Wissenschaftlicher Hintergrund Einmaleins der Nachhaltigkeit: So handeln Handwerksbetriebe wirtschaftlich, sozial und ökologisch

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Nachhaltigkeit und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Nachhaltig zu wirtschaften hat viele Dimensionen. Dr. Uta Cupok, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Betriebsführung (itb) im DHI e.V., klärt in ihrem Beitrag auf und zeigt Handlungsmöglichkeiten für Betriebe.

Nachhaltigkeit hat viele Dimensionen. - © Naiyana - stock.adobe.com

Nachhaltigkeit – was bedeutet das?

Den Begriff der Nachhaltigkeit prägte 1713 Hans Carl von Carlowitz – nach dem Grundsatz: Man darf nur so viel ernten, wie in der Natur nachwachsen kann. Nach dem Brundtland-Bericht der UN von 1987 gilt heute: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig lebende.“

Es gibt drei Dimensionen der Nachhaltigkeit:

  • Die ökologische Dimension: Wie können wir die Umwelt schonen?

  • Die wirtschaftliche Dimension: Wie können wir wirtschaftlich erfolgreich sein?

  • Die soziale Dimension: Wie können wir unserer sozialen Verantwortung gerecht werden?

Umwelt-, wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele

Das Nachhaltigkeits-Dreieck ist ein vielfach verwandtes Sinnbild, das die verschiedenen Aspekte der Nachhaltigkeit vereint. Es verdeutlicht die gleichwertige Bedeutung aller drei Dimensionen für eine nachhaltige Entwicklung. Dieses Konzept hat die Bundesregierung bereits in der Nachhaltigkeitsstrategie 2002 bekräftigt und festgelegt, dass „die umwelt-, wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele gleichermaßen berücksichtigt werden“ müssen. Auch im Handwerk sollten daher bei einer nachhaltigen Unternehmensführung alle drei Dimensionen gleichermaßen bedacht werden. Denn in der Praxis wirken sie im Zusammenspiel und beeinflussen einander. 

Mit der im Jahr 2015 verabschiedeten Agenda 2030 hat sich die Weltgemeinschaft unter dem Dach der Vereinten Nationen zu 17 globalen Zielen für eine bessere Zukunft verpflichtet. Leitbild der Agenda 2030 ist es, weltweit ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft zu bewahren. Dies umfasst ökonomische, ökologische und soziale Aspekte. Dabei unterstreicht die Agenda 2030 die gemeinsame Verantwortung aller Akteure: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft – und jedes einzelnen Menschen.

Europa soll erster klimaneutraler Kontinent sein

Das aktuelle Ziel der EU ist, dass Europa als erster Kontinent bis 2050 klimaneutral werden soll. Wichtige Bestandteile dieses Aktionsplans sind

  • die EU-Taxonomie-Verordnung

  • die Überarbeitung der Berichtspflicht über immaterielle Informationen (CSR-Berichtspflicht)

  • das EU-Lieferkettengesetz und

  • die Pläne für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft

Damit wächst der gesellschaftliche und politische Druck auf die Unternehmen, konkrete Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Für das Handwerk warten große Herausforderungen, aber auch Chancen. Immer mehr Betriebe erkennen das und werden aktiv.

Verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung für Handwerksunternehmen besteht bisher nur indirekt: Finanzinstitute und dominante Unternehmen in der Wertschöpfungskette können Nachhaltigkeitsdaten anfordern, um eigene Berichtspflichten zu erfüllen.

Nachhaltigkeit steigert Zufriedenheit bei den Beschäftigten

Es gibt weitere Gründe, warum Handwerksbetriebe nachhaltiger wirtschaften sollten:

  • Sich abheben gegenüber Wettbewerbern

  • Beziehung zu Kunden und Lieferanten festigen

  • Neue Kundengruppen erreichen

  • Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation steigern

  • Attraktivitätssteigerung des Unternehmens für neue Führungs-, Fach- und Nachwuchskräfte

  • Krisenfestigkeit/Resilienz stärken (z. B. durch zukunftsfähige Produkte und Leistungen)

  • Kostenreduzierung (z. B. durch Ressourceneffizienz und Abfallvermeidung)

  • Image und Reputation verbessern

  • Finanzielle Situation verbessern (z. B. durch bessere Ratings bei Banken und Versicherungen)

Wie fangen wir an?

  • Die Betriebsleitung stellt sich hinter das Konzept des nachhaltigen Wirtschaftens

  • Eine Arbeitsgruppe aus verschiedenen Betriebsbereichen erarbeitet eine Strategie und steuert den Entwicklungsprozess

  • Mitarbeitende und weitere Beteiligte werden aktiv einbezogen und setzen nachhaltiges Wirtschaften um

Wie erarbeiten wir die Grundlagen?

  • Wo stehen wir heute?

  • Wo sehen wir uns in einem Jahr und in fünf Jahren?

  • Wie können wir dieses Ziel erreichen?

  • Erste Schritte definieren

Womit starten wir inhaltlich? Die Auswahl einzelner Ziele

Es gibt zwei Möglichkeiten, um sich an konkrete Themen heranzutasten:

Möglichkeit 1: Handwerksbetriebe können sich bei ihrer Arbeit auf die 17 Ziele der Vereinten Nationen beziehen

© Bundesregierung

Diese Ziele können dem Nachhaltigkeits-Dreieck folgendermaßen zugeordnet werden:

  • Soziale Nachhaltigkeit: Ziele 1-7, 16 und 17

  • Ökonomische Nachhaltigkeit: Ziele 8 - 11

  • Ökologische Nachhaltigkeit: Ziele 12-15

Sinnvoll ist es für einen Betrieb, Ziele zu wählen, an denen er sowieso schon arbeitet, die relativ leicht umzusetzen sind oder die ihm besonders wichtig sind. Im Beispiel der Goldschmiede Oronda wurde an den Zielen Nr. 10 „Weniger Ungleichheit“ und Nr. 12: „Nachhaltiger Konsum und Produktion“ gearbeitet. Die Goldschmiede hat insbesondere die Herkunft von Rohstoffen überprüft und sich Lieferanten gesucht, die den Fair-Trade-Anforderungen entsprechen.

Möglichkeit 2: Handwerksbetriebe können sich an Handlungsfeldern orientieren

Bei dem zweiten Weg lassen sich aus dem Nachhaltigkeits-Dreieck neun Handlungsfelder ableiten:

  • Ökonomische Stabilität, Wissensmanagement, Innovationsfähigkeit (Ökonomie)

  • Soziales Zusammenleben, Aus- und Weiterbildung, gesellschaftlicher Mehrwert (Soziales)

  • Ressourcen, Klimaschutz, Regionalität (Ökologie)

Zu den jeweiligen Handlungsfeldern gibt es bereits Checklisten, z.B. von der Handwerkskammer Braunschweig, Lüneburg, Stade, mit denen Betriebe ermitteln können, wo sie die Schwerpunkte für ihre Arbeit setzen wollen.  

Hilfsmittel und Informationsmaterial