Auftragsabwicklung, Baurecht und Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe
Für Kolumnist Andreas Scheibe ist es unbegreiflich, wie dreist Auftraggeber oftmals gegenüber dem Handwerk auftreten. Insbesondere im öffentlichen Bereich würden sowohl Bürgermeister als auch Landräte sowie andere Amtsträger regelmäßig versuchen, ein Hintertürchen zu finden, das sie eigentlich nicht durchschreiten sollten. In der 21. Folge von „Professioneller Bauablauf“ berichtet Scheibe über gleich zwei solcher Fälle.

VOB-Verträge definieren ganz klare Rechte für Auftraggeber und Auftragnehmer (Handwerker), aber eben auch Pflichten. Auf Handwerkerseite gibt es da beispielsweise die technische Prüfpflicht. Und auf Bauherrenseite braucht es eine mangelfreie, vollständige Ausführungsplanung (AFU). Beides fordert die VOB. Bei einem aktuellen Fall in NRW hat es mit der AFU nicht ganz so geklappt wie gedacht. Der Handwerker musste äußerst lang warten. Als die AFU dann endlich da war, fanden sich darin zahlreiche Fehler und Ungereimtheiten. Was folgte, war eine Behinderungsanzeige für den Bauherren – mit der Bitte um Korrektur der Pläne. Das Ganze ging dann eine Weile so hin und her, doch die Qualität der Unterlagen wurde nicht besser. Stattdessen drohte sich das Projekt massiv zu verschieben.
Betrug am Handwerker und Steuerzahler
Eines Tages kam dann plötzlich die Meldung aus dem Rathaus: Der Handwerker sei zu „anstrengend“, man würde sich lieber mit dem Zweitbieter in Verbindung setzen und diesen beauftragen. Und zwar auch, wenn dieser 70.000 Euro teurer wäre. Wahnsinn, nicht wahr? Also halten wir fest: Ein Bauherr verschwendet lieber 70.000 Euro Steuergeld, bevor er beginnt sich mit den Pflichten der VOB auseinanderzusetzen. Obwohl der Handwerker lediglich vernünftige Unterlagen verlangt, damit das Projekt schlussendlich auch gelingen kann (wir sprechen hier ja auch von erheblichen Haftungsrisiken). Stattdessen sucht sich der Bauherr lieber einen „Dummen“, mit dem er es dann machen kann, nämlich seine eigenen Pflichten verletzen auf Kosten des Handwerkers. Meiner Meinung nach ist das die pure Schweinerei. Nicht nur dem Handwerker, sondern auch dem Steuerzahler gegenüber.
Unkonventionelle Vergabeprozesse
In einem anderen Fall geht es um die Ausgleichsberechnung eines Projektes in Sachsen-Anhalt. Nach Fertigstellung reichte der Handwerker seine Ausgleichsberechnung ein. Darin rechnete er Mehr- und Mindermengen gegen. Eine Ausgleichsberechnung ist natürlich immer recht hoch, wenn sich bei der Planung in den Maßen verschätzt wurde. Diese Rechnung fand der Bauherr wiederum gar nicht lustig und meinte daraufhin: „Hey lieber Handwerker, wie wäre es, wenn wir das mit der Ausgleichsberechnung lassen und ich schustere dir im Gegenzug einen lukrativen Folgeauftrag als Kompensation zu?“ Korrekt klingt dieses Vorgehen keinesfalls und lässt auch nur erahnen, wie Vergabeprozesse sonst so ablaufen. Was habe ich meinem Klienten also geraten, als er mich fragte, was er jetzt am besten tun solle?
Von aufgelaufenen Fehlbeträgen und zweifelhaften Folgeaufträgen
Ich riet ihm, der Sache nicht zu trauen. Denn das Geld aus der Ausgleichsberechnung würde er jetzt bekommen, einen Folgeauftrag erst wesentlich später, möglicherweise erst im nächsten Jahr. Doch der Fehlbetrag ist jetzt aufgelaufen und wer sagt ihm, dass es bei dem Projekt in spe nicht genauso abläuft. Der Betrag der Ausgleichsberechnung kann ja dann nicht einfach als Gewinn auf die Rechnung draufgeschlagen werden. Es müsste das Doppelte an Umlagen erwirtschaftet werden. Also all das, was der Handwerker aus der Ausgleichsberechnung verloren hat, zusätzlich zu dem, was er jetzt mit dem neuen Auftrag erwirtschaften muss. Vermutlich denkt der Bauherr, er würde dem Handwerker mit einem Folgeauftrag etwas Gutes tun, aber er verkennt die zeitliche Komponente dahinter. Zudem kann solch eine Zusage auch nur „leeres Geschwätz“ sein. Alles in Allem also eine sehr vage Geschichte. Daher lautet mein Rat: Finger weg von solchen halbgaren Mogeleien.
Erst das Projekt, dann die Probleme
Jeden Tag sehe und höre ich derartige Geschichten aus der Baubranche. Es wird verbogen und betrogen, Hauptsache das Projekt ist schnell durch. Und am Ende kommen dann die wirklichen Probleme ans Licht: Massive Baufehler und natürlich die Frage nach der Haftung. Die VOB zu beherrschen, gleichzeitig aber auch das richtige Mindset aufzubringen, sich mit Bauherren und Planern auf einer Ebene zu bewegen, das sind alles Fähigkeiten, die definitiv alternativlos sind. Sie können allerdings erlernt werden. Weitere Infos dazu unter continu-ing.com.
Über Autor Andreas Scheibe:

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!
Mit der Continu-ING GmbH (lücken-im-lv.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.
„Stark im Handwerk – das Buch für Handwerker„ Im August 2021 ist das erste Buch „Stark im Handwerk“ von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die VOB voller Potenzial, aber auch Geld steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, „doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen“, erklärt Scheibe. „Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht!“ In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte eines Handwerkers als auch auf dessen Pflichten zu sprechen. Denn genau diese stehen so im Detail in der VOB. Diese ist jedoch kompliziert und daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Forderungen sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen und zu alter Stärke zurückfinden. stark-im-handwerk.de Neues Buch: „Starke Obermonteure – Retter der Baustelle“ Wollen Sie Ihre Obermonteure zu Mega-Monteuren ausbilden? Verzeihen Sie den Wortwitz, aber genau darum geht es: Obermonteure sollen die VOB/C aufsaugen und wie die Mitternachtsformel auch noch mitten in der Nacht rezitieren können. So schaffen Sie mehr Sicherheit als auch höhere Profitabilität auf Ihren Baustellen. Bestellen Sie dazu die Neuerscheinung „Starke Obermonteure – Wie deine Obermonteure zum Retter deiner Baustelle werden“. starke-obermonteure.de |