Quereinsteiger-Geschäftsführer Claudius Deffa: "Es ist nicht schlimm, dass mir das handwerkliche Know-how fehlt"

Als Quereinsteiger hat Claudius Deffa 2023 einen Werbetechnik-Betrieb übernommen. Den fehlenden Stallgeruch kompensiert der ehemalige FinTech-Manager mit seiner großen Expertise in Prozessmanagement. Und auch sonst hat der Wirtschaftswissenschaftler spannende Impulse parat. Claudius Deffa hat 2023 als Quereinsteiger die P.O.S. Werbeproduktion GmbH in Berlin gekauft – und so den Einstieg ins Handwerk gefunden. handwerk magazin: Herr Deffa, stellen Sie sich im Gespräch mit Dritten eigentlich als Unternehmer oder als Handwerkschef vor? Claudius Deffa: Ich stelle mich tatsächlich aktuell als Handwerker vor, weil die Reaktionen immer viel spannender sind, als wenn ich sage, ich bin Unternehmer. Als Handwerker hat man die volle Aufmerksamkeit – das sticht immer komplett raus. Das heißt, Sie sind als Quereinsteiger mittlerweile im Handwerk angekommen? Ja, absolut. Nach Stationen in Fintech und Health-Tech-Unternehmen haben Sie 2023 in Berlin als Quereinsteiger einen Schilder- und Lichtreklame-Betrieb übernommen. Wie schnell war Ihnen bewusst, dass hier einiges anders als im klassischen Start-up läuft? #paid-content# Eigentlich seit der ersten Minute. Ich habe das Unternehmen ja schon vor dem Kauf besichtigen dürfen. Als potenzieller Kunde, also ein Stück weit inkognito. Und ich habe dann gleich gesehen, dass das Set-up ein ganz anderes ist. Statt Desk-Sharing hatte jeder seinen eigenen Arbeitsplatz mit Fotos und Desktop-PC statt Laptop. Hinzu kommt natürlich noch das Herzstück: eine eigene Produktion, die etwas chaotisch wirkte. Somit war mir schon von Anfang an klar, dass es hier in allen Belangen viel zu tun gibt. Nehmen Sie uns doch bitte in die Entscheidungsfindung mit: Wann war Ihnen klar: Das mache ich jetzt als Quereinsteiger und dafür lege ich eine Million Euro auf den Tisch? Es gab drei entscheidende Faktoren. Der eine, der beim Kaufprozess natürlich nicht fehlen darf, ist eine vernünftige Due Diligence. Das heißt: eine rechtliche und steuerrechtliche Prüfung. Dabei habe ich die Bilanzen und Zahlen der letzten drei Jahre intensiv geprüft. Und die waren schon überzeugend. Auf der einen Seite gab es trotz der Coronapandemie ein stetiges Wachstum, auf der anderen Seite wurde fürs Marketing genau null Euro ausgegeben. Ich komme ja aus der digitalen Welt – das hatte ich noch nie gesehen. Ich fragte mich dann: Wo kommen die ganzen Umsätze her? Die Antwort: vom sehr, sehr starken Kunden- und Lieferanten-Netzwerk, auf das man aufbauen konnte. Und der dritte Faktor? Ich habe den Markt analysiert und gesehen, dass man ein paar entscheidende Dinge verändern kann. Wenn man sich einen modernen Start-up-Ansatz mit einem möglichst niedrigschwelligen Angebot, einer guten Customer Journey und mit dem passenden Online-Marketing zum Vorbild nimmt, kann das eigentlich nicht schiefgehen. Und auch das Umfeld hat gepasst. Bei uns gibt es keine großen Player wie in der Solarbranche mit Enpal oder 1Komma5°. Dann habe ich das Geld auf den Tisch gelegt und gesagt: Okay, let’s go! Es werden ja auch ein paar Sachen dann nach der Übernahme nicht so geklappt haben. Welche Lernkurve hätten Sie denn als Quereinsteiger lieber ausgelassen? Ja, ich hatte brutale Lernkurven. So hätte ich gerne die Unsicherheit mit unserem Standort ausgelassen. Kurz nachdem ich das Unternehmen übernommen hatte, musste ich ja rein regulatorisch ein paar Schritte machen. Das heißt, die Kunden, Lieferanten etc. darüber in Kenntnis setzen, auch den Vermieter. Leider wollte dieser aufgrund einer Klausel im Mietvertrag eine satte Mieterhöhung. Das hat natürlich meinen anfänglichen Plan total durcheinandergeworfen, weil ich mich eigentlich im ersten halben Jahr auf die Menschen konzentrieren und ich nicht nach einer neuen Gewerbeimmobilie, in der wir langfristig eine Perspektive zu einem guten Preis haben, suchen wollte. Diese Lernkurve hätte ich mir tatsächlich gerne erspart. Was war der schönste Moment in den vergangenen zwölf Monaten? Es gab mehrere. Beispielsweise der erste Workshop mit dem Team. Mir war wichtig, zu verdeutlichen, dass ich jetzt nicht einfach das Ruder übernehme und alles weiter wie bisher läuft, sondern dass es eine Vision und eine Mission gibt – und jeder ein Teil davon sein darf und soll. Überraschend: Sich einen Tag dafür Zeit zu nehmen, um über Inhalte, Prozesse oder Qualitäts- und Produktionsstandards zu sprechen, so etwas