Versicherungskooperation Versicherung und Handwerksbetrieb: Vor- und Nachteile einer Service-Partnerschaft

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Geschäftsideen und Kooperationen

Handwerker, die mit Versicherungen kooperieren, haben Vorteile: Sie bekommen Kunden vermittelt und die ­Zahlungsabwicklung läuft problemlos. Den Vorteilen stehen Nachteile gegenüber – worauf Handwerker achten sollten. Mit großer Übersichtstabelle, welche Versicherungen suchen.

Horst-Schnieder
Horst Schnieder, ehermaliger Inhaber und nun Geschäftsführer der BTS Schadensanierung GmbH & Co. KG aus Niestetal in Nordhessen. - © Jens Nieth

Der schnelle Zugriff auf Handwerkerleistungen ist für die meisten Versicherer ein zentraler Strategiebaustein ihres Schadenmanagements. Da der Wettbewerb unter den Assekuranzen heftiger wird, gehen jetzt die ersten Versicherer dazu über, Handwerksfirmen zu kaufen.

Ob Kooperation oder Kauf: Handwerker sind bei Versicherern so begehrt wie nie. Das hat auch Horst Schnieder erfahren. Der heutige Geschäftsführer und frühere Inhaber der BTS Schadensanierung GmbH & Co. KG aus Niestetal in Nordhessen hatte seit Jahren mit Versicherern kooperiert und dann sein Unternehmen an die SV-Sparkassenversicherung verkauft. „Seit Gründung meiner Firma BTS im Jahr 2000 haben sich die Geschäftsverbindungen zur Versicherung Jahr für Jahr entwickelt. Als seitens des Versicherers im Jahr 2018 die Anfrage nach einem Kauf kam, habe ich schnell zugestimmt. Meine Entscheidungshilfen waren eine solide Zusammenarbeit über viele Jahre und Planungssicherheit für unsere Mitarbeiter. Der Verkauf an die SV wurde von allen Mitarbeitern positiv bewertet“, erzählt Schnieder.

Versicherer wollen Kooperieren

Sicher ist, dass die Schadensteuerung der Versicherer weiter boomen wird. Denn nach Autounfällen oder Gebäudeschäden möchten die Kfz-Besitzer, Mieter oder Hauseigentümer vor allem eines: schnelle Hilfe. „Der Leidensdruck der Betroffenen ist hoch, wenn das Haus unter Wasser steht“, weiß Andreas Slizyk, Rechtsanwalt und Repräsentant der Maier Brand & Wasser Schadenmanagement GmbH aus Inning. Es ist ein besonders guter Service für die Kunden, wenn sie in so einer Situation Unterstützung von ihrer Versicherung bekommen, indem diese einen Experten vermittelt, der zeitnah kommt. Für die Assekuranzen sind die Kooperationen ein gutes Kundenbindungsinstrument. Zudem haben sie die Kosten unter Kontrolle, weil sie als Großabnehmer des Handwerks günstigere Konditionen bekommen.

Kooperationen – vieles ist möglich

Handwerker können mit den Schaden- und Kfz-Versicherern in sehr unterschiedlicher Weise zusammenarbeiten. Klassisch ist eine offene Kooperation. Hier steht der Handwerker lediglich auf einer Empfehlungsliste und wird vom Versicherer vorgeschlagen.

Bei einem echten Kooperationsvertrag wird direkt mit der Versicherung, mit einem Subunternehmen oder einem selbstständigen Schadenabwickler ein Rahmenvertrag geschlossen. Kern der Vereinbarung ist oftmals ein bestimmtes Volumen an Aufträgen, das für einen festgelegten Zeitraum über die Assekuranz oder den Kooperationspartner dem Handwerksunternehmer zugeht. Im Gegenzug muss der Handwerker einen Großkundenrabatt gewähren oder den Stundenverrechnungssatz senken.

Die Vereinbarungen unterscheiden sich je nach Versicherer und Partner erheblich. Geregelt werden dabei auch die Qualitätsanforderungen und die Schnelligkeit des Einsatzes. Vielfach werden vor allem Bauunternehmer als verlängerter Arm des Versicherers eingesetzt. Ist kein Gutachter eingebunden, analysieren und dokumentieren die Handwerker den Schaden. So wird gleichzeitig geklärt, ob es sich überhaupt um einen Schaden handelt, den die jeweilige Police abdeckt.

