben. Dann ist schon ganz viel gewonnen! Wenn man sich dann noch die Zeit nimmt und in einem gemeinsamen Dialog mit den Mit­arbeitern die zentralen Werte der Firmenkultur erst erarbeitet oder die bestehenden weiterentwickelt, dann ist das ein ganz starkes Signal. Gerade bezogen aufs Handwerk: Es schafft einerseits Werte und steht auch für ganz viele ­Werte wie Verlässlichkeit, Kompetenz, Innovationskraft, Nachhaltigkeit, Flexibilität und Kundennähe. Diese Werte nach außen zu leben fällt dann leicht, wenn es auch im Betrieb vorgelebt wird – dazu zähle ich eine wertschätzende Kommunikation mit den Mitarbeitenden, einen respektvollen Umgang und Ehrlichkeit. Auf dieser Vertrauensbasis kann ein gutes ­Betriebsklima gedeihen.

Abschließend noch kurz und knapp: Welcher Wert liegt Ihnen besonders am Herzen?

Für mich steht die Würde des Menschen als Dach über allem. Darunter liegt mir besonders am Herzen das Duo aus Freiheit und Verantwortung.

Vita Dr. Andrea Taubenböck

Wertebündnis Bayern
© Tanja Kernweiss

Dr. Andrea Taubenböck ist Ministerialrätin und Geschäftsführende Vorständin der Stiftung Wertebündnis Bayern. Seit dem Jahr 2015 hat die studierte Anglistin und Romanistin diese Position inne: „Das ist wirklich ein sehr erfüllender Job. Man kommt mit vielen Menschen zusammen, die etwas verbessern wollen.“

Ihre berufliche Laufbahn startete sie als Lehrerin für Englisch und Französisch an einem bayerischen Gymnasium, Stationen am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) und in der Bayerischen Staatskanzlei folgten. Der öffentlich-rechtlichen Stiftung Wertebündnis Bayern haben sich aktuell 207 Organisationen, Vereine, Verbände und Stiftungen angeschlossen. Das Ziel: Kindern und jungen Erwachsenen in Projekten den Wert von Werten nahezubringen.