hatte das Team noch nie gemacht. Mit Blick auf die Zahlen kann ich heute sagen, die getroffenen Maßnahmen greifen. Es geht alles in die richtige Richtung: nämlich nach oben. Wie war die Reaktion der Belegschaft auf Sie als Quereinsteiger? Am Anfang natürlich verhalten. Das hat sich dann aber relativ schnell geändert, als ich dem Team erklärt habe, dass es im Prinzip nicht schlimm ist, dass mir das handwerkliche Know-how fehlt und ich in dieser Rolle schon häufiger war. Der positive Nebeneffekt: Die Mitarbeiter bekommen jetzt mehr Vertrauen, ihre Rolle wird breiter. Das hat das Team relativ schnell verstanden und gut angenommen. Natürlich hat es auch geholfen, dass ich die ersten Wochen und Monate überall mitgefahren bin und auf Baustellen Leuchtreklame installiert oder Folien verklebt habe. Zudem konnte ich so gleich Quick Wins für den Betrieb mitnehmen, wie die Idee für unsere interne App. Welche Herangehensweisen, Tools und Erfahrungen aus der Tech-Branche haben Sie mitgebracht? Prozessmanagement, darin habe ich auch meinen Master gemacht. Ich gehe zum Beispiel selber mit raus, erkenne dann relativ schnell die Potenziale und leite ab, was wir hier umsetzen können, damit es zukunftsfähig und stressfreier ist. Zum Beispiel unsere Eingangsrechnungen: Statt einer 25-Stunden-Stelle setzen wir heute auf einen komplett automatisierten Prozess. Sobald das Geld eingeht, wird vom Buchhaltungssystem ein Push an unser Customer-Relationship-Management-System geleitet. Die Projektleiter sehen dann sofort, dass die Rechnung bezahlt ist. Sie merken: Alles wird bei uns einfacher, schneller und digitaler. Das heißt, Sie haben als Quereinsteiger mit klassischen Management-Themen im Team punkten können. Absolut! Zudem habe ich in den letzten Jahren gelernt, dass Jahresgespräche out sind und regelmäßige Feedbacks viel mehr bringen. Die Lernkurve ist einfach schneller und größer. Wir haben jetzt morgens immer ein kleines Teammeeting, wo wir uns für den Tag gegenseitig briefen. Welche Tipps können Sie potenziellen Nachfolgern für ihren Schritt ins Handwerk geben? Mein erster Tipp wäre, das Firmenkonstrukt, so wie es ist, erst einmal zu übernehmen. Damit einen die Banken nicht wie eine Neugründung bewerten. Läuft alles, kann man das Konstrukt im Nachgang steuerlich immer noch optimieren. Außerdem wird man zweitens sonst ein Stück weit abgelenkt, weil man sich dann auf einmal viel mit administrativem Zeug beschäftigt – anstatt mit der Firma und den Menschen. Wenn man einen Handwerksbetrieb übernimmt, muss auf jeden Fall das Team die Prio eins haben. Natürlich ist es zunächst verunsichert, es will wissen, was passiert und wie es weitergeht. Ich hätte noch eine Abschlussfrage: Würden Sie die Quereinsteiger-Nachfolge heute noch mal so mutig angehen? Also ein ganz klares Jein. Es gab tatsächlich die Phasen, wo ich mich gefragt habe, warum. Warum hast du dir diesen Stress freiwillig zugemutet? Aber wenn man jetzt sieht, dass die Ergebnisse stimmen, die Mechaniken funktionieren und man die Früchte ernten kann, ist man schon stolz. Aktuell kann ich sagen, dass ich es natürlich wieder machen würde (lacht). Zur Person: Quereinsteiger Claudius Deffa Vergangenes Jahr ist Claudius Deffa, Jahrgang 1981, ins kalte Wasser gesprungen und hat einen Berliner Schilder-und-Lichtreklame-Betrieb gekauft. Seitdem führt der Wirtschaftswissenschaftler, der auch einen Master of Science an der Donau Universität Krems erworben hat, die P.O.S. Werbeproduktion GmbH als Geschäftsführer und Inhaber. Nach beruflichen Stationen in der Fin- und HealthTech-Branche mit diversen Führungsrollen bringt der Unternehmer nun seine Expertise in den zehn Mitarbeiter großen Handwerksbetrieb ein. Seine Stärken sieht Deffa vor allem im Prozessmanagement, aber auch im Online-Marketing und Vertrieb, der Digitalisierung oder dem New-Work-Leadership. #end-paid-content#

Interview Quereinsteiger-Geschäftsführer Claudius Deffa: "Es ist nicht schlimm, dass mir das handwerkliche Know-how fehlt"

handwerk magazin: Herr Deffa, stellen Sie sich im Gespräch mit Dritten eigentlich als Unternehmer oder als Handwerkschef vor?

Das heißt, Sie sind als Quereinsteiger mittlerweile im Handwerk angekommen?

Nach Stationen in Fintech und Health-Tech-Unternehmen haben Sie 2023 in Berlin als Quereinsteiger einen Schilder- und Lichtreklame-Betrieb übernommen. Wie schnell war Ihnen bewusst, dass hier einiges anders als im klassischen Start-up läuft?

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