Auch eine hohe digitale Kompetenz muss jeder Betrieb mitbringen, der sich bei einem Handwerker-Netzwerk bewirbt. Der Allianz Handwerker Service (AHS) arbeitet beispielsweise mit der Plattform Handwerker Reparatur Dienst (HRD). Das webbasierte Tool ermöglicht es, bundesweit Versicherungsschäden, Baumaßnahmen und Reparaturen an Immobilien transparent, organisiert und effizient durchzuführen. Highlights sind zwei Apps zur Schadenabwicklung und Organisation der benötigten Handwerkerleistungen. Mit der Tablet-App ClaimsFix können AHS-Projektleiter vor Ort Schäden aufnehmen, die Kosten kalkulieren und die Arbeiten protokollieren – alles in einem System. Die Handwerker bekommen ihre Aufträge direkt auf das Smartphone übertragen. Ähnlich arbeitet die HUK-Coburg. Hier läuft die digitale Kommunikation über virtuelle Akten der Firma eConsult.

Der Sonderweg – Verkauf

Kommt es bei Wohngebäuden zu Massenschäden, etwa wie bei den jüngsten Überschwemmungen, explodieren die Preise für Handwerkerleistungen. Das ist teuer für die Versicherer – weshalb sie nun zunehmend Handwerksbetriebe wie den von Horst Schnieder, aufkaufen. Diese Entwicklung ist ein regelrechter Quantensprung bei der Schadensteuerung der Versicherer. Bisher haben sie vor allem über Tochterunternehmen die Koordination der Handwerker übernommen, aber keine eigenen Betriebe besessen. Das könnte nun anders werden. Denn auch die HDI-Versicherung aus Hannover kündigte an, dass sie Käufe nicht ausschließt. „Zusätzlich zu seinen Dienstleistern möchte sich der HDI zukünftig noch breiter aufstellen. So soll das Netzwerk um regionale Sanierer ergänzt werden“, bestätigt Liane Hauburg, Pressesprecherin des übergeordneten Talanx-Konzerns. „Wir als Versicherer profitieren natürlich auch, wenn wir bei knapper werdenden Kapazitäten und steigenden Preisen Kontrolle über Qualität und Kosten behalten“, erläutert Andreas Breitling, Geschäftsführer der PGI Sanierungs GmbH der Sparkassenversicherung.

Da ihr gekaufter Handwerksbetrieb BTS nur in Nordhessen tätig ist, plant die SV nun den Kauf von weiteren Sanierungsunternehmen. Das Kalkül: die Peise moderat und die Qualität hoch halten. In Kooperationsvereinbarungen hätte man im Dienstleisternetzwerk zwar schon Standards gesetzt. „Im eigenen Unternehmen können wir da aber noch genauer draufschauen – insbesondere, was die Qualität angeht“, so Breitling. Für die Kunden habe das den großen Vorteil, dass alles aus einer Hand durch den Versicherer abgewickelt wird. „Für die Versicherten verbessern sich die Garantie und Beschwerdemöglichkeiten.“ Denn sie haben nur einen Ansprechpartner, ihren Versicherer. Tipp: Unternehmer sollten Kaufangebote durch eine Versicherung genau prüfen. Möglicherweise kann mit dem Versicherer eine Vereinbarung getroffen werden, die das Unternehmen im Kern unangetastet lässt und dem Handwerksmeister eine längerfristige Beschäftigung als Geschäftsführer ermöglicht. Damit könnten Handwerker ihr Unternehmerrisiko deutlich minimieren und die Arbeitsplätze ihrer Belegschaft sichern – wichtig vor allem für Unternehmer ohne Nachfolger.

Welche Assekuranz ansprechen?

Ein erster und wichtiger Kontakt sollte für jeden Handwerker „sein“ öffentlicher Versicherer sein. Diese regionalen Anbieter sind wie die Handwerksunternehmer in ihrer Region gut vernetzt und tief verwurzelt. Sie hatten im Jahr 2020 einen Marktanteil von fast 30 Prozent.
Als Partner können sich alle Ausbau- und Sanierungsgewerke sowie Kfz-Reparatur-Werkstätten bei Assekuranzen, Subunternehmen oder freien Schadenabwicklern bewerben – meist online per Bewerbungsformular oder E-Mail. Tipp: Nehmen Sie mit möglichst vielen potenziellen Partnern direkten Kontakt auf, um die Anforderungen der jeweiligen Assekuranz genau zu verstehen und vergleichen zu können.

