Anwendungsszenarien Metaverse: Ist die neue 3D-Welt auch ein Spielfeld fürs Handwerk?

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Die Antwort lautet: Ja. Das Metaversum ist zwar ein Hype, doch wird es kommen: Handwerksbetriebe sollten sich daher schon jetzt auf mögliche Anwendungsszenarien in den neuen dreidimensionalen Räumen vorbereiten. Mögliche Szenarien sind etwa, die Baustelle mit Kunden und Partnern in 3D zu begehen oder Maschinen am virtuellen Zwilling zu reparieren.

In virtuellen Welten unterwegs: Das Metaversum birgt auch viele Möglichkeiten fürs Handwerk. - © supamotion - stock.adobe.com

Dem Kunden die VR-Brille geben, damit er sich im virtuellen Raum durch den Küchenentwurf „bewegen“ kann. Lässt sich der Kleiderschrank besser am Fenster platzieren, oder doch in der Nische, und wie wirkt die Badewanne mitten im Raum, welches Licht passt am besten ins Wohnzimmer?

Ganz klar: Handwerksbetriebe haben mit Virtual-Reality-Anwendungen bereits jede Menge Möglichkeiten, das digitale mit dem echten Leben zu verknüpfen und ihren Kunden Mehrwerte zu bieten. Und jetzt gehen die High-Tech-Visionäre der Welt – allen voran das 117 Milliarden Dollar Umsatz Unternehmen Facebook, das sich eigens dafür in Meta umbenennen ließ – noch einen Schritt weiter: sie erschaffen das Metaverse, auf Deutsch als Metaversum bezeichnet.

Als Hologramm im Besprechungsraum

Doch, um was handelt es sich eigentlich bei der technologischen Entwicklung, die derzeit in aller Munde ist?

Im Grunde genommen ist es der nächste, konsequente Schritt, das Internet in einer Art dreidimensionalen Raum weiterzuentwickeln. Im Metaversum sollen Menschen einmal beinahe das alles tun können, was sie auch in der alltäglichen Welt erleben: Mit Freunden und Familie zusammenkommen, arbeiten, lernen, spielen, einkaufen oder kreativ sein. Arbeitnehmer „portieren“ sich als Hologramm in den Besprechungsraum, um mit den Kollegen im Büro des Unternehmens zu sein und dort zum Beispiel ein Meeting abzuhalten. Der bisherige Arbeitsplatz mit einem Schreibtisch und einem Monitor sei künftig nicht mehr nötig, sagte Facebook-Gründer Marc Zuckerberg bei der Vorstellung seiner Metaverse-Pläne 2021.

Intensive Eindrücke auf der Baustelle

Für Handwerker bedeutet das neue, virtuelle Universum etwa, dass sie sich gemeinsam mit ihren Kunden beispielsweise in einer Baustelle bewegen und dort verschiedene Möglichkeiten durchspielen können. Ähnlich eben wie heute mit der VR-Brille, nur noch deutlich lebensechter und intensiver in den Eindrücken und mit sehr viel mehr Möglichkeiten. Allerdings hören mögliche Anwendungsfälle damit noch nicht auf.

Mit dem Metaverse werden sich, so Experten, Betriebe auch ganz neue Möglichkeiten der Ausbildung und Schulung erschließen können. Etwa, indem Auszubildende mit einem Lehrgangsleiter gemeinsam an einer Maschine im virtuellen Raum interagieren können. Derart entsteht eine nahezu lebensechte Erfahrung, die allen statischen Schulungsmethoden überlegen ist.

Fehlerbehebung am digitalen Zwilling

Oder die gerade heute dringend benötigte Schleifmaschine fällt aus. Der im Betrieb angekommene Servicetechniker rätselt jedoch ob der Fehlerursache. Er kann dann den Kundendiensttechniker der Zentrale im Metaverse kontaktieren. Da der digitale Zwilling der Maschine dort vorhanden ist, können beide Schritt für Schritt versuchen das Problem zu lösen.

Allerdings: Noch stecken sowohl Technologien als auch Anwendungsfälle für das Metaverse in den Kinderschuhen. Bereits sicher scheint aber, dass die bereits vorhandenen, mitunter sehr sperrigen VR-Brillen von heute darin keine Rolle mehr spielen werden. Es ist also noch Zeit, sich ausreichend auf das Metaverse vorzubereiten. Dass es aber Zukunft hat und sicher eine entscheidende Rolle spielen wird, das steht völlig außer Frage.

