Der neue Nissan Interstar-e tritt kraftvoll auf und erreicht ein neues Niveau: Damit bietet er dem Handwerk eine Menge.
Gelenkig schlängelt sich der knapp 5,7 Meter lange Transporter durch die Altstadt. Der 3,5-Tonner scheut weder Kurven noch Engstellen. Bläst bei der kräftigen Steigung nach dem Ortsausgang zur Attacke. Beschleunigt dabei kraftvoll, indes nicht übermotiviert. So hat man’s gerne, souverän, doch ohne Krawall und Übermut. Wobei derlei Getöse ohnehin nicht Sache des vollelektrisch angetriebenen Nissan Interstar-e ist. Er strengt sich zwar an, pfeift dabei aber gelassen und dezent sein E-Liedchen.
Der neue große Nissan-Transporter ist ein Zwillingsbruder des Renault Master, wie in jeder Generation der gut 20 Jahre zuvor. Hier fährt er als Elektriker, und das ist neu. Für diese Modellgeneration und für den größten Nissan-Transporter sowieso. 105 kW/143 PS Leistung und 300 Nm Drehmoment klingen in Zeiten teils überschäumender E-Maschinen auf Anhieb nicht gerade mitreißend. Doch das vorne angeordnete E-Triebwerk macht einen guten Job. Reagiert spontan aufs Fahrpedal und treibt den Transporter praxisgerecht bis auf 120 Sachen.
Verbrauch: Der WLTP-Wert des Nissan Interstar-e macht Lust
Unter dem Bauch lagert ein Lithium-Ionen-Akku. Mit 87 kWh Nennkapazität ist er recht kräftig gebaut. Und der Verbrauch? Liegt wie beim technisch identischen Kollegen Renault Master bei rund 25 bis 26 kWh nach WLTP-Norm, ein prima Wert. Aufgeladen wird mit maximal 130 kW, das ist inzwischen Durchschnitt. Ein knausriger Umgang des Interstar mit Kraftstoff aller Art mutet durchaus glaubwürdig an, haben die Entwickler der neuen Fahrzeuggeneration doch großen Wert auf Aerodynamik gelegt. Zwar nennt Nissan keinen cw-Wert, aber die schräge Windschutzscheibe, Details wie seitliche Schlitze im Stoßfänger als Luftführung, das im Heck leicht abgesenkte Dach und auch die hinten dezent eingezogenen Seitenwände sprechen für einen vergleichsweise niedrigen Luftwiderstand – der Interstar flutscht durch den Wind wie die Seife durch die Badewanne.
In diesem Punkt ist der stattliche Nissan trotz seiner bulligen Nase mit dem selbstbewussten Modellschriftzug sowie dem markant mit Chromstreifen verzierten Grill hochaktuell unterwegs. Eine Modernität, die er beim Betreten des Fahrerhauses plötzlich vergessen lässt. Sind die schwerwuchtigen Türen zugefallen, gehen die Augen auf Entdeckungsreise. Und sehen ein Zündschloss, obwohl bei E-Transportern nichts mehr zündet. Und zwischen den Sitzen nach alter Väter Sitte einen Handbremshebel. Angesichts des herausragend konstruierten Cockpits irritierend.
Cockpit: Sehr fahrerfreundlich
Ist die Armaturenanlage doch die derzeit wohl fahrerfreundlichste Variante aller Transporter. Da wäre der Hebel für die Fahrtrichtung gleich hinter dem zweifach verstellbaren Lenkrad. Eine freundlich zum Fahrer geneigte Mittelkonsole samt Monitor mit perfekter Sicht- plus Erreichbarkeit. Unmittelbar darunter liegen drei handfeste Drehregler zur Einstellung der Klimatisierung. Rundum gibt es zahlreiche Ablagen, dazu die umklappbare Lehne des Mittelsitzes mit Tisch und Fach für den Laptop. Schließlich können sich im Nissan auch groß gewachsene Fahrer strecken und es sich auf einem bequemen Sitz gemütlich machen. Ja, der mittlere Sitz ist angesichts der weit herausgezogenen Mittelkonsole eher ein Notbehelf. Und die Materialien entsprechen nicht gerade Premiumqualität, fallen indes auch nicht karg aus. Insgesamt ist der Nissan Interstar sehr nahe dran an Fahrers Traum.
Fahrwerk: Nissan Interstar-e macht einen guten Eindruck
Zumal auch das Fahrwerk von der zielgenauen und gut unterstützten Lenkung bis zu einer recht angenehmen Federung einen guten Eindruck hinterlässt. Jedenfalls teilbeladen wie beim Testwagen, unterstützt von der gewichtigen Batterie im Untergrund. Sowie ergänzt von einem deutlich geschrumpften Wendekreis des Fronttrieblers dank neu sortierter Radstände. Und alles abgeschmeckt mit einer sehr rasch auf den Pedaldruck reagierenden neuen Bremsanlage.
Laderaum: Ordentlich Platz
Weiter hinten geht es mit einem ansehnlichen Frachtraum weiter. Könner unter den Staplerfahrern zirkeln eine Europalette quer durch die verbreiterte Schiebetür. Auf Basis der Maximalmaße nennt Nissan schon für die kompakte Ausführung – kurz L2H2 – ein Volumen von 10,8 Kubikmetern. Das ist recht günstig, Vorteil der kurzen stumpfen Nase des Interstar. Wie gewohnt, arbeitet Nissan für handwerksgerechte Lösungen eng mit Auf- und Ausbauern zusammen.
Wie bei jedem E-Transporter verlangt das Gewicht besonderes Augenmerk. Hier liegt es aber laut Datenblatt mit 2,4 Tonnen vergleichsweise niedrig, macht 1,1 Tonnen für Fahrer und Fracht. Nicht genug? Der Interstar-e darf zwei Tonnen ziehen. Zwar 500 Kilogramm weniger als der Diesel, aber 500 Kilo mehr als der Bruder Master.
Nissan Interstar-e als Sparversion: Variante mit kompakter Batterie in Aussicht
Nissan nennt einen Einstiegspreis von 53.380 Euro netto sowie Wartungsintervalle von zwei Jahren oder 30.000 Kilometern. Und kündigt eine Sparversion an, mit kompakter Batterie (40 kWh). Sie verringert zwar die Reichweite drastisch, aber auch den Preis und erhöht abermals die Nutzlast um 200 Kilo. Ein Fall für Kurzstrecken. Und fürs Geschlängel durch die Altstadt wird der kleine Akku genügen.