Klimaschutz Solarstrom wird Pflicht: Neue Aufgaben fürs Handwerk

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EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz), Energieeffizienz, Energiesparen und SHK-Handwerk

Hochwasser hier, Waldbrände dort: Um den fortschreitenden Klimawandel zu bekämpfen, haben sich einige Bundesländer schon eine Solarpflicht auferlegt. Das Gesetz, das Strom aus Sonnenenergie vorschreibt, könnte bald für alle gelten: erst für Neu­bauten, dann für Bestandsbauten. Was aufs Handwerk zukommt.

Solarpanels werden in vielen Bundesländern schon Pflicht.
Solarpanels werden in vielen Bundesländern schon Pflicht. - © Jess rodriguez - stock.adobe.com

Im schwäbischen Esslingen funkeln Dächer in der Sonne. Im Viertel „Neue Weltstadt“ mit Hunderten an Wohnungen und Büros sind flächendeckend Panels angebracht, die den gesamten Komplex mit Solarenergie versorgen. Bei solchen einzelnen – freiwilligen – Vorzeigeprojekten für klimagerechte Stromerzeugung soll es nicht bleiben: Nachdem bereits einzelne Bundesländer ab kommendem Jahr vorschreiben, Gebäude mit Photovoltaik (PV) auszustatten, könnte die Solarpflicht dann schon bundesweit gelten. Die Frak­tion Bündnis 90/Die Grünen hat dazu im August einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der Experten zufolge gute Chancen hat. Vor allem auf die SHK- und Elektro-Gewerke kommt viel Arbeit zu: Die wichtigsten Fragen und Antworten fürs Handwerk im Überblick.

Was bedeutet die Solarpflicht, auch solare Baupflicht genannt?

Die Regelung von Kommunen und Bundesländern in Deutschland schreibt Eigentümern von Neu- und Bestandsbauten den Einbau einer solarthermischen oder Photovoltaikanlage vor. Überwiegend stehen dabei PV-Anlagen im Fokus. CO2-neutral und umweltfreundlich wird bei PV Sonnenlicht in elektrische Energie umgewandelt, dabei kann die Anlage auf dem Hausdach oder auf einer freien Fläche installiert oder in die Gebäudefassade integriert sein.

Wo wird die Installation von Solaranlagen demnächst Pflicht?

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will durch eine bundesgesetzliche Regelung den Ausbau von Solaranlagen zur Stromerzeugung auf Gebäuden beschleunigen. In dem Gesetzentwurf (19/32044) verlangt sie deshalb, dass Eigentümer von Neubauten, für die nach dem 1. Juni 2022 eine Baugenehmigung beantragt wird, verpflichtet werden, auf Dachflächen, die für die Solarnutzung geeignet sind, Solaranlagen zur Stromerzeugung zu installieren und zu betreiben. Dies soll auch für Bestandsbauten gelten, bei denen die Dachhaut erneuert wird. Solche Regelungen sind in Bundesländern wie Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin und Baden-Württemberg schon auf den Weg gebracht. Den Auftakt machen die Schwaben im Januar 2022: Dort müssen Bauherren von öffentlichen Gebäuden, Gewerbeflächen und größeren Parkplätzen Solaranlagen installieren. Ab Mai 2022 gilt diese Regelung auch für private Bauvorhaben, ab
Januar 2023 selbst für grundlegende Dachsanierungen von Bestandsgebäuden. 

Was steckt hinter der Solarpflicht?

Für das Jahr 2045 strebt die Bundesregierung die Klimaneutralität an. Erneuerbare Energien stehen dabei im Fokus – allen voran Solarstromanlagen. Zum Trend zur Solarpflicht gibt es im Markt geteilte Meinungen. Dirk Bräu, der bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern zum Thema Energie berät, begrüßt die Vorschrift, die in immer mehr Bundesländern derzeit im Fokus steht. „Sonnenenergie ist die beste Möglichkeit, Strom direkt dort zu erzeugen, wo er tagsüber auch verbraucht wird – nachhaltig und umweltfreundlich.“

Jörg Knapp, Leiter Referat Technik beim Fachverband Sanitär-Heizung-Klima Baden-Württemberg, dagegen betrachtet die Regelung mit gemischten Gefühlen. „Auf dem Weg zur Klimaneu­tralität gibt es mehrere Wege, wie zum Beispiel der Einsatz von Wasserstoff als Energieträger oder E-Fuels bis hin zum nachwachsenden Energieträger Holz.“ Den Schwerpunkt nun zuvorderst nur auf PV und Solarthermie als einzige verpflichtende Technologien zu setzen, hält Knapp für falsch. Stattdessen rät er zu gesetzlichen Regelungen, die einen technologie- und energieträgeroffenen Ansatz widerspiegeln.

Welche Vorzeigeobjekte gibt es bereits?