Die Vorteile der Partnerschaft

Für den Handwerksunternehmer liegen die Vorteile in einer bestimmten Basisauslastung und einer höheren Kundenfrequenz. Und: Wer einen Leitungswasser-, Einbruchs- oder Unfallschaden schnell und einwandfrei behebt, empfiehlt sich beim Geschädigten auch für Umbauarbeiten oder Reparaturen, die nichts mit einem Versicherungsschaden zu tun haben.

Ein weiterer Vorteil ist die Abrechnung der Leistungen über die Versicherung. Damit senkt der Handwerksbetrieb sein Ausfallrisiko, denn Assekuranzen sind bekanntlich potente Zahler.

In der Corona-Krise hat sich ein weiterer Vorteil der Kooperationen gezeigt – insbesondere bei Kfz-Werkstätten. Laut Statistischem Bundesamt mussten beispielsweise im Juli 2021 insgesamt 24 Kfz-Werkstätten Insolvenz anmelden – es wurde weniger Auto gefahren und es kam zu weniger Schäden. Im Vorjahreszeitraum waren es lediglich zehn Werkstätten. Anders die Partnerbetriebe von Netzwerken. Sie sind eindeutig besser durch die Krise gekommen. So betont das zweitgrößte Netzwerk, die Innovation-Group, dass es 2020 und 2021 bisher keine einzige Insolvenz eines Partnerbetriebes gegeben habe. Schon im März 2020 hatte die HUK-Coburg ihren Partnerwerkstätten Hilfe angekündigt, damit die Liquidität erhalten bleibt, bis staatliche Hilfen bei den Betrieben ankommen. Damals zahlte der Versicherer auf Basis eines plausiblen Kostenvoranschlags einen Vorschuss in Höhe von 50 Prozent der Reparaturkosten aus. Zudem hat er bei verzögerter Reparatur etwa wegen Lieferproblemen, die Kosten für einen Ersatzwagen übernommen.

Die Nachteile der Partnerschaft

Zu den Nachteilen einer Kooperation gehört die Verpflichtung des Betriebs, im Ernstfall Arbeiten in kürzester Zeit zu erledigen. „Mit dem Allianz Handwerker Service haben wir vereinbart, dass auf einen Auftrag innerhalb von 48 Stunden reagiert wird“, erzählt beispielsweise Dipl.-Ing. Heiko Ludwig, Geschäftsführer der MLT König Bau- und Immobiliengesellschaft. „Das schaffen wir nur, wenn die Prozesse optimal aufeinander abgestimmt sind und eine Reserve an Mitarbeitern zur Verfügung steht.“ Noch härter sind die Auflagen bei der Versicherungskammer Bayern. Nach einer Schadenberatung durch eigene Mitarbeiter bietet sie ihren Versicherten an, dass ein Kontakt mit einem kooperierenden Handwerker innerhalb von zwei Stunden hergestellt werden kann.

Und es gibt einen weiteren Nachteil: Der Handwerker muss die Philosophie der Assekuranzen adaptieren und sich im Schadenfall als „Kümmerer“ verstehen. „Ein Einsatz ist daher durchaus auch nach Feierabend oder am Wochenende notwendig“, weiß Horst Schnieder.
Und auch der fixierte Stundenverrechnungssatz stößt Unternehmern sauer auf. Hinter vorgehaltener Hand klagen sie über harte Bandagen bei der Verhandlung des Stundenverrechnungssatzes. Oft sei es schwierig, die einmal vereinbarten Konditionen aktuellen Lohn- und Preisentwicklungen anzupassen. Zudem kann es zu Einflussnahmen hinsichtlich der Art und Weise sowie des Umfangs der Schadenbeseitigung kommen. „Da gibt es schon mal Interessenkollisionen“, behauptet Lothar Droste, der mit dem SchadenDienst24 GmbH ein unabhängiges Schadennetzwerk aufgebaut hat und dafür auch Handwerkspartner sucht.

Schwierig, insbesondere für kleinere Betriebe, sind die Investitionen, die Netzwerkpartner immer wieder tätigen müssen. Gerhard Strakeljahn, Geschäftsführer der Brillant GmbH aus Köln: „Auch freie Werkstätten wie wir, müssen alle Fahrzeugmodelle reparieren können. Wir müssen in immer kürzeren Zeitabständen neu investieren, damit die neue Generation von Autos instand gesetzt werden kann.“ Nun kommen auch noch komplexe Elektrofahrzeuge hinzu, was Extrainvestitionen erfordere. Werkstätten, die ins Geschäft mit den Versicherern einsteigen, müssen damit rechnen, hinsichtlich der Qualität ihrer Arbeit kontrolliert zu werden. So macht Assekuranz Stichproben vor Ort. Die Experten der HUK-Coburg besuchen die Werkstätten zum Beispiel unangemeldet.