Interview mit Prof. Dr. Klemens Skibicki: „Zusammenwachsen verschiedener Wahrnehmungswelten“

Herr Prof. Skibicki, kein Begriff wie das Metaverse hält die digitale Welt – und darüber hinaus – derzeit gleichermaßen in Atem. Metaverse ist ganz klar ein Megahype. Erstens: Ist dieser Hype berechtigt und, zweitens, sollten auch Handwerksbetriebe diesem folgen und jetzt einsteigen?

Klemens Skibicki: Metaverse ist als Begriff zwar in aller Munde, er ist jedoch noch nicht einheitlich definiert. Wir stehen hier noch am Anfang einer spannenden Entwicklung. Letztendlich geht es dabei um das Zusammenwachsen verschiedener Wahrnehmungswelten, so dass unsere physische Welt durch digitale Elemente erweitert oder ganz virtuell wird. Das Einblenden von Fahrzeugdaten oder der Wegbeschreibung in die Windschutzscheibe des Autos oder von Montageanleitungen in eine VR-Brille sind schon genauso Erweiterungen der Realität wie die Darstellung ganzer Hologramme. Wenn man eine Virtual-Reality-Brille aufzieht, kann man sich auch ganz in eine digital dargestellte Welt begeben. Viele der neuen Möglichkeiten dort sind für die Zukunft im wahrsten Sinne fantastisch – jedoch sind noch wenige schon so ausgereift oder verbreitet, dass man als kleine Unternehmung unbedingt dort einsteigen muss.

Okay, die gute Botschaft ist, dass sich Handwerker also noch Zeit lassen können. Was wären denn aus Ihrer Sicht die grundsätzlichen Positiveffekte eines Einstiegs dort?

Positiv daran wäre, dass man auf der Höhe der Zeit ist und herausfinden kann, was auch schon kurzfristig sinnvoll ist. Und man verpasst den Einstieg nicht, wenn neue Möglichkeiten alltagsrelevant werden. Für die gesamte Baubranche sind beispielsweise die digitale Abbildung von bestehenden oder geplanten Gebäuden, Geländen und Anlagen als „digitaler Zwilling“ sehr vielversprechend für deren Planung, Simulationen von Prozessen oder Schulungsanwendungen.

In der digitalen Welt könnten damit sehr ganzheitlich und kostengünstig bisherige physische und lokalgebundene Prozesse und Rollen optimiert werden. Die digitalen Zwillinge von Menschen können hingegen die Kommunikation, Interaktion und Erfahrung mit der anderen Marktseite – ob es Kunden, Partner oder Mitarbeiter sind – erheblich erleichtern und optimieren. Nähe zu Menschen könnte damit über physische Treffen, Telefonate und Videocalls um neue Wahrnehmungsdimensionen erweitert werden. Dabei geht es weniger um das volle Ersetzen, sondern eben Erweitern. Ein Telefonat konnte auch nicht ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht vollkommen ersetzen, dies ist aber eben auch nicht immer nötig und kann somit sehr sinnvoll eingesetzt werden. Ähnlich verhält es sich mit den Möglichkeiten im Metaverse.

Okay, gibt es denn etwas, was Handwerksbetriebe jetzt konkret tun sollten?

Wir sind noch früh in dem gerade angelaufenen Megatrend Metaverse, so dass vieles noch Wunsch statt Realität ist. Wer total fasziniert davon ist, kann gerne schon probieren und selbst früh herausfinden, was für den Betrieb sinnvoll ist und was nicht. Alle anderen sollten gut beobachten und den Einstieg im Hinterkopf haben, um nicht außen vor zu sein, wenn sich Metverse-Anwendungen als marktreif erweisen. Gerade für jüngere Generationen, für die Zeit in digitalen Welten zu verbringen weitaus normaler ist als für Ältere, werden hier oft ein besseres Gespür haben, was außerhalb der eigenen Unternehmen schon normal ist. Wenn es dann für potenzielle oder aktuelle Mitarbeitende oder Geschäftspartner so weit ist, muss man sich auch als Unternehmen sicher dort bewegen können.

Zur Person:

Prof. Dr. Klemens Skibicki arbeitet als Berater und Keynote-Speaker, um branchenübergreifend Unternehmen durch den digitalen Strukturwandel zu begleiten. Zudem war er von 2013 bis 2018 Kernmitglied im Beirat junge digitale Wirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium und von 2004 bis 2019 Professor für Marketing und Marktforschung an der Cologne Business School.

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