Das Viertel „Neue Weltstadt“ in Esslingen zeigt beispielhaft, wie die Zukunft in zehn bis zwanzig Jahren aussehen kann. Die Solarpanels sind auf allen Dächern angebracht und versorgen damit mehr als 400 Wohnungen, Büros und Gewerbeflächen mit Solarenergie. So wird der Strom dort produziert, wo er auch gebraucht wird, was die Stromnetze erheblich entlastet. Für Energieberater Bräu sind auch alle Betriebe, vom Landmaschinenmechaniker bis hin zum Schreiner, Vorbild, insofern sie ihren Strom selbst erzeugen. „Gerade im Handwerk gibt es viele Betriebe mit Hallen, die sich optimal mit Solarpanels bestücken lassen und somit dazu beitragen, das Stromnetz zu entlasten und die Stromkosten zu senken“, sagt Bräu.

 Wie ist der Status Quo beim Ausbau der PV-Anlagen?

Obwohl die Nachfrage nach PV laut den Zahlen der Bundesnetzagentur (BNetzA) im ersten Halbjahr dieses Jahres um
22 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen ist, drängt die Zeit, um die angestrebte Klimaneutralität zu erzielen. Wie der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) mithilfe von Marktforschern und Wissenschaftlern belegt, sind drei- bis viermal so viele neue PV-Anlagen jährlich wie bisher nötig, um den wachsenden Strombedarf durch den Atom- und Kohleausstieg sowie Umstieg auf die Elektromobilität klimafreundlich zu decken.

Welche Vorteile bietet PV?

Während eine solarthermische Anlage Wärme produziert, erzeugt PV Strom, der für alle Geräte im Haushalt bis hin zum Elektroauto genutzt werden kann. Zudem kann PV eine Wärmepumpenheizung antreiben. Ein weiterer Vorteil: PV-Anlagen verbrauchen nur einmal Energie – und zwar bei der Herstellung. Sobald sie installiert sind, produzieren sie für die Hausbewohner Strom zum Nulltarif. Auf lange Zeit: Denn die Solarzellen werden bei der Stromgewinnung kaum abgenutzt oder verbraucht.

Welche Förderungen gibt es?

Die Investition in die eigene umweltfreundliche PV-Anlage wird durch die Bundesförderung für effiziente Gebäude und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert. Der Kern der EEG-Förderung ist die Einspeisevergütung. Das bedeutet, Anlagenbetreiber erhalten Geld für Strom, den sie ins Netz einspeisen. Zusätzlich gibt es die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), die seit Juli die bisherigen Förderprogramme von KfW und BAFA im Bereich energieeffizientes Bauen und Sanieren vereint und auch PV umfasst.

Wie müssen sich Handwerksbetriebe auf den bevorstehenden Boom einstellen?

Auf das Handwerk kommt viel Arbeit zu. Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) arbeiten bereits heute rund 450.000 Handwerksbetriebe mit circa 2,5 Millionen Mitarbeitern in knapp 30 Gewerken täglich in fast allen Bereichen an der Energiewende mit und setzen Umwelt- und Klimaschutz um. Während bei der Solarthermie viele SHK-Betriebe aktiv sind, treiben sogenannte Zebra-Betriebe, die SHK- und Elektro-Handwerk verbinden, den PV-Ausbau voran. Damit diese Betriebe Hausbauer umfassend rund ums Thema Klimaschutz sowie den Einsatz von erneuerbaren Energien, wie zum Beispiel PV, beraten können, bieten Handwerkskammern und Verbände wie auch der Fachverband Sanitär-Heizung-Klima Baden-Württemberg Fortbildungen für SHK-Handwerker an. „Schon heute ist das SHK-Handwerk in der Lage, bei den neuen gesetzlichen Anforderungen vollumfänglich zu beraten und die dafür nötigen Leistungen anzubieten“, ist sich Knapp sicher. Mehrarbeit aufgrund der kommenden Solarpflicht entsteht darüber hinaus auch für Zimmerer, Dachdecker und Gerüstbauer, die Anlagen montieren und abdichten.

Welche Kosten entstehen – und wie zahlen sie sich wieder aus?

Was den Ausbau von Solaranlagen auf einer freiwilligen, also nicht verpflichtenden Basis bisher noch bremst, sind zuallererst die Kosten. Kritiker befürchten, dass eine Solarpflicht Bauen und Wohnen insgesamt verteuern werde. Die Kosten für eine durchschnittliche Solaranlage schätzt das Umweltministerium auf 10.000 Euro. Weil die Hauseigentümer den erzeugten Strom entweder selbst verbrauchen oder ins Stromnetz einspeisen können, rechnet sich die Investition jedoch langfristig. Expertenschätzungen zufolge ist das etwa nach zehn Jahren der Fall.