Praxisfall Sachschäden

Bei der Allianz läuft die Kooperation im Bereich Sachschäden beispielsweise so ab: Der Versicherer analysiert die Schadenlage und erteilt auf Wunsch des Kunden einen Auftrag an die Allianz Handwerker Services GmbH (AHS). Sie nimmt Kontakt zum Geschädigten auf, klärt den Leistungsumfang ab und beauftragt die geeigneten Partnerbetriebe mit der Schadenregulierung. Bei größeren Schäden übernimmt ein Projektleiter der AHS die Koordinierung der Arbeiten vor Ort. Im Anschluss rechnen AHS und der Handwerker die Kosten miteinander ab. Der Kunde ist nicht mehr involviert.

Praxisfall Kfz-Schäden

In der Kfz-Versicherung wird das Fahrzeug der Kunden, die einen Vertrag mit Werkstattbindung haben, meist kostenfrei vom Schadenort in die ausgewählte Werkstatt und nach der Reparatur zum Wohnsitz des Kunden in Deutschland transportiert. Das ist bei allen Kfz-Versicherern üblich. Darüber hinaus erhalten die Kunden eine Garantie für die geleistete Arbeit – beim HDI beispielsweise über einen Zeitraum von sieben Jahren. Zudem sorgt beispielsweise die Nürnberger dafür, dass der Kunde während der Reparatur mobil bleibt. Kunden mit Werkstattbindung werden darauf hingewiesen, dass bei der Wahl eines anderen Reparaturbetriebes eine erhöhte Selbstbeteiligung oder gar eine Beteiligung am Schaden von bis zu 20 Prozent möglich ist. Gleichzeitig versuchen die Versicherer, den Rundum-Service auch geschädigten Fremdkunden im Kfz-Haftpflichtschadenfall schmackhaft zu machen. Damit erhöht sich die Zahl der eingesteuerten Fahrzeuge.

Werkstattbindung ist gefragt

Das Modell „Werkstattbindung“ ist erfolgreich. Beim größten Kfz-Versicherer, der HUK-Coburg, gab es Mitte 2021 rund 4,9 Millionen „Select“-Verträge. Das entspricht rund 38 Prozent des Bestandes. Im Bereich Neukunden entscheiden sich, so der Versicherer, bereits über die Hälfte für den Tarif mit Werkstattbindung. Zudem haben HUK-Coburg, LVM und HDI jetzt die „Prisma Plattform GmbH“ gegründet. Das gemeinsame Dienstleistersystem soll ab 2022 für 18 Millionen Kfz-Kunden verfügbar sein und will umfassenden Service rund ums Auto bieten. Es geht um Kauf, Wartung, Inspektion, Finanzierung, Fahrzeug-Zulassung oder Räderwechsel.

Die Steuerung der Versicherer von Autos in kooperierende Werkstätten dürfte weiterhin boomen und den Markt für all diejenigen verengen, die nicht mitmachen.

Starke Position für Sanierer

Ganz anders sieht die Situation für das Sanierungshandwerk aus. Das Bauhandwerk wird von den Versicherern regelrecht umworben. Statt Kooperationen dürften immer mehr Assekuranzen zum Kauf von Handwerksunternehmen übergehen. „Die SV-Sparkassenversicherung führt aktuell Gespräche mit mehreren potenziellen Dienstleistern. Dies ist ein laufender Prozess“, bestätigt Breitling. Handwerker haben derzeit beim Verkauf also besonders gute Karten.

Das gilt zwar aktuell auch für Kooperationen. Doch hier könnte langfristig wieder eine Änderung eintreten. So ist die Auftragsvergabe im Sachschadenbereich stark von der Entwicklung der Elementarschäden abhängig. Trotz Klimakrise könnte es auch künftig schadenarme Jahre geben. Auf der anderen Seite dürfte die Quote der Haus- und Wohnungsbesitzer mit vollem Elementarschutz künftig stark steigen, was die Auftragslage positiv beeinflussen könnte.

Außerhalb von Versicherungsschäden dürften zudem mittelfristig viele Immobilienbesitzer aufgrund finanzieller Spätfolgen der Coronakrise Renovierungen und Umbauten auf die lange Bank schieben. Auch das spricht für eine Kooperation mit Assekuranzen, sichern sie doch die Auftragslage im Betrieb. Doch die Konditionen sollten sehr genau unter die Lupe genommen werden.