Digitalisierung, ERP – Enterprise Ressource Planning, IT-Trends, Mobiler Kunde, Zeiterfassung und Zukunftsperspektiven im Handwerk
Online-Kalender, Video-Konferenzen oder Zeiterfassung: Selbst über simple, häufig kostenlose digitale Tools gelingt es Handwerkschefs neuen Schwung und Spaß in den Arbeitstalltag zu bringen. Viele haben nun Lust auf mehr – und planen bereits weitere Anschaffungen.
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Die besten ERP-Lösungen für Handwerksbetriebe(PDF, 104,70 kB)
Über die Website spricht keiner mehr, eine zu haben ist selbstverständlich. Angesagt ist es bei Handwerkschefs derzeit, sich den Büroalltag mit Tools und Apps zu vereinfachen, so wie das heute laut einer Studie der Bitkom und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) schon 58 Prozent aller Betriebe machen. Darunter ist etwa Eva Maria Trummer-Held. Mit ihrem Online-Kalender, eine Gratis-Software aus dem Internet, koordiniert sie Kundentermine automatisiert. Das hat ihr während des Corona- Lockdowns, als Kunden mit Brillen medizinisch notversorgt werden mussten, geholfen.
Viele der Tools sind simpel und spielerisch , doch sind es nach der Website die wichtigen Schritte, um den eigenen Betrieb zu digitalisieren. Das Potenzial der Tools entdecken immer mehr Handwerkschefs. Vier von fünf Betriebsinhabern sagen der Studie zufolge, dass sie an digitalen Technologien sehr interessiert seien. In unserer Umfrage zeigen wir, mit welchen Anschaffungen sich Inhaber ihren Alltag organisieren.
Gernot Gebauer, Geschäftsführer Reha Team Nordbayern Gesundheitstechnik GmbH, Bayreuth
Nach Anbruch der Corona-Pandemie haben wir erstmals Video-Konferenzen über Tools wie Zoom und Jitsi ausprobiert. Darüber konnten wir selbst Mitarbeiter-Schulungen durchführen, zum Beispiel wie sich ein neuer postoperativer Kompressionsstrumpf einer unserer Hersteller anwenden lässt. Vorab haben wir den Strumpf in alle Filialen verschickt, denn bei solchen Produkten ist es wichtig, dass sie von unseren Mitarbeitern in die Hand genommen und ausprobiert werden, damit sie unsere Kunden – darunter sind Ärzte und Pflegepersonal sowie Mitarbeiter von Krankenkassen und Altenheimen, aber natürlich auch der Endkunde – optimal beraten können. Auch monatliche Besprechungen haben wir via Videokonferenz durchgeführt und werden dies auch in Zukunft beibehalten .
Um unsere Prozesse besser zu koordinieren, ist die Anschaffung einer neuen ERP-Software beschlossen worden. Die neue Software verfügt über ein integriertes Customer-Relation-Management-Tool. Darüber kommunizieren wir dann mit unseren Kunden. Statt den einzelnen wie früher anzurufen, wenn eine Anfertigung, zum Beispiel bei Schuheinlagen, abholbereit ist, sendet das Tool automatisiert eine Nachricht, die er jederzeit per E-Mail oder SMS abrufen kann. Somit verhindern wir ein oftmals langwieriges Aneinander-vorbei-Telefonieren. Wenn es sich um eine Reparatur handelt, zum Beispiel um die eines Rollstuhls, ermuntern wir den Kunden, uns Fotos per E-Mail zuzusenden. So sparen wir uns eine Anfahrt zur Bestandsaufnahme und sind in der Lage, dem Kunden viel schneller zu helfen, indem wir das Problem schon vor Abholung des defekten Geräts erfassen. Das ist für uns eine enorme zeitliche Verbesserung, die übrigens auch datenschutzkonform ist, da uns der Kunde die Aufnahmen ja freiwillig schickt. Diese Arbeitserleichterungen sind allesamt nur über ein exaktes Management von Daten möglich – daher werden wir in Zukunft weitere Investitionen in Datenmanagementsysteme tätigen, mit denen wir auch unsere ERP-Software anreichern möchten.
Eva Maria Trummer-Held, Geschäftsführerin Premium Optik GmbH, Erlangen
Vor zwei Jahren habe ich mir den Online-Kalender von Booking Times zugelegt und mit unserer Website verzahnt. Mein Optiker-Betrieb zählt fünf Mitarbeiter, da brauche ich keinen kostenpflichtigen Premiumzugang – die Freeware reicht mir völlig aus. Ich nutze sie hauptsächlich dazu, um meinen Personaleinsatz auf die Kundentermine abzustimmen. Als dann im vergangenen März der Lockdown kam, hat uns das Tool extrem unterstützt: Weil Sehhilfen zum Bereich der medizinischen Notfallprodukte zählen, hatten wir eingeschränkte Öffnungszeiten. Über den Kalender konnten wir die Terminwünsche unserer Kunden mit den Arbeitszeiten der Mitarbeiter punktuell koordinieren und gleichzeitig darauf achten, dass sich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehrere Kunden gleichzeitig im Geschäft aufhielten. Zudem habe ich mit P&P Easy ein Warenwirtschaftssystem, das speziell auf die Bedürfnisse von Augenoptikern abgestimmt ist. Darüber verschicke ich zum Beispiel Aufträge, bestelle Fassungen und koordiniere Termine mit Vertretern. Auch die Mehrwertsteuer-Umstellung von 19 auf 16 Prozent hat über die Software mühelos geklappt und dafür gesorgt, dass meine Kasse stimmt. Händisch hätte ich mich schwer getan, mehr als 2.000 Fassungen neu zu berechnen.
Derzeit erwäge ich die Anschaffung einer App namens Mateo eines Augenoptikers, die mir unser Sortiment samt Preisliste aufs Tablet spielt. Das Besondere daran: Ich kann dem Kunden Gläser mit unterschiedlichen Fassungen und Funktionen zeigen und ihn damit mit visueller Unterstützung umfassend informieren, welche etlichen Möglichkeiten es für ihn gibt. Die Kopfrechenarbeit nebenher nimmt mir ebenfalls die App ab: Für jede Variante wird der Preis gleich mit angezeigt – so kann uns kein Berechnungsfehler mehr passieren.
Pano Gounaris, Inhaber Pano Gounaris Hairdesign, München
Seit ich meinen Laden vor sechs Jahren eröffnet habe, verwende ich einen Online-Kalender von #mitdenkt . Meine Gäste können über meine Website darüber Termine buchen, was mir in meinem Betrieb die Hände frei hält und mir erspart, ständig zwischen Gast und Telefon hin- und herrennen zu müssen. Der Gast wiederum hat den Vorteil, dass er auch nach Ladenschluss buchen kann und an den vereinbarten Termin kurz zuvor nochmals per E-Mail oder SMS erinnert wird.
Eine Kassensoftware von JoyCash erledigt meine Buchhaltung und rechnet alle Einnahmen und Ausgaben ab. Daraus ergibt sich eine Transparenz, die mir bei der Beantragung der Corona-Soforthilfe für KMU sehr geholfen hat. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Friseurbetrieben, die ihre Buchhaltung und Steuer händisch erstellen, ist meine aktuelle Geschäftstätigkeit immer auf dem neuesten Stand und jederzeit einsehbar. Weil meine Kunden bei mir mit allen gängigen Bankkarten sowie Apple Pay und Google Pay sowie Paypal auch bargeldlos bezahlen können, habe ich so gut wie keine Bargeld-Eingänge. Damit sehe ich mich unternehmerisch gut aufgestellt und beabsichtige daher in Kürze auch keine weiteren Investitionen im Bereich Verwaltung.
Christian John, Geschäftsführer John Malerbetrieb, Lichtenfels
Vor gut vier Jahren haben wir erstmals die Software WinWorker eingesetzt, ein ERP-System speziell fürs Handwerk. Damit steuern wir Kalkulation, Planung, Warenwirtschaft und Rechnungsstellung. Über eine Zeiterfassungsfunktion buchen unsere 30 Mitarbeiter ihre Arbeitszeit direkt auf die einzelnen Projekte. Das ersetzt den lästigen Zettelkram und hilft uns sehr dabei, den Überblick zu behalten.
Ganz papierlos muss es bei uns aber noch nicht zugehen: Software wird bei uns nur dort eingesetzt, wo sie uns wirklich bei den organisatorischen Dingen unterstützt. Dazu gehört eine automatisierte Nachkalkulation, die wiederum Daten aus der Zeiterfassung nutzt. Bisher verwalten wir über WinWorker alle Daten in einer „Private Cloud“ auf unserem eigenen Server mit Windows-Betriebssystem. Diese sensiblen Daten möchte ich künftig allerdings doppelt absichern und überlege daher, eine weitere Datensicherungs-Lösung zu erwerben. Auch eine digitale Werkzeugverwaltung möchte ich uns in Zukunft zulegen, die uns immer darüber informiert, wo unsere Maschinen gerade sind, und uns anzeigt, ob sie gewartet werden müssen.
Daniel Tombers, Geschäftsführer Pura Die Tischler GmbH & Co. KG, Föhren
Mit einem ERP-Tool von OpenHandwerk können wir uns als Vier-Mann-Unternehmen untereinander über die Cloud kurzschließen. Wir wissen zu jeder Zeit, an welcher Aufgabe der andere gerade arbeitet. Zu unserem Unternehmensstart vor zwei Jahren hatten wir zunächst ein Tool, das ziemlich komplex war und dessen Funktionen wir gar nicht benötigt haben. Unser aktuelles System ist dagegen einfach bedienbar und um wichtige Funktionen erweitert, die wir täglich benötigen. Dazu gehört zum Beispiel eine CAD-Software, über die wir unsere Möbel designen und konstruieren. Wir können mit dieser Software unserem Kunden einen Link schicken und er kann diesen Link mit der passenden App und einem Zugangscode öffnen und sich den Entwurf oder sogar eine ganze Raumplanung virtuell daheim anschauen. Unsere Kapazitätenplanung und Einteilungen der einzelnen Aufgaben erledigen wir mit MS-Outlook .
In Zukunft soll jeder Mitarbeiter ein iPad bekommen, auf dem alle Informationen auf der Baustelle für jeden verfügbar sind. Als nächste Anschaffung planen wir ein CNC-Bearbeitungszentrum , das mit unserer CAD-Software verbunden ist, sodass die Programmierung der Bauteile bereits während der Planung erfolgen kann und die Programme direkt an die Maschine übergeben werden können. Außerdem kann die CAD-Software Holz- bzw. Stücklisten erstellen, damit diese nicht mehr von Hand geschrieben werden